Verbrechen Vermisste Kezhia (19) tot aufgefunden – wie die Polizei ihrem tatverdächtigen Freund (42) auf die Spur kam

  • von Anja Reumschüssel
Auf dem Sportplatz von Klötze wurden Blumen und Kerzen niedergelegt im Gedenken an die getötete Kezhia
Auf dem Sportplatz von Klötze wurden Blumen und Kerzen niedergelegt im Gedenken an die getötete Kezhia
© DPA
Sie war 19 Jahre alt, wollte Konditorin werden, ihr Herz gehörte dem Fußball: Kezhia aus Klötze in Sachsen-Anhalt. Sechs Wochen wurde sie gesucht, nun fand die Polizei ihre Leiche im Wald. Ihr 42-jähriger Freund wurde verhaftet, er gilt als tatverdächig

Mit 30 Messerstichen war Kezhia H. getötet worden. Das ergab eine erste Leichenschau im Auftrag der Staatsanwaltschaft Stendal am 21. April. Die Obduktion des Leichnams ist noch nicht abgeschlossen, erst dann steht die offizielle Todesursache fest.

Am selben Tag wurde Kezhias Freund dem Haftrichter vorgeführt. Der 42-Jährige war bereits kurz nach Kezhias Verschwinden von der Polizei verhört worden. Doch ohne Leiche konnte man ihm kein Verbrechen nachweisen, der Mann blieb vorerst frei.

Nun sitzt er in Untersuchungshaft – wegen des dringenden Verdachts des Totschlags.

Kezhia war ein großer Fußballfan

Und Kezhia wird für immer 19 Jahre alt bleiben. Sie lebte in Klötze im Norden Sachsen-Anhalts, wollte Konditorin werden, machte dafür eine Ausbildung. Doch ihr Herz gehörte dem Fußball und ihrem Heimatverein, dem VfB 07 Klötze. Für den raste "Kessi" schon mit fünf Jahren über den Rasen, stand später im Tor und als Schiedsrichterin auf dem Platz. In einem Gespräch mit der Lokalzeitung erzählte sie mit damals 15 Jahren von ihren Plänen für die Zukunft: Bei den Erwachsenen sei sie noch etwas schüchtern, aber langfristig wolle sie auch Partien bei den Männern leiten – so hochklassig wie möglich. Vielleicht sogar in der Bundesliga. Sie muss sich auf dem richtigen Weg gewähnt haben. "Ich habe alles richtig gemacht", sagte Kezhia damals.

Ihren Freund hatte sie im Verein kennengelernt: ebenfalls Fußballfan, 23 Jahre älter als sie, Elektromonteur und Familienvater. Ihre Mutter wusste von der Beziehung, doch das Verhältnis zum Freund ihrer Tochter sei schwierig gewesen, erzählte sie einer Lokalzeitung. Da war Kezhia schon seit mehr als zwei Wochen vermisst.

Ihr Freund holte sie am 4. März ab

Am 4. März hatte sie noch mit ihrer Mutter zu Mittag gegessen. "Ich mach los", sagte sie dann, so erinnert sich ihre Mutter. Kezhia ging zu einer nahegelegenen Bushaltestelle. Sie trug eine graue Jacke, eine helle Hose und weiße Schuhe, heißt es später in der Vermisstenmeldung der Polizei. Ihr Freund holte sie ab, mit einem weißen Transporter. Zusammen wollten sie zum Bundesligaspiel des VfL Wolfsburg gegen Eintracht Frankfurt fahren.

Er habe sie in Wolfsburg abgesetzt. In der Nähe des Wolfsburger Hauptbahnhofs wurde sie ein letztes Mal von Zeugen gesehen. Ihr Freund sei anschließend noch einmal in seine Firma nach Braunschweig gefahren. Als er sich danach wieder in Wolfsburg mit Kezhia treffen wollte, sei sie nicht aufgetaucht.

