Der Schwedenhappen, den Volvo unlängst servierte, ist für die Autohäuser nur schwer verdaulich. "Als Teil seiner neuen Geschäftsstrategie wird Volvo Cars erheblich in seine Online-Vertriebskanäle investieren, die Komplexität im Produktangebot reduzieren sowie mit transparenten und festgelegten Preismodellen arbeiten", ließ der Autobauer verlauten. Das gilt bereits jetzt für die reinen Elektroautos wie den Volvo XC40 Recharge.
Todbringende Bytes

Aus Sicht des schwedischen Autobauers ergibt dieser Schritt durchaus Sinn. Schließlich müssen die Kosten drastisch gesenkt werden, damit aus der Elektromobilität ein lohnendes Geschäft wird. Die Sparhebel sind zum einen die Vertriebskosten und zum anderen müssen die Ausstattungsvarianten reduziert werden. Diese Maßnahme lässt sich jetzt schon beobachten. Sowohl bei klassischen Automobilen als auch bei Elektromodellen schrumpfen die Preislisten. Der Trend geht zu Paketen und weg von vielen Einzelposten, was die Auswahl des Wunschfahrzeugs vereinfacht.
Damit wird die Produktion billiger. Wohin die Reise geht, sieht man bei Tesla. Der umtriebige Chef Elon Musk hat bereits angekündigt, dem klassischen Handel die Rote Karte zu zeigen. Das Bestellen eines Autos soll per Smartphone mit wenigen Klicks möglich sein. Wenn nur wenige Optionen zur Auswahl stehen, reichen ein paar Wischbewegungen und das Wunschfahrzeug ist konfiguriert. Der klassische Weg, bei dem man sich in der Ausstellungsfläche eines Autohauses den Wagen begutachtete, sich von einem Verkäufer beraten ließ, gehört damit der Vergangenheit an. Die Corona-Pandemie und die damit verbundenen Schließungen der Autohäuser wirken dabei wie ein Brandbeschleuniger. Viele Kunden haben sich daran gewöhnt, Geschäfte digital abzuschließen. Das fängt bei der Bekleidung sowie Technikgeräte an und hört bei Automobilen auf.
Ist damit der Autohandel außen vor? Nicht zwingend. "Parallel zu den Investitionen in die Online-Vertriebskanäle baut Volvo Cars gemeinsam mit dem Handel stärkere Kundenbeziehungen auf. Die Partnerbetriebe bleiben ein entscheidender Teil des Kundenerlebnisses und insbesondere in Märkten wie Deutschland die zentrale Anlaufstelle für Kunden: In den Volvo Autohäusern erfahren sie weiterhin kompetente Beratung und können Probefahrten vereinbaren. Auch wichtige Dienstleistungen wie die Verkaufsbemühungen, die Vorbereitung, Auslieferung und Wartung der Fahrzeuge liegt in der Verantwortung der Vertragspartner", heißt es bei Volvo. Dem stimmt auch der Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK) zu. "Letztendlich entscheidet immer noch der Kunde, wo er sich am besten beraten fühlt, und das ist in den meisten Fällen beim ausgebildeten Fachpersonal im Autohaus", sagt Präsident Jürgen Karpinski.
Dennoch bedeutet die Umstellung des Vertriebs für den Autohandel, dass die Marge, die man bisher beim Verkauf eines Wagens eingestrichen hat, wegfällt und damit auch eine nicht unwesentliche Einnahmequelle. Auch die Probefahrt steht auf der Kippe. Tesla-Chef Elon Musk hat angekündigt, dass man ein gekauftes Auto bei einem Kilometerstand von maximal 1.000 Meilen (rund 1.600 Kilometer) zurückgeben kann und den vollen Kaufpreis zurückbekommt. Ob dieses Angebot auf lange Sicht rentabel ist, wird sich zeigen. Es besteht die Gefahr, dass es zu einem Probefahrten-Nomadismus kommen könnte, ähnlich wie das bei Elektronikmärkten und TV-Geräten bei Großereignissen wie einer Fußball-Weltmeisterschaft der Fall ist. Da werden Geräte innerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Frist, sprich nach dem Finale wieder zurückgebracht.
Die Zukunft für manche Autohändler wird in der Service-Station liegen, als Spezialist für die After Sales-Aktionen. Zumal auch die Anzahl der Verkäufe sinken wird, da sich mehr Kunden zum Carsharing tendieren. Dazu kommt, dass bei der viel gepredigten Transformation der Automobilhersteller auch deren Geschäftsmodell grundlegend ändert. "Ja, es wird zu einer Konsolidierung im Handel kommen. Zumindest in Bezug auf die bisher im Markt befindlichen Automarken. Allerdings kommen aus China und den USA neue Marken hinzu", erklärt Dr. Jan Burgard von der Unternehmensberatung Berylls. Die neuen Geschäftspartner könnten dann unter anderem Xpeng, Weltmeister, Wey, Nio, Lucid oder auch Fisker lauten. Allerdings wird mit der neuen Ägide auch der Habitus der Geschäftspartner ein anderer als bisher und die Autohändler ihre gewohnte Komfortzone verlassen. In mancherlei Hinsicht. Der ZDK sieht das ähnlich: "Das haptische Produkterlebnis im Autohaus wird auch angesichts neuer Antriebstechnologien, zunehmender Vernetzung oder Automatisierungsfunktionen eine wichtige Rolle im Kaufprozess spielen. Deswegen sind wir optimistisch, dass Autohäuser auch zukünftig Fahrzeuge präsentieren und verkaufen werden - sie werden zumindest einen wichtigen Beitrag leisten, vielleicht auch im Rahmen von Abos oder anderen Mobilitätsdienstleistungen", so Jürgen Karpinski.
"Außerdem muss ein Händler sein eigenes Geschäft deutlich proaktiver vorantreiben als das bisher der Fall ist", fasst Jan Burgard die Konsequenzen für die Autohäuser zusammen. Das Bisherige am Rockzipfel der Hersteller hängen und sich deren Ideen und Strategien zu verlassen, muss der Vergangenheit angehören. Insofern kann die Veränderung der Händler-Landschaft auch einen positiven Effekt haben. Neue Ideen müssen her. "Gebrauchtfahrzeuge müssen nicht nur auf dem Hof herumstehen. Hier könnten sich Sharing Modelle als profitabel erweisen", sagt Jan Burgard und schiebt die entscheidende Frage hinterher: "Was bringt mehr? Ein Auto einfach stehenlassen, bis es verkauft wird oder Nutzung des Gebrauchten in Mobility Services?" Dass sich ein Nutzen des Fahrzeugs auf den Restwert auswirkt, ist klar. Dieser Effekt müsste dann in dem Geschäftsmodell berücksichtigt werden. Außerdem ist der Aufwand, einen solchen Abo-Dienst zu etablieren, nicht zu unterschätzen. Um dieser Zwickmühle zu entgehen, würde es Sinn ergeben, dass sich kleinere Händler zusammenschließen oder Partnerschaften mit etablierten Shared-Mobility Anbietern eingehen. Größere Autohäuser könnten ihr Glück in Eigenregie versuchen.