Die Mär vom bösen Weizenkorn Macht Brot wirklich dick und doof?

Dumm wie Brot! Wirklich? Unsere Autorin hat die beiden Ärzte besucht, die mit der Verteufelung von Weizen sehr viel Geld machen.
Dumm wie Brot! Wirklich? Unsere Autorin hat die beiden Ärzte besucht, die mit der Verteufelung von Weizen sehr viel Geld machen.
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Weizen macht dick und krank, behaupten zwei amerikanische Ärzte, deren Bücher Bestseller sind. Aber stimmt das auch? Unsere Autorin hat die streitbaren Mediziner in den USA besucht.

Brötchen? Tödlich. Müsli? Macht doof. Und bringt uns am Ende auch nur um. "Beide sind giftig, sie killen uns schleichend", sagt der amerikanische Herzspezialist William Davis. Warum? "Weil sie aus Weizen bestehen, und der ist heute nur noch ein genmanipuliertes Produkt der Agrarindustrie." Warnend schiebt er hinterher: "Die neuen Sorten wurden nie an Menschen oder Tieren auf ihre Unschädlichkeit untersucht." Das hört sich dramatisch an, ist aber nur die halbe Wahrheit. Davis weiß natürlich, dass Lebensmittel keine Medikamente sind. Sie müssen also nicht am Menschen getestet werden, bevor sie auf den Markt kommen. Und mit "genmanipuliert" bezeichnet er bereits die seit Urzeiten in der Landwirtschaft übliche Kreuzung von Sorten.

Aber darüber will er jetzt nicht sprechen. Der sonst eher fröhlich wirkende Davis schaut betont ernst. Sein Tonfall erinnert an den eines Predigers. Er redet sich in Rage, immer schneller, immer mehr. Zählt Studien und Fälle auf. Spricht davon, wie der moderne Weizen in seiner inneren Struktur verändert worden sei und dass das Entzündungen im menschlichen Körper hervorrufe. Und genau die seien wiederum Auslöser für Krankheiten wie Herzinfarkt, Diabetes, Lupus oder multiple Sklerose. Er redet von Kohlenhydraten, die schädlich seien. Und Gluten, auf das viele Menschen allergisch reagierten. Am Ende läuft bei Davis alles auf einen Satz hinaus: "Weizen ist der Teufel." Kaum hat er ihn ausgesprochen, lächelt er wieder.

Weizenverdammung ist ein lukratives Geschäft

Die Weizenverteufelung hat Davis berühmt gemacht. Sein Buch "Weizenwampe - warum Weizen dick und krank macht" wurde millionenfach verkauft. Er hat zudem einige Kochbücher zur Ernährung ohne das Getreide geschrieben. In Foren diskutieren Tausende seiner Anhänger mit ihm und schildern, wie sich ihr Leben durch den Verzicht zum Besseren gewendet habe.

Das Korn zu verdammen ist populär wie nie - und inzwischen ein lukratives Geschäft. David Perlmutter, ein Neurologe mit Praxis in Naples in Florida, ist ähnlich erfolgreich wie Davis - mit "Dumm wie Brot. Wie Weizen schleichend Ihr Gehirn zerstört". Sein Bestseller wurde in mehr als 30 Länder verkauft. Im Internet ist eine echte Subkultur entstanden. Zu Perlmutter nach Florida reisen Patienten aus der ganzen Welt und zahlen viel Geld für seinen Rat und seine Nahrungsergänzungsmittel. Kein Wunder, denn er verspricht viel: "Wenn Sie sich an meine Regeln halten, werden Sie gesund sehr alt."

Der Neurologe glaubt, Beweise gefunden zu haben, dass Getreide der Hauptauslöser für Alzheimer sei. Eine unbewiesene These. Eigene Untersuchungen, gar Studien hat Perlmutter nicht gemacht. Er zitiert, interpretiert und erwähnt nur, was seine Argumente stützt. Vieles basiert lediglich auf seinen Erfahrungen. Unter Wissenschaftlern gilt so ein Vorgehen als wenig aussagekräftig. Manche Experten nennen Perlmutter deswegen einen Scharlatan.

Alle Kohlenhydrate sollen vom Speiseplan

Solche Kritik interessiert Perlmutter und seine Anhänger nicht. Unbeeindruckt predigt er den kompletten Verzicht auf Weizen. Und er geht weiter, will uns sogar sämtliche kohlenhydrathaltigen Lebensmittel weitgehend aus dem Speiseplan streichen. "Dazu zähle ich auch Früchte, denn sie sind für den menschlichen Organismus am Ende nur Zucker."

Widerspruch lässt der drahtige Mann mit den wachen Augen ungern zu. Sein mächtiger Schreibtisch wirkt wie eine Trutzburg. Jede seiner Bewegungen scheint bewusst gewählt. Zweifel versucht er mit Studien niederzureden, die er alle mit Erscheinungsjahr, Publikation und Seite aus dem Gedächtnis zitieren kann. Dazu erzählt er immer wieder von Patienten, die durch seine Ratschläge von allerlei Gebrechen geheilt worden seien.

Warum er glaubt, dass Kohlenhydrate so ungesund sind? "Sie werden im Darm aufgespalten, der Blutzuckerspiegel steigt, wichtige Proteine im Körper werden verändert und gefährliche Entzündungsvorgänge entstehen - der Beginn eines Feuersturms, der verantwortlich für Gehirnverfall ist." All das sei auch schuld an Krebs, Bluthochdruck und zahlreichen Autoimmunerkrankungen.

Profit mit der Angst der Konsumenten

Wie man sich stattdessen ernähren sollte, weiß Perlmutter auch. Er rät zu einer fettreichen Diät mit einem hohen Fleischanteil, was unter Medizinern lange als schlecht für die Cholesterinwerte galt. "Das ist Quatsch", sagt er und zitiert wieder eine Studie: "Bei 50.000 untersuchten Personen konnte kein Zusammenhang zwischen gesättigten Fettsäuren, also tierischen Fetten, und Herzkrankheiten nachgewiesen werden." Statt zu erwähnen, dass nicht alle Experten das so sehen, schiebt er hinterher: "Vergessen Sie, was Ihnen jahrelang erzählt wurde. Unser Körper braucht keinerlei Kohlenhydrate aus der Nahrung. Die wenigen, die er benötigt, produziert er selbst."

Davis und Perlmutter sind gute Verkäufer. Sie scheinen sich tief in das Thema Ernährung eingearbeitet zu haben und wissen mit ihren Kenntnissen und Fällen aus ihren Praxen zu beeindrucken. Für jedes ihrer Argumente scheint es eine Untersuchung zu geben.

Und doch bewegen sie sich in einer Grauzone. Hinweise auf Zusammenhänge zwischen Getreideinhaltsstoffen und verschiedenen Erkrankungen existieren zwar in der Tat, doch die beiden Autoren ziehen voreilige Schlüsse und machen Profit mit der Angst der Konsumenten.

Worüber sie nicht reden, ist, dass es oft nur wenige Studien gibt. Das ist kilometerweit entfernt davon, ein echter Beweis zu sein. Viele ihrer zitierten Untersuchungen wurden nur an Tieren durchgeführt, der Nachweis an Menschen fehlt. Einiges wurde sogar nur an Zellkulturen getestet. Das ist alles sehr dünn. Aber dem Geschäft schadet das nicht. Denn ihre Versprechungen auf ein besseres Leben verkaufen sich gut.

Mitarbeit: Franziska Rozicki

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