Wer sich für ein 3er-Cabrio entscheidet, sollte keine Problemen mit dem Selbstbewusstsein haben. Egal ob City-Tour oder Vollgas-Orgie - der Freiluft-Bayer zieht überall die Blicke auf sich.
Keine Schmerzen
Es ist eine Sucht. Es kann nur eine Sucht sein. Jahr für Jahr versuchen erwachsene Menschen dem einsetzenden Winter zu trotzen und setzen dabei ihre Gesundheit aufs Spiel. Mit Sitzheitzung, Mütze und Schal bewaffnet, kämpfen sie sich durch den morgendlichen Berufsverkehr. Ohne Dach, versteht sich. Das bleibt schön im Kofferraum, auch wenn man beim Gangwechsel fast am Schaltknüppel festfriert.
Häme? Nicht die Spur! Zwei Wochen im 325 Ci haben mich gründlich bekehrt. Der offene Dreier ist weit mehr als die Freiluft-Version einer Limousine. Das Cabrio hat seinen eigenen Charakter, seine eigenen Fans, seinen eigenen Willen.
Selbstbewusster Bayer
Nur wenige Autofahrer können sich der Begegnung mit einem offenen Dreier entziehen. Wie auch, schließlich haben die BMW-Designer ein rundum leckeres Paket auf vier breite Räder gestellt. Das Cabrio trägt seine BMW-Niere wesentlich selbstbewusster zur Schau als sein geschlossener Zwilling. Außerdem sorgt der böse Blick der Scheinwerfer für Klarheit im »gegnerischen« Rückspiegel. Gekrönt wird die bullige Front von einer mächtigen Frontschürze, die mit ihren großen Lufteinlässen reichlich frischen Wind unter die Motorhaube schaufelt.
Hinzu kommen noch dezent erweiterte Seitenschweller, große 18-Zoll-Räder und der bekannte Dreier-Hintern mit der schrägen Kante der Heckklappe. Insgesamt wirkt das Cabrio wesentlich kraftvoller. Wohl auch, weil das Stoff-Verdeck flacher ist, als ein Dach auch Stahl.
Genug geschaut, nun muss der Süddeutsche innere Qualitäten beweisen. Viel Schwung, viel Schmerz - wer den offenen BMW wirklich dynamisch betreten möchte, sollte sich auf längere Flugzeiten einstellen. Zwischen Sitzfläche und Fahrbahn ist nicht viel Platz und so vergeht einige Zeit, bis das fahrereigene Hinterteil auf flauschiges Leder trifft. Sind alle Körperteile vorschriftsmäßig im Innenraum untergebracht, gibt es nur noch wenig zu meckern.
Angenehmes Gestühl
Auf den großen Ledersitzen ist man vorbildlich untergebracht. Absolut förderlich für Komfort und Sicherheit sind hier vor allem die in die Sitze integrierten Gurte. Schluss mit der Fummelei nach dem Gurt, und auch die Font-Passagiere kommen unverheddert auf ihr Plätze. Elektrisch unterstützt lässt sich das Gestühl bestens auf die persönlichen Ansprüche ausrichten, die Sitze lassen sich extrem weit nach hinten schieben. So passen auch Menschen über 1,90 Meter hinters höhen- und tiefenverstellbare Lenkrad.
Straßennähe
Gewöhnungsbedürftig: die tiefe Sitzposition. Vor allem kleine Cabrio-Piloten fühlen sich im luftigen Bayern schnell wie ein Kleinkind im Laufstall. Die tiefen Sitze und die hohe Schulterlinie sorgen auf den ersten Blick für ein angenehmes Gefühl der Sicherheit - auf Dauer wirkt der eingeschränkte Ausblick jedoch beklemmend. Wenig Freude haben auch Passagiere, die längere Zeit auf den Rücksitzen verbringen müssen. Kleine Kinder mögen klaglos unterzubringen sein. Wer allerdings auch Erwachsene zu seinem Freundeskreis zählt, wird mit einer Spritztour im BMW-Cabrio auf wenig Gegenliebe stoßen. Selbst bei nur durchschnittlich großen Personen auf den Vordersitzen bleibt den Beinen der Hinterbänkler lediglich ein Überlebensraum von rund 15 Zentimetern.
