Scheibes Kolumne Angst vor E-Thrombose

Wer den ganzen Tag vor dem Bildschirm sitzt, muss um seine Gesundheit bangen. Eine schmerzhafte Nackensteife, zwickende Sehnen und brennende Augen sind erst der Anfang. Jetzt kommt auch noch die E-Thrombose hinzu.

Wer den ganzen Tag vor dem Computerbildschirm sitzt, muss um seine Gesundheit bangen. Eine schmerzhafte Nackensteife, zwickende Sehnen und brennende Augen sind erst der Anfang. Der Allgemeinarzt kennt bereits viele Krankheitsbilder, die exklusiv den Mäuseschubsern und Bildschirmbegaffern zugeordnet werden. Jetzt kommt auch noch die E-Thrombose hinzu.

Was man will und was man muss

Ich habe kein Problem damit, lange Zeit über ganz ruhig zu sitzen. Im Flugzeug schnappe ich mir gerne einen Platz am Fenster, blättere einen neuen 700-Seiten-Wälzer auf und bleibe dann bis zum Ziel in Florida oder auf Mauritius völlig ruhig auf meinem Platz sitzen. Dieses Sitzfleisch ist ein echter Segen, hinge da nicht das Damoklesschwert der Thrombose über jedem Flugpassagier. Ich habe mir deswegen schweren Herzens angewöhnt, im Flugzeug alle halbe Stunde die Füße einmal kreisen zu lassen und vielleicht doch ein-, zweimal im Gang auf und ab zu gehen.

Unruhe kommt auf

Letztens ist mir plötzlich bewusst geworden, dass mein Alltag sich nicht unbedingt von einem Flug unterscheidet: Ich sitze den ganzen Tag viel zu reglos auf meinem Schreibtischstuhl vor dem PC-Monitor. Von Bewegung ist bei dieser Arbeit nicht viel zu bemerken. Ab und zu klingelt ein Paketbote und bringt neue Software. Das reißt mich sofort aus meinem Stuhl. Aber sonst? Letztens stand die Konsequenz in der Tagespresse: E-Thrombose. Jawohl: Auch PC-Dauerarbeiter müssen anscheinend Angst vor dem tödlichen Blutklumpen in den Beinadern haben. Besonders gefährlich sind anscheinend die Gerinnsel in den "tiefen" Venen. Inzwischen kann ich mich nicht mehr ganz so gut auf meine Texte konzentrieren. Rumort es denn da nicht bereits im Adergeflecht? Steigt da schon ein erster Thrombus auf, der irgendwo in der Lunge stecken bleibt oder eine Halsschlagader blockiert? Schnell springe ich auf und laufe bewusst ein paar Schritte, um mir einen Kaffee zu machen.

Gesundheitsgefahren überall

Überhaupt lauert am Computer überall der Tod. Das viele Sitzen soll Hämorrhoiden ja geradezu explosionsartig in ihrer Entstehung fördern. Sicherlich bekommt man auch viel leichter Darmkrebs, wenn man immer so gehockt auf dem Stuhl klebt. Tatsächlich zwickt und zwackt es mir schon überall im Becken. Ob das bereits die Vorstufe ist? Ist Rettung noch möglich? Immerhin beruhigt mich das medizinische Statement, dass Darmkrebs nicht schmerzhaft sein soll und deswegen immer erst so spät entdeckt wird. Also kommt das Zwacken eher von meinem gepeinigten Ischias-Nerv. Der sendet wütende Signale zum Hirn, weil ich beim Sitzen immer ein Bein anwinkele und mich dann darauf setze. So sitze ich stundenlang völlig schief, was sicherlich nicht nur schlecht für den Ischias, sondern auch nicht eben gut für die Wirbelsäule ist. Ich beschließe, fortan lieber gerade zu sitzen und mich irgendwann in diesem Jahr freiwillig zu einer Darmspiegelung zu melden. Auch wenn das bestimmt nicht angenehm ist. Der Arzt muss sich demnächst auch einmal wieder meine Leberflecke ansehen, die laufen in letzter Zeit so komisch aus. Das kommt bestimmt vom vielen künstlichen Licht in meinem Büro. Neonröhren an der Decke, dazu der ultrahelle Flachbildschirm. Das ist bestimmt nicht gut für mich.

Und überall nur Hiobsbotschaften

In den letzten Wochen sind zwei Kollegen aus der IT-Branche urplötzlich am Herzinfarkt verstorben. Zack, weg waren sie. Eine Frau war auch dabei, was ganz untypisch für einen Infarkt ist. Und beide waren nicht älter als 35 Jahre, also genau in meinem Alter. Na klar, viel Stress, wenig Bewegung. Bin ich auch ein Kandidat? Bestimmt. Leichtes Übergewicht, beide Großeltern an Herzproblemen verstorben, dazu viel Stress, wenig Schlaf in der Nacht. Was kann ich also dagegen tun? Ich schlucke schnell eine Aspirin, die nicht nur die Kopfschmerzen bekämpft, sondern auch das Blut dünnflüssig hält. Eine erste Sofortmaßnahme. Ansonsten beschließe ich, mich von meiner geliebten Cola abzuwenden und fortan lieber mit einem kalorienarmen Cappuccino wach zu halten. Joggen wäre auch nicht schlecht, aber damit fange ich erst im Frühling an, wenn es draußen wärmer wird. Obwohl: Ich habe ständig so ein Zwicken über der linken Brust. Sind das schon die Herzkranzgefäße, die es nur noch mit Mühen schaffen, das Blut am Schlackepfropf vorbei zu befördern? Aber das ist bestimmt nur Einbildung oder eine Folge vom vielen Tippen. Wie das dumpfe Gefühl, hühnereigroße Geschwulste in den Achselhöhlen zu haben. Meine Schwägerin, die Ärztin ist, tastet aber hier zum Glück keine geschwollenen Lymphknoten und meint, wenn es richtig schlimm wird, dann schwellen viel eher die Lymphknoten direkt über dem Solarplexus an. Noch spüre ich da aber nix.

Die Liste möglicher Erkrankungen ist lang

Alle zwei Stunden eine Pause von der Arbeit machen und ein paar Gymnastikübungen absolvieren. Das besagt die Richtlinie 90/270/EEC der europäischen Gemeinschaft, die jedem Arbeitgeber vorschreibt, seine Mitarbeiter nicht allzu lange an den Schreibtischstuhl zu fesseln. Aber was soll ich als Selbstständiger machen, wenn die Redakteure auf die vereinbarten Termine pochen und die Zeit vor dem Bildschirm eh wie im Fluge vergeht? Bekomme ich jetzt alle ärztlich anerkannten Computersyndrome? Dabei kann es sich um Rückenschmerzen, Nackenschmerzen, Kopfschmerzen, Migräne, eine Überanstrengung und Beeinträchtigung der Augen, Sehnenproblemen (RSI), Kreislaufbeschwerden, Atemnot und um Magen- und Darmerkrankungen handeln. Kopfschmerzen habe ich schon, der Nacken zwickt, der Rücken tut weh: Wehwehchen überall.

Leider werde ich von meiner Frau gar nicht bemitleidet: "Ihr Männer seid alle Weicheier." Ich mach' erst mal Pause.

<a class="link--external" href="mailto:scheibe@typemania.de">Carsten Scheibe</a>

PRODUKTE & TIPPS