So wird er klingen, der neue BMW Siebener 760i mit V12-Motor.
Diese Ouvertüre aus zwölf Zylindern und 544-Bi-Turbo-PS würde sicher für knackende Genicke vor jedem Straßencafé sorgen. Doch man kann getrost davon ausgehen, dass die bevorzugte Klientel des BMW-Flaggschiffes auf solche Stunts verzichten wird. So beeindruckend die Beschleunigung in 4,6 Sekunden von null auf hundert auch sein mag. Immerhin sprechen wir hier von einem Zwei-Tonnen-Kreuzer.
Die erfreuen sich eher an dem Drehmoment-Hammer von 750 Newtonmeter, dem relativ moderaten Spritverbrauch von 12,9 Litern und den sämigen Gangwechseln der Achtgang-Automatik. Die gibt es zum ersten Mal in einem BMW.
Warum die 544-PS-Bayern-Power so und nicht anders klingt, liegt in den Händen oder besser Ohren von Gerhard Thoma, dem Leiter Akustikprojekte und Sounddesign bei BMW und seinem Team. Ihr Konzertsaal ist das F.I.Z (Forschungs- und Innovationszentrum) ein schmuckloses Gebäude, das in den späten 80ern auf avantgardistisch getrimmt wurde, im Münchner Norden.
Ihr Job ist es, wie ein Komponist ein stimmiges Klangbild zu schaffen. Nur sind ihre Instrumente nicht Geige, Cello und Trompete, sondern heißen Z4, Siebener, Fünfer und Dreier. Der "Klangkörper" ist die Karosserie und die Saiten sind Fensterheber, Scheibenwischer und vor allem der Motor. "Die akustische Wahrnehmung unserer Autos unterscheidet sich bewusst je nach Fahrzeugtyp und Motorisierung. Das Klangbild des Motors muss immer zum Fahrzeug passen und die Motorleistung sowie die Optik des Fahrzeugs unterstützen", sagt Thoma.
Natürlich ist das Tuning des Motorsounds die Königsdisziplin, aber gerade die Kleinigkeiten machen den Unterschied zwischen Premium und einem Billigheimer-Fahrzeug aus. Das Auto muss sich nicht nur gut fahren, sondern vor allem auch gut anfühlen und vor allem anhören. Eine wimmernde Ölpumpe nervt den Fahrer genauso, wie Fehlzündungen.
Ein Scheibenwischer darf nicht so,
sondern muss so
klingen. Der satte Klang beim Zuschlagen einer Türe
vermittelt Wertigkeit und Sicherheit. Das wäre bei diesem Geräusch,
das mehr an eine Blechdose erinnert, als an eine Luxus-Limousine eines Premium-Herstellers wohl kaum der Fall.
Bei etwa 150 Elektromotoren nervt genau der eine, der nicht optimal klingt. Dieser "faule Apfel" beeinträchtigt den Gesamteindruck des Autos. "Wenn ein Kunde eine sechsstellige Summe für ein Auto hinlegt, darf so etwas nicht passieren", verdeutlicht Thoma.
Damit dies nicht eintritt, tüfteln etwa 150 Mitarbeiter in 13 Messräumen daran, dass ein BMW klingt, wie er klingen soll. Die Technik spielt dabei eine immer größere Rolle. 150 Millionen Euro haben die Computer und die Prüfstände gekostet. Alleine die Updates verschlingen sechs Millionen im Jahr. "Man wird zunehmend die Autos virtuell entwickeln. Das betrifft auch die Akustik", erklärt Thoma.
Im Schallmessraum wird simuliert, wie sich der V12-Siebener im Freien anhört, also wie das Auto klingt, wenn der Schall sich unendlich weit ausbreiten kann. Fällt eine Unregelmäßigkeit auf, wird dieser sofort auf den Grund gegangen. Dazu wird jeder Fahrzustand mit Hilfe von Prüfständen möglichst detailgetreu reproduziert - egal, ob es sich um einen Bahnübergang oder die Fahrt über ein Kopfsteinpflaster handelt.
Die Vorgehensweise erinnert an das Ausschlussverfahren bei "Wer wird Millionär": Alle möglichen Ursachen werden abgearbeitet, bis wir die Lösung haben. "Wenn nötig, fahren wir auch so lange über Kopfsteinpflaster, bis wir das Problem geortet haben", erklärt Thoma die empirische Ultima Ratio.
Das Konzept, wie ein Auto zu klingen hat, wird etwa fünf Jahre vor Beginn der Serien-Produktion festgelegt. Der Motor muss perfekt auf den Charakter eines Autos abgestimmt sein: Der gleiche Sechszylinder-Benziner klingt im 530i
fast schon diametral anders als im Z4-Roadster.
Den lautmalerischen Feinschliff erhält das neue Auto etwa ein halbes Jahr vor Serienstart.
Um die Komposition dieser Melodie aus Zylinder, Ventilen, Zahnräder und Hydrostößel zu vereinfachen, hat BMW einen Fahr-Simulator entworfen, der jedem Videospiel-Fan Freudentränen in die Augen treiben würde. In dem "Hexapod", können alle Fahrzustände - vom entspannten Dahinrollen bis zum Kickdown - realistisch dargestellt werden, inklusive Motorengeräusch. Dazu sitzt man in der Karosserie eines Fünfer BMWs der auf sechs Säulen ruht.
"Das akustische Gedächtnis kann sich nur 20 Sekunden etwas merken", erklärt Rümmel. Deswegen kann er blitzschnell von einer Vollgas-Etappe auf der Autobahn mit 250 km/h auf Schrittgeschwindigkeit umschalten. Inklusive verändertem Motoren-Sound. "Und zwar genauso, wie das Auto später auch klingen würde", sagt der freundliche Ton-Ingenieur, mit etwas Stolz in der Stimme.
Die Palette, wie man den Klang eines Autos verändern kann, reicht von mehr Dämm-Material bis hin zu einer geänderten Abgasführung. Letzteres kann jeder nachvollziehen, der sich mal einen Auspuff-Endtopf Modell "klingt wie 560 PS" eines Krawall-Tuners geleistet hat.
Wie diffizil gerade Abstimmung des Innengeräusches ist, zeigt sich an den sportlichen Modellen. "Wenn der Kunde aufs Gas drückt, will er schon spüren, dass er einen Sportwagen fährt. Allerdings darf einem das Motorengeräusch nicht nach zwei Stunden schon auf die Nerven gehen. Außerdem muss ein Fahrer schon vom Gehör wissen, wie schnell er etwa ist", erklärt Akustik-Psychologe Dr. Zeitler. Wie sich das die Münchner Automobil-Mozarts vorstellen, hört man am Sound des V8-Hammers im M3
Schließlich haben die Geräusche auch psychologische Auswirkungen. Und um die zu ermitteln, werden bei aller virtuellen Pracht und allem technischen Möglichkeiten, auf bewährte Untersuchungen mit Probanden zurückgegriffen.
Denn eines bleibt für Gerhard Thoma unumstritten: "Kein Messinstrument kann den Klang, die Wärme einer Stradivari messen. Das Ohr ist nach wie vor die höchste Instanz."