Reise in den Dschihad Zwei norddeutsche Mädchen auf dem Weg zum IS

Ein Propagandavideo der IS-Miliz zeigt voll verschleierte Frauen mit Gewehren, die angeblich in der syrischen Stadt Al-Rakka operieren. Die Frauen sollen der Al-Chansaa-Brigarde angehören, die nur aus Dschihadistinnen besteht. (Archivbild)
Ein Propagandavideo der IS-Miliz zeigt voll verschleierte Frauen mit Gewehren, die angeblich in der syrischen Stadt Al-Rakka operieren. Die Frauen sollen der Al-Chansaa-Brigarde angehören, die nur aus Dschihadistinnen besteht. (Archivbild)
© Picture Alliance/DPA
Zwei Familien aus Hamburg und Geesthacht sorgen sich um ihre Töchter. Diese sind laut ARD-Recherchen über die Türkei nach Syrien gereist, offenbar um sich dem Islamischen Staat anzuschließen.

Eine 17-jährige Hamburgerin und ein 18 Jahre altes Mädchen aus Geesthacht haben sich offenbar Anfang Juni gemeinsam auf den Weg nach Syrien gemacht. Das geht aus Recherchen des NDR-Magazins "Panorama" hervor. Demnach wollen Merve S. und Ece B. sich dort der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) anschließen. Nach dem Verschwinden der beiden Mädchen habe der Vater von Ece B.  am vergangenen Wochenende Selbstmord begangen.

Die beiden Mädchen hatten ihre Ausreise laut "Panorama" offenbar von langer Hand geplant. Darauf wiesen Notizen hin, die Angehörige in ihren Zimmern gefunden hätten. Ihre Flugtickets nach Istanbul hätten sie in einem Reisebüro in Hamburg gebucht. Nach Erkenntnissen der Reporter legte die 17-jährige Merve S. dafür eine gefälschte Vollmacht vor. Die Familien stünden in Kontakt mit türkischen Behörden. Nach ihrem Wissen sollen sich die beiden bis vor wenigen Tagen in Istanbul aufgehalten haben. Wo sie sich derzeit befinden sei nicht bekannt.

LKA reagierte trotz Anhaltspunkten nicht

Bereits im November vergangenen Jahres sei die 18-jährige Ece B. schon einmal in die Türkei ausgereist, heißt es weiter. Damals habe die türkische Polizei die Mädchen durch Hinweise der Familie nach zwei Tagen am Flughafen aufgreifen und zurück nach Deutschland schicken können. Seitdem stehe das Landeskriminalamt Schleswig-Holstein zwar mit der Familie in Kontakt. Laut Bericht sei aber nichts unternommen worden, um eine erneute Ausreise zu verhindern.

"Wir hatten keine Anhaltspunkte, dass Ece B. sich radikalisierte oder einer verbotenen Organisation anschließen will", sagte ein LKA-Sprecher zu "Panorama". "Hätte man das gewusst, hätte man über bestimmte Maßnahmen nachdenken können."

Mädchen kamen nicht aus religiösen Familien

Die Mädchen stammen dem Magazin zufolge beide aus Familien mit türkischen Wurzeln, in denen der islamische Glaube aber nicht streng gelebt wurde. In den vergangenen Jahren hätten sie sich immer stärker verschleiert.

"Ich denke mal, dass es wirklich so war, dass sie diesen Weg gehen wollte, dass sie sich darauf vorbereitet hat", sagte die Mutter von Merve S. dem NDR. "Einen Monat vorher fing sie an, auf dem Teppich, auf dem Fußboden zu schlafen. Als ich sie darauf ansprach, meinte sie, dass sie Rückenschmerzen hat durch die Arbeit und dass ihr das gut tut. Ich fand's komisch, aber ich hab es erst mal so hingenommen." 

Die Familien hoffen jetzt, dass die Mädchen zur Einsicht kommen und nach Hause zurückkehren. Nach Angaben des Verfassungsschutzes sind bereits 650 Männer und Frauen aus Deutschland nach Syrien gezogen, etwa 200 kehrten zurück.

Drei britische Schwester ebenfalls nach Syrien gereist

Unterdessen könnten sich ebenfalls drei britische Schwestern und ihre neun Kinder in Syrien Dschihadisten angeschlossen haben. Die aus dem nordenglischen Bradford stammenden Schwestern Sugra D., Zohra D. und Khadija D. seien mit ihren Kindern im Alter zwischen drei und 15 Jahren nicht wie geplant am Donnerstag von einer Pilgerreise ins saudiarabische Medina zurückgekehrt, sagte der Anwalt ihrer Angehörigen. Erste Ermittlungen hätten ergeben, dass mindestens zehn von ihnen stattdessen am Dienstag vergangener Woche von Medina nach Istanbul geflogen seien. 

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Der Weg über die Türkei ist eine häufig genutzte Route, um ins Bürgerkriegsland Syrien zu gelangen. Ein Verwandter der 34, 33 und 30 Jahre alten Schwestern kämpft laut Anwalt in Syrien für den IS oder eine andere Extremistengruppe. Nun werde befürchtet, dass sich die Schwestern ihm angeschlossen haben könnten. Die britische Polizei leitete Ermittlungen ein. Im April hatten die türkischen Behörden eine britische Familie festgenommen, die sich in Syrien dem IS anschließen wollte.

lie/AFP

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