Kinder am PC Fix oder fertig?

Werden Kinder, die gern vor dem PC sitzen, zu kontaktscheuen Bewegungsmuffeln? Diese Sorge teilen Kinderärzte und Eltern. Medienpädagogen hingegen beobachten bei den Kids ein besseres Zahlenverständnis und schnelle Reaktionen.

Der Blick ist hellwach, die Finger bewegen sich blitzschnell. Wenn der sechsjährige Leon am Computer spielt, ist er hochkonzentriert bei der Sache. "Das ist kein bisschen schwer, man muss nur hier reinklicken, da gibt es die Eier, die ich noch bezahlen muss", erklärt der Kölner Erstklässler das Lernspiel. In praktisch allen deutschen Haushalten mit Kindern steht inzwischen mindestens ein PC - mit positiven wie negativen Folgen. So mancher Kinderarzt macht sich Sorgen angesichts dicker und kontaktarmer Bewegungsmuffel, die in die Praxen kommen. Die meisten Pädagogen sehen dagegen ein Plus für die kindliche Entwicklung, solange sich das Klicken im zeitlichen Rahmen hält.

"Der Computer ist Intelligenz fördernd, sogar mit einfachen, harmlosen Spielen", erklärt der Medienpädagoge Professor Henning Günther von der Kölner Universität. "Wissenschaftliche Untersuchungen haben ergeben, dass Grundschulkinder bei der Raumorientierung profitieren und eine größere Kompetenz bei Zahlen und in der Geometrie haben", ergänzt der Experte. "Sie haben auch Vorteile bei der Feinmotorik und beim schnellen Reagieren." Der PC sei keineswegs ein passives Medium, das die Kinder träge und unbeweglich mache. "Was Kinder lähmt, sind Videos oder Fernsehen, nicht der Computer".

Fördert der PC Kontaktarmut?

Vor allem bei jüngeren Kindern könne der PC geradezu einen Bewegungsdrang provozieren. "Nach 45 Minuten werden die Kinder so unruhig, dass sie sich zum Beispiel auf ihr Fahrrad schwingen", sagt Günther. Dagegen stellt der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) eine zunehmende Unbeweglichkeit der PC-Kids fest. "Nicht von der Hand zu weisen sind wachsende Immobilität und Gewichtszunahme", sagt Sprecherin Gunhild Kilian-Kornell.

Viele Kinder sitzen dauernd am PC und vereinsamen, betont die Kinderärztin. "Diese Kontaktarmut führt auch dazu, dass sie beim Spracherwerb hinterherhinken." Selbst die gemeinsame Mahlzeit im Familienkreis gehe häufig verloren, da das Essen vor dem PC herunter geschlungen werde. Profitieren könnten dagegen aus medizinischer Sicht die Auge-Hand-Koordination, die Geschicklichkeit der Finger und die Konzentration, sagt die BVKJ-Sprecherin.

Suchtsymptome sind eher ein Teenie-Problem

Bei den Kids, die zum Arzt oder Therapeuten kommen, handle es sich aber oft um "Sorgenkinder", deren Beschwerden nicht repräsentativ seien, gibt Günther zu bedenken: "Wir haben nicht nur die dicklichen, einsamen Müttersöhnchen am Computer, das trifft nicht die Realität." Der PC habe nach seinen Erfahrungen auch ein kommunikatives Element: "Der Computer ist ein Grund, Freunde einzuladen, das wird auch zunehmend für die Mädchen interessant. Ein Kind ohne PC ist in der Grundschule ja schon fast ein Außenseiter." Fälle von Computer-Sucht seien dabei eher ein Problem der älteren Kinder, etwa in der Pubertät.

Einig sind sich die Experten, dass die "Dosierung" bei der PC-Nutzung stimmen muss. Die meisten halten 45 Minuten bis zu einer Stunde am Tag für das angemessene Maximum bei Grundschulkindern am heimischen PC. In den Schulen steckt der Umgang mit dem PC noch in den Kinderschuhen. "Der Computereinsatz in deutschen Schulen ist im internationalen Vergleich ungewöhnlich gering", beklagt Günther. Dabei sind sich Mediziner und Pädagogen auch einig darüber, dass der Schulcomputer vor allem Kinder mit Lernschwächen, Legasthenie oder feinmotorischen Problemen helfen würde. Günther: "Computer und Lernprogramme sind sinnvoll. Wir setzen darauf, dass die PC- Verbreitung weiter wächst."

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Yuriko Wahl, DPA

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