Wie bei allen BMWs nimmt auch im offenen Dreier die Mittelkonsole einen bedeutenden Platz ein. Den meisten Platz schluckt der große Farbbildschirm im 16:9-Format, über dessen Menüführung alle wichtigen Fahrzeugfunktionen gesteuert werden können. Wer sich die rund 2.500 Euro Aufpreis für dieses schicke Multifunktionsteil sparen möchte, muss dafür mit vielen großen und kleinen Knöpfchen leben. Die Verarbeitungsqualität ist über jeden Zweifel erhaben. Selbst übelste Kopfsteinpflaster-Pisten quittiert der BMW ohne größere Knister- und Knarzgeräusche.
Elektrisches Verdeck
Ein Traum: Das elektrische Verdeck. Keine akrobatischen Einlagen bei der Entriegelung des gefütterten Mützchens, keine Fummelei mit der Abdeckung des Verdeckkastens. Knöpfchen drücken und nach wenigen Sekunden hat sich das Thema »Dach« erledigt. Endlich: die kratzempfindliche Kunststoff-Heckscheibe ist richtigem Glas gewichen.
Das Kätzchen mit den scharfen Krallen
Ein kurzer Dreh am Zündschlüssel erweckt unter der bulligen Motorhaube 192 Pferdchen zum Leben. Die edlen Vollblüter sind, wie sich das für einen BMW gehört, der Reihe nach auf sechs Zylinder verteilt. Aus Platzgründen werden heute kaum noch Reihen-Sechszylinder verbaut. Aus guten Gründen sträubt sich BMW bisher gegen diesen Trend. In Sachen Laufruhe und Durchzugskraft kann kein anderes Triebwerk mit den BMW-Motoren mithalten. Der 2,5 Liter große Kraftprotz schnurrt, ohne erkennbare Vibrationen, wie ein Kätzchen.
Das ändert sich auch kaum, wenn man den kleinen Tiger per Fünfgang-Schaltung dazu auffordert, den gut 1.600 Kilo schweren BMW in Schwung zu bringen. Perfekt hängt der BMW am Gas, reagiert auf das kleinste Zucken des rechten Fußes mit einem unweigerlichen Drang nach vorne, ohne dabei seine gute Kinderstube zu vergessen. Ein dezentes, leicht aggressives Fauchen - mehr ist dem Sechszylinder nicht an Akustik zu entlocken.
Hakeliges Getriebe
Theoretisch ließ sich dieses brave Verhalten auch in Fahrleistungen ummünzen. Wenn da nicht ein störrisches Getriebe im Weg stehen würde. Trotz kurzer Schaltwege - der Griff zum Schalthebel macht keinen Spaß. Flottes Hochschalten endet meist in einer wilden Hakelei zwischen dem zweiten und dritten Gang. Erst in Schwung gebracht, rennt das flotte Cabrio wie ein Sportwagen. Auf der Autobahn geht dem BMW erst jenseits der 240 Klamotten die Puste aus. Nicht schlecht für ein Cabrio - zumal man sich auch bei solchen Geschwindigkeiten problemlos unterhalten kann.
Die Sprache verschlagen wird es sicherlich BMW-Neulingen nach der ersten Fahrt über die Landstraße. Das betont sportlich abgestimmte Fahrwerk giert nach Kurven - von den angetriebenen Hinterrädern in jeglicher Situation mit dem nötigen Vortrieb gefüttert. Wer´s übertreibt, jagt das nur in Extremfällen sensible BMW-Heck direkt in die offenen Arme des Stabilitätsprogramms DSC. Ähnlich wie der Schleuderverhinderer ESP setzt auch DSC dem Drift enge Grenzen. Trost für Fans: der elektronische Wächter ist per Knopfdruck abschaltbar.
Fazit
Das Dreier-Cabrio ist ein echter Tausendsassa. Vom nervigen Getriebe einmal abgesehen, ist es praktisch frei von Schwächen. So viel Ausgewogenheit hat natürlich ihren Preis. Wer auf der Preisliste das eine oder andere Häkchen macht, gerät schnell in die Nähe von 50.000 Euro.