Es gibt einen Ort, an dem immer die Sonne scheint. Ein kleines Paradies, in dem die Leute den ganzen Tag am Strand abhängen. Wer es sich leisten kann, hält sich eine große Yacht, wer nicht so viel verdient, bloß eine kleine. Von den Villen, in denen die Menschen leben, sind es nur ein paar Schritte zum nächsten Swimmingpool, hinter dem der Ozean liegt, und davor ein Strand, der so weiß ist, dass man nicht ohne Sonnenbrille draufschauen kann. Wenn man es nicht besser wüsste, würde man tippen, das Meer hätte mit dem Himmel eine Wette abgeschlossen, wer von beiden in intensiverem Blau leuchten kann.
Das kalifornische Newport Beach ist eine Art lebendig gewordene Katalog-Oase. Schade bloß, dass es sich nicht empfiehlt, dorthin zu ziehen. Denn alle, die in dem kleinen Örtchen an der Küste wohnen, scheinen irgendwie verflucht zu sein: Familiendramen, Beziehungsstress, finanzieller Ruin - all das ist an der Tagesordnung im Orange County, dem Schauplatz der US-Serie "O.C. California", die seit zwei Jahren überaus unterhaltsam von den Diskrepanzen erzählt, die sich zwischen dem äußeren Schein einer heilen Strandwelt und den Problemen ihrer Protagonisten aufbauen lassen.
Mehr als eine auf Hochglanz polierte Pubertätsparade
Im Mittelpunkt steht der 17-jährige Ryan Atwood, der aus dem schmuddeligen Vorort Chino stammt, von seiner Familie verstoßen wurde und ständig mit dem Gesetz in Konflikt gerät. Ausgerechnet sein Pflichtverteidiger Sandy Cohen gibt dem Jungen die Chance, einen Neuanfang zu starten. Er nimmt Ryan in seine Familie auf und hilft ihm, sein Leben wieder auf die Reihe zu kriegen. Seinem Sohn Seth, einem Videospiele- und Comic-Nerd, hätte Sandy keinen größeren Gefallen tun können. Denn erst durch den Neuling lernt Seth, dass man nicht den ganzen Tag vor der Glotze hängen sollte, wenn man Spaß haben will. Ryan hingegen verliebt sich prompt in die hübsche Nachbarstochter Marissa und steckt plötzlich mitten drin in der Newport-Society.
Natürlich kann man behaupten, das alles klinge stark nach einer Neuauflage des 90er-Jahre-Hits "Beverly Hills 90210", und eigentlich ist "The O.C.", wie die Serie im amerikanischen Original heißt, ja auch als klassische Teeanger-Serie angelegt. Doch spätestens mit der dritten Staffel, die am Samstag bei Pro Sieben anläuft, stellen die "O.C."-Produzenten unter Beweis, dass sie mehr zu bieten haben als eine auf Hochglanz polierte Pubertätsparade. Auch in den neuen Folgen geht es zwar wieder darum, wer mit wem zusammen kommt, und welche Konkurrenten dieses Glück gefährden könnten.
Ein aufgemotzter "Denver-Clan"
Weil "O.C., California" aber zugleich von den Intrigen erzählt, mit denen sich die Erwachsenen gegenseitig das Leben schwer machen, ist die Serie auch für Zuschauer sehenswert, die die Pickelproblematik lange hinter sich gelassen haben. "O.C." ist weniger ein modernes "90210" als vielmehr ein aufgemotzter "Denver-Clan". Es gibt echte Biester wie Marissas Mutter Julie, die ständig bloß auf ihren eigenen Vorteil bedacht ist, und Gutmenschen wie Sandy. Dazu kommt die sympathische Zicke Summer, die sich nicht so recht entscheiden kann, ob sie mit Seth zusammen sein will, den man stets wegen seiner treffend-ironischen Bemerkungen beneidet. Und natürlich der Outlaw Ryan, der immerzu von der Vergangenheit eingeholt wird.
Man kann schnell süchtig werden nach dieser tragikomischen Soap, zumal deren Macher das Prinzip Cliffhanger perfektioniert haben. Am Ende der zweiten Staffel sorgt Ryans in Newport aufgetauchter Bruder Trey für eine Eskalation der ewigen Bruderfehde: Es kommt zu einer Schlägerei, in der Ryan von seinem älteren Bruder fast zu Tode geprügelt wird, und Marissa feuert reflexartig mit einer Waffe auf Trey. Dann kommt der Schnitt: "To be continued."
Selbstironie und Authentizität
Die dritte Staffel, auf die Fans in Deutschland immerhin fünf Monate warten mussten, beginnt damit, dass Trey ins Krankenhaus eingeliefert wird, was Ryan wie in Trance erlebt. Die Polizei verdächtigt ihn, die Waffe auf seinen Bruder abgefeuert zu haben, was aufgrund seiner Vorstrafen den endgültigen Abschied von den Cohens bedeuten würde. Aber natürlich kommt es nicht soweit. Der Vorfall hat dennoch ernste Konsequenzen: Ryan und Marissa fliegen von der Schule und müssen ihre Zukunft neu planen. Derweil kämpft Sandys Frau Kirsten mit ihrer Trinksucht und muss zugleich den Tod ihres Vaters Caleb verkraften. Dessen Frau Julie plant bereits eine Familienneugründung mit ihrem Ex-Mann Jimmy, ahnt aber nicht, dass das in Aussicht stehende Erbe ganz und gar kein Glücksgriff ist.
Es ist alles ein bisschen düsterer in diesen 25 neuen Folgen, doch das passt ganz gut zu einer Teeangerserie, die gemeinsam mit ihren Protagonisten erwachsen wird, und allein schon deshalb so außergewöhnlich ist, weil sie sich bei all der Dramatik trotzdem reichlich Selbstironie erlaubt und dabei stets mit ihrer Authentizität spielt: Wenn sich die Clique abends im Newport-Beach-Club trifft, treten Bands wie Death Cab for Cutie, The Killers oder Modest Mouse auf, die man auch im wahren Leben auf Tour sehen kann. Der trendige Soundtrack ist längst zu einem Markenzeichen der Serie geworden.
Verjagt ProSieben die Fans?
Um so trauriger ist es, dass Pro Sieben die neue Staffel nun am Samstagnachmittag versendet. Beim Sender heißt es, das junge Publikum sehe eben eher wochenends fern - aber das ist gemogelt, weil die Wiederholungen der ersten beiden Staffeln auf demselben Platz keinesfalls besonders gut ankamen.
Der stiefmütterliche Umgang mit "O.C., California" ist am ehesten damit zu erklären, dass der neue Senderchef Andreas Bartl den ursprünglichen Sendeplatz am Mittwochabend inzwischen mit Hollywood-Blockbustern zugepflastert hat. Auf lange Sicht dürfte sich Pro Sieben mit dieser Masche seine US-Serien-Stammfans verjagen. Denn die haben samstagmittags im Sommer sicher Besseres zu tun als fernzusehen. In Konkurrenz zum realen Badesee um die Ecke ist eben auch die kalifornische Küste nicht mehr konkurrenzfähig.