Multimedia Die 6-Minuten-Show

An den Produkten, die auf der "Demo"-Konferenz gezeigt werden, lassen sich die wichtigen Trends der Computerbranche erkennen.

John Morris setzt voll auf Risiko. Nur sechs Minuten wird er Zeit haben, das Produkt seiner Firma Eka Systems vorzustellen. Das allerdings, ein neuartiges Funknetzwerk, braucht exakt fünfeinhalb Minuten, um sich selbst vollautomatisch aufzubauen. Dennoch will Morris genau diesen Effekt demonstrieren. "Das ist verdammt knapp. Wenn da etwas schief geht, stehe ich dumm da", sagt Morris. "Aber wenn's klappt, habe ich das Publikum in der Tasche. Hier braucht man eben Eiswasser statt Blut in den Adern."

Auf der Suche nach dem großen Ding

"Hier" ist eine High-Tech-Konferenz, wie es sie sonst nicht gibt: "Demo" heißt die Veranstaltung, die in etwa wie die Kandidatenauswahl zu "Deutschland sucht den Superstar" abläuft. 42 Firmen dürfen ihre brandneuen, noch nie zuvor gezeigten Produkte oder Ideen vorführen - exakt sechs Minuten lang. Wer überzieht, wird gnadenlos von immer lauter werdender Musik übertönt. Diese "Demos" schaut sich ein kritisches Publikum von mehr als 500 Analysten, Geldgebern, Beratern, Vertretern großer Firmen und Journalisten an - alle auf der Suche nach dem "nächsten großen Ding", nach neuen Investitions-möglichkeiten, nach Gelegenheiten zum günstigen Kauf einer jungen Kleinfirma.

Die Nabelschau der Branche

"Demo" gilt als Nabelschau der Computer- und Telekommunikationsbranche. Sie zeigt Anfang jeden Jahres die Trends für die kommenden Monate - so auch vergangene Woche in Scottsdale im US-Bundesstaat Arizona. In der 13-jährigen Geschichte der Veranstaltung waren alle wesentlichen Ideen der Industrie manchmal schon Monate vorher zu sehen. Der erste erfolgreiche Stiftcomputer Palm Pilot wurde hier präsentiert, ebenso die Web-Programmiersprache Java und der Online-Aktienhändler Etrade.

Messe ohne aufwendige Stände

Anders als auf einer Messe gibt es bei "Demo" keine aufwendigen Stände, keine Verkäufer, keine Prospekt- und Broschürenberge. In zwei Tagen werden die Zukunftsprodukte Schlag auf Schlag abgehandelt; dazu hat jede Firma einen schlichten Tisch in einem Großzelt, auf dem sie noch mal im Detail zeigen kann, was sie zu bieten hat. Hier werden Einzelgespräche mit Investoren geführt, hier kann ein Analyst alle seine Fragen stellen, bevor er sein Urteil weitergibt.

Der Rest der Bewerber kriegt nur eine Minute Zeit

Hunderte von Firmen bewerben sich jedes Jahr um die Chance, über eine Präsentation auf der "Demo" bekannt zu werden, mehr Kapital zu bekommen oder wichtige Kontakte zu knüpfen. Nur 61 haben es dieses Jahr geschafft - 42 dürfen sechs Minuten auf die Bühne, der Rest bekommt eine einzige Minute Zeit am Mikrofon.

Der in Amerika lebende Franzose Nicolas Vandenberghe ist einer der Auserwählten, für den sechs Minuten jetzt die Welt bedeuten. "Seit ich im Silicon Valley arbeite, war die "Demo"-Konferenz wie ein Wallfahrtsort: Jeder, der wichtig war, fuhr da einmal im Jahr hin", sagt Vanden- berghe. Er ist zum ersten Mal da - mit seiner frisch gegründeten Firma Delean Vision. Sie entwickelt eine Sicherheitssoftware zur Zugangskontrolle: Mit einer einfachen Web-Kamera für 50 Euro kann die Software von Delean zuvor registrierte Menschen an ihrer Haut erkennen. "Unser System, dass die Hautpartie um Nase und Augen analysiert, funktioniert viel zuverlässiger als herkömmliche Gesichtserkennung - und anders als bei Fingerabdruck-erkennung denkt nicht jeder gleich an die Polizei." Als die Nachricht kam, dass Delean präsentieren darf, wurde die Software in letzter Minute eigens für die Veranstaltung fertig geschrieben.

Motivation für die "Demo"

Genau so ging es bei Stata Labs, erklärt Aaron Burcell von der Firma aus dem Silicon Valley. Mit deren E-Mail-Software "Bloomba" kann der Benutzer selbst umfangreiche Mailsammlungen leicht durchsuchen und sortieren. "Nichts lässt eine Firma so konzentriert arbeiten wie eine Einladung zu "Demo" - als das Datum feststand, waren alle voll motiviert." Jeden Samstag hat Burcell mit Firmengründer Raymie Stata und Andy Stack, den beiden Vorführenden, geübt, "aber noch sind wir bei 6 Minuten 45 Sekunden".

Bodenständige Ideen

Chris Shipley organisiert "Demo" seit vielen Jahren. Sie wählt aus, wer präsentieren darf. Dieses Mal ist sie ganz begeistert von der Stimmung: "Nach dem Crash der Internetbranche gibt es jetzt wieder Optimismus - und auch Investitionskapital. Und die Ideen hier sind sehr viel bodenständiger als während des Booms. Das meiste hier hat echte Chancen am Markt." Zwar verschwinden viele der Firmen, die auf der Konferenz im Rampenlicht stehen, auf Nimmerwiedersehen, doch die Trends, die sie repräsentieren, bleiben. In diesem Jahr sind die großen Themen Sicherheit und Datenschutz, die Verschmelzung von PC, Fernseher und Stereoanlage zu digitalen Unterhaltungszentralen, verbesserter Umgang mit E-Mail und Instant Messaging, der Kampf gegen Müll-Mail und Device Computing. Letzteres ist der Fachbegriff dafür, wenn alle möglichen Geräte durch eingebaute Chips "intelligent" werden und sich per Funk mit Computern zusammenkoppeln. Dann meldet etwa der Rasensprenger an den Wasserhahn, wenn die Erde feucht genug ist (X.Sense heißt das Produkt von Digital Sun). Die Kamera im Handy kann Straßenschilder in fremden Ländern übersetzen (Infoscope von IBM), und Wasser- und Stromzähler melden rund um die Uhr per Funk ihren Verbrauch an die Zentrale. Das ist die Domäne von Eka Systems und John Morris, der so zum Beispiel Schulen und Luftwaffenbasen beim Stromsparen hilft.

Schweißgebadet statt Eiswasser in den Adern

Auf der Bühne benutzt Morris große Worte: "Die Welt wird eine elektronische Haut überziehen - und das Netzwerk von Eka Systems macht das möglich." Genau 5 Minuten und 45 Sekunden zeigt die Stoppuhr, als John Morris stolz sein fertiges Funknetzwerk präsentiert. Noch ein paar Worte zum Schluss, und die Zeit ist um. Morris ist glücklich, gleich mehrere Investoren sind interessiert und kommen nach der Demo zum Stand. Das Eiswasser in seinen Adern ist da allerdings schon aufgetaut: John Morris ist schweißgebadet.

Thomas Borchert

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