Intelligentes Wohnen Zwischen Stuck und Ethernet

Von Friederike Meier-Burkert
Geschickt integrierte Technik fällt nicht auf
Geschickt integrierte Technik fällt nicht auf
© Colourbox
Im Auto darf es den Deutschen nicht High-Tech genug sein, in der Wohnung hingegen hat sich seit Jahrzehnten nur wenig gewandelt. Architekten und Ingenieure haben allerdings viele Ideen, wie Technik Haus und Wohnung verbessern könnten.

Während sich Autos in den letzten Jahrzehnten zu echten Hightech-Vehikeln entwickelt haben, wandelt sich die technische Ausstattung im deutschen Durchschnittshaushalt in den letzten 35 Jahren nur wenig. Dabei ist vieles von dem, was im Auto geht, technisch längst auch in den eigenen vier Wänden möglich.

Doch anders als in der Automobilindustrie "fehlt in der Bau- und Wohnungswirtschaft die integrierte Sicht auf das Gesamtsystem", bedauert Klaus Scherer vom Duisburger Fraunhofer Institut für mikroelektronische Schaltungen. Auch die Trennung der verschiedenen Gewerke und Schwächen in der Architektenausbildung, sind nach Scherers Ansicht für den Rückstand verantwortlich.

Schon seit 1993 beschäftigen Scherer und seine Kollegen sich mit Konzepten für intelligentes Wohnen. Seit 2001 erproben sie ihre Ideen im Innovationszentrum Intelligentes Haus (InHaus) Duisburg. Viele der hier entstandenen Technologien haben längst Marktreife. Auf breiter Front durchgesetzt haben sie sich aber noch lange nicht.

Erfolgreiche Projekte

Im Alltag verbringen wir regelmäßig kostbare Minuten mit der Suche nach dem Haustürschlüssel oder nach der richtigen Fernbedienung, wir drehen Thermostaten von Hand auf und zu und stolpern nachts durch dunkle Flure. Wir kehren auf halbem Weg ins Büro wieder um, aus Angst, den Herd nicht abgeschaltet oder das Fenster nicht geschlossen zu haben und wir machen uns im Urlaub Sorgen, ob ein Einbrecher gerade die Familienerbstücke mitgehen lässt.

Dass es auch anders geht, belegen erfolgreiche Projekte von InHaus in einzelnen Privathäusern und Wohnanlagen: Dort ersetzt der Fingerprint-Scanner an der Haustür den Schlüssel. An kleinen Bildschirmen in jedem Raum lässt sich die gesamte Haustechnik steuern. Die Wohnung ist mit einer zentralen, funkgesteuerten Heizungssteuerung ausgestattet - individuell programmiert sie die Wärme in jedem Raum optimal.

Ein Bewegungsmelder unterm Bett macht das Licht in Flur und Bad an und wieder aus. Herd und Kaffeemaschine werden bei Verlassen der Wohnung zentral abgeschaltet. Gleichzeitig werden automatisch die Fenster überprüft, Rollläden heruntergelassen und die Einbruchsüberwachung aktiviert. Via Internet, per Laptop, PDA oder Handy können die Bewohner ihr Haus auch aus der Ferne überwachen und steuern.

"Mangelndes Bewusstsein"

Doch "grundsätzlich mangelt es dem Endverbraucher an Bewusstsein für die Bedeutung der Elektrotechnik in den eigenen vier Wänden", bedauert Dieter Michel von der Initiative Intelligentes Wohnen des Zentralverbandes Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI).

Wenn überhaupt interessieren sich die Deutschen derzeit vor allem für Technologien, die Energiekosten senken. Systemlösungen, die Heizung und Fenster koordinieren, verkaufen sich ebenso gut wie Methoden, den Energieverbauch von Waschmaschine oder Gastherme zu messen.

Weil deutsche Häuslebauer die Vorzüge des vernetzten Wohnens noch nicht so recht erkennen wollen, setzt die Industrie neuerdings auf Senioren als Zielgruppe. Unter dem Schlagwort "Assisted Living" sollen Technologien vermarktet werden, die das Leben im Alter leichter machen. Hier findet endlich auch der Kühlschrank, der seinen Inhalt selbsttätig via Internet auffüllt - eine immer wieder zitierte Zeitungsente der 90er Jahre - Verwendung.

Senioren als Zielgruppe

Nun allerdings in Form des vernetzten Arzneischranks, der seinen Bedarf an die Internetapotheke meldet und dann intelligent portionierte Pillen ausspuckt. Mit Senioren als Zielgruppe stellt die Industrie sich allerdings besondere Aufgaben, weil die Steuertechnik so gestaltet sein muss, dass sie auch für Menschen ohne Computererfahrung leicht zu verstehen und zu bedienen ist.

Leichter zu handhaben sein dürften dagegen die Betreiber von Senioren-Wohnanlagen, die die Vorzüge neuer Notruf- und Überwachungslösungen zu schätzen wissen und sich mit der Standardbedienbarkeit begnügen.

Dass intelligentes Wohnen nicht erst im Alter anfängt und bei der Kontrolle der Waschmaschine am Fernsehbildschirm aufhört, belegen die Projekte von Dirk Fabarius. Weil er in 2001 in Berlin keine passende Wohnung fand, beschloss Fabarius einen Wohnstandard ins Leben zu rufen, der den Bedürfnissen moderner Stadtnomaden entgegen kommt.

Wer alle zwei Jahre von Großstadt zu Großstadt zieht, besitzt meist nur wenige Möbel, will zentral und stilecht wohnen und gleich beim Einzug seine Mails checken. Dem trägt Fabarius in seinen bislang drei Sanierungsprojekten von Gründerzeit-Mietshäusern im Berliner Szenequartier Prenzlauer Berg Rechnung.

Stuck und Ethernet

Fabarius' Konzept "e-wohnen" verbindet liebevoll restaurierten Stuck mit der Integration von KNX- und Ethernet-Netzwerkleitungen, stilecht aufgearbeitete Türen mit elektronischen Schließsystemen, formschöne und praktische Einbauten mit Multiroom-Audio-Komponenten und ausreichend Steckdosen.

Die Bewohner können in jedem Raum online gehen und Musik hören, sämtliche Anschlüsse sind an den im Keller installierten Server angebunden. Jede Wohnung hat einen Verteilerkasten, in dem der Mieter seine Haus- oder Medientechnik nach Belieben erweitern kann.

Durch Auslässe im Fensterbereich können Alarm- und Heizungssteuerungskomponenten ohne Eingriffe in die Bausubstanz nachgerüstet werden. Jeder Mieter erhält einen Schlüsselanhänger mit Funketikett (RFID-Chip), der die Haus- und Wohnungstür sowie den Briefkasten öffnet, es aber auch möglich macht, bestimmte Dienste und Verbrauchsgrößen zentral abzurechnen.

Bei Verlust kann der Chip sofort gesperrt werden - es ist nicht mehr nötig, die Schlösser für teures Geld auszuwechseln. Die Mieten für "e-wohnen" entsprechen dem ortsüblichen Standard. Die Mehrkosten für die High-Tech-Sanierung kommen durch die langfristig verbessere Vermietbarkeit wieder herein.

FTD

PRODUKTE & TIPPS