RÜCKKEHR Der Bulli, der gar keiner ist

Nachdem Volkswagen jahrelang gezögert, geforscht und nachgefragt hat, ist seit dem 11. Juni klar: Der legendäre Transporter kehrt zurück.

Nachdem Volkswagen jahrelang gezögert, geforscht und nachgefragt hat, ist seit dem 11. Juni klar: Der Bulli kehrt zurück. Zwar teilt sich der legendäre Lastesel nur noch eine homöopathische Schnittmenge an Gemeinsamkeiten mit seinem luxuriösen Nachfolger - er wird aber wenigstens an traditioneller Stelle gebaut. Der »Microbus«, so heißt der Lifestyle-Laster auf Neudeutsch, wird in Hannover zusammengeschraubt, wo ab 1956 T1-Transporter vom Band krabbelten.

Skeptische Fans

Die Freude bei Mitarbeitern und Konzernleitung ist groß - immerhin geht es beim neuen Microbus um viele Arbeitsplätze, eine Menge Geld und ganz viel Prestige. Die echten Fans des Ur-Bulli T1 sehen der Neuauflage des Kult-Gefährts jedoch mindestens verhalten entgegen. Die Tatsache, dass das Retro-Mobil schon bei seiner Geburt, ganz dem amerikanischen Markt angepasst, »Microbus« heißt, ist nicht der springende Punkt. Vielmehr haben viele der im Internet stark vertretenen Bulli-Freunde die Befürchtung, dass mit dem Design und der Identität »ihres« Transporters Schindluder getrieben wird.

Revolutionäre Idee

Als am 8. März 1950 der erste Transporter Typ 2 (so hieß der Transporter mit der geteilten Frontscheibe ganz offiziell) vom Band rollte, waren der amerikanische Markt und Lifestyle-Gelaber noch kein Thema. Im Vordergrund stand das revolutionäre Konzept des neuen Transporters. Vom Design wollten die wenigsten etwas wissen. Wichtig war die typische Brotkastenform, die in Verbindung mit der Käfer-Technik einen praktischen und günstigen Lastesel ergab. Die vom Windkanal völlig unangetastete Form verdankte der Bulli seinem »Schöpfer«, dem holländischen Importeur Ben Pon. Er hatte sich 1947 von einem unförmigen Pritschenwagen inspirieren lassen, den einige VW-Angestellte zum Lastentransport im Werk selbst entworfen hatten. Auf einem kleinen Notizblock entwickelte Pon den Eigenbau zum bekannten Konzept weiter: Heckmotor, Kastenform und viel Platz.

Kraft aus dem Käfer

Der Erfolg war absehbar und nicht aufzuhalten. Bereits ein Jahr nach Produktionsstart bekam der Bulli Nachwuchs. Samba hieß das erste T1-Modell, das ausschließlich für den Personentransport ausgelegt war. Im Vergleich zu seinen beruflich eingespannten Bulli-Kollegen, war der Samba ein echter Schönling. Die zweifarbige Lackierung, die vielen Chromteile und die insgesamt 21 Fenster machten ihn schnell zur begehrten Familienkutsche. Unangetastet blieb zunächst das »Kraftwerk« im Heck. 25 PS presste der schmächtige Käfer-Boxer aus 1131 cm³ Hubraum.

Der starke Nachfolger

Derartige Leistungsdaten sind im neuen Microbus natürlich undenkbar. Die ersten Designstudien waren mit einem 3,2 Liter starken V6-Motor bestens motorisiert. Kein Vergleich mit dem Bulli, der an maximal acht Passagieren doch arg zu schleppen hatte. Zumal die Passagiere im 4,7 Meter langen Microbus sicherlich bequemer Platz finden als im vergleichsweise winzigen Bulli. Warum also, verpasst Volkswagen einem hochmodernen Van den Look längst vergangener Tage? Ganz einfach, um durch dessen Popularität mehr Fahrzeuge zur verkaufen.

Ob¿s klappt, steht noch in den Sternen. Zumal VW mit dem Beetle die Erfahrung gemacht hat, dass Kult nicht gleichbedeutend mit Verkaufserfolg sein muss. Die Meinung der Bulli-Fans im Internet ist eindeutig. Der »Neue« ist kein Bulli und wird auch nie einer werden. Punkt. Und selbst wenn das Design auf Gegenliebe stieße, als Anschaffung käme der Microbus für kaum einen Bulli-Sammler in Frage. Unter 30.000 Euro wird das gute Stück kaum zu haben sein.

Jochen Knecht