Am nächsten Tag, einem Sonntag, schrieb ihre Mutter Kezhia eine Nachricht, fragte noch einem weiteren gemeinsamen Abendessen, bevor Kezhia mit ihrem Freund am Montag in den Urlaub nach Süddeutschland fahren wollte. Kezhia antwortete nicht.

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Noch nie hatte Kezhia sich so lange nicht gemeldet

Auch am Montag nicht. Kezhias Handy war ausgeschaltet, ebenso wie das ihres Freundes. Ihre Mutter wurde unruhig, noch nie habe Kezhia so lange nicht geantwortet, erzählt sie später der Lokalzeitung "Volksstimme". Doch sie versuchte sich zu beruhigen: Sicher waren die beiden schon unterwegs und wollten im Urlaub nicht gestört werden.

Dienstag, 7. März, Frauentag: Die Polizei rief Kezhias Mutter an. Der Freund ihrer Tochter habe sie als vermisst gemeldet. Drei Tage nachdem er sie zum letzten Mal gesehen hatte.

Am 10. März ruft die Polizei eine Öffentlichkeitsfahndung aus, sucht nach Zeugen, die Kezhia gesehen haben. In den Tagen darauf verteilen Familie, Freunde und Fremde Plakate mit Kezhias Foto und Beschreibung, suchen in Wolfsburg und Klötze, Braunschweig und Salzwedel.

Der Freund gerät in Verdacht

Am 23. März durchsuchten Polizeibeamte der Polizeiinspektion Stendal die Wohnung des 42-jährigen Freundes von Kezhia. "Gegen ihn wird wegen des Verdachts des Totschlags ermittelt", steht in einer Pressemitteilung der Polizei. Eine Pressesprecherin erklärt später, der 42-Jährige, der zunächst nur als Zeuge vernommen worden war, habe sich bei der Vernehmung in Widersprüche verwickelt. Zu dem Zeitpunkt war Kezhia bereits seit fast drei Wochen verschwunden.

Am 12. April jagten Hubschrauber durch die Luft über Klötze, großflächig wurden Wälder und Wiesen durchsucht. Abermals wurde der 42-jährige Tatverdächtige verhört, abermals kehrte er nach Hause zurück.

Die Polizei sucht seit sechs Wochen nach Kezhia

Knapp eine Woche später bat die Polizei erneut um Hinweise, suchte nun ganz konkret nach einem weißen VW Crafter Kastenwagen mit dem Logo einer Firma aus Braunschweig. Jener Transporter, mit dem der 42-Jährige Kezhia abgeholt und nach Wolfsburg gefahren haben will. "Es ist ja eher ungewöhnlich und fällt vielleicht auf, wenn Firmenfahrzeuge am Wochenende unterwegs sind", sagt Jeannine Stage-Breuer, Pressesprecherin der Polizeiinspektion Stendal. In "kriminalistischer Kleinstarbeit" hätten die Ermittler schließlich den Fahrtenschreiber aus dem Kastenwagen ausgewertet, mit den Aussagen des Verdächtigen, mit Wegstrecken und Fahrzeiten abgeglichen. Mehr als sechs Wochen hatte die Polizei nach Kezhia gesucht.

Am 20. April stapften Ermittler durch ein Birkenwäldchen in der Nähe eines Kieswerks im Landkreis Helmstedt, 40 Kilometer südwestlich von Wolfsburg, 60 Kilometer südlich von Klötze. In einer Grube, zwei Meter in der Tiefe, fanden sie Kezhias Leiche. Noch am gleichen Tag wurde Kezhias Freund erneut festgenommen.

Der VfB 07 Klötze hat den Spielbetrieb für dieses Wochenende ausgesetzt. In der strahlenden Frühlingssonne steht vor einem der Fußballtore ein Brett, mit schwarzem Stoff umhüllt, darauf Fotos von Kezhia, daneben Kerzen, weiße Rosen, Fußbälle. Und im Tor auf einem Metallgestell ein Trikot des VfB 07 Klötze. Ein Spielertrikot ohne Spielerin.