Indien Friedhofsbesuch per Internet

Der Scharia, dem islamischen Gesetz, eilt nicht gerade ein fortschrittlicher Ruf voraus. Erlaubt aber ist, zumindest bei indischen Schiiten, der Friedhofsbesuch per Internet. Ein Service, den vor allem Ältere schätzen.

Die 70-jährige Witwe Batool Jaffer sitzt in ihrer Wohnung vor einem Computerbildschirm und hebt im Gedenken an ihren verstorbenen Mann die Hände zu einer muslimischen Gebetsgeste. Vor ihr auf dem Bildschirm ist ein Foto von der Grabstätte auf dem Wadi e Hussain-Friedhof in Karachi, auf dem ihr Mann seit vergangenem Jahr ruht. Dort kann sie ihn jetzt auch online jederzeit besuchen. Denn der Weg zu dem eineinhalb Stunden entfernten Friedhof am Rande der 14-Millionen-Metropole ist der alten Frau zu beschwerlich.

"Ich bin zu alt, um zum Grab zu gehen"

Wie sie nutzen inzwischen hunderte Schiiten die Möglichkeiten der modernen Technik. "Ich bin zu alt, um zum Grab zu gehen", sagt Batool Jaffer. "Aber ich kann das Grab meines Mannes und meines Neffen jederzeit sehen." Der Friedhof, der nach einem berühmten Geistlichen und Enkel des Propheten Mohammed benannt ist, bietet schon seit 2001 den Zugriff per Computer auf die Gräber. Das ganze ist durchorganisiert: Jedes Grab ist nummeriert und wird sofort fotografiert. Auch eine paar persönliche Dinge werden sofort nach der Beisetzung ins Internet gestellt. Trauernde können die Nummer des Grabs oder einen Namen eingeben.

Der Friedhof entstand mit der Unterstützung der schiitischen Gemeinde in Karachi. Dort kosten ein Grabplatz - einschließlich Computerservice - 5000 Rupien, umgerechnet rund 62 Euro, andere Friedhöfe in der Stadt verlangen zwischen 123 bis 150 Euro. Auf dem Friedhof sind weitere Bauten um das Grab, ungeachtet des Wohlstands des Verstorbenen, untersagt. Nur Terroropfer bekommen einen gebogenen Abschluss auf dem rechtwinkligen Grabstein.

Muslimischen Kleriker haben kein Problem mit der neuen Technik

Der Computerservice hat auch die Zustimmung der muslimischen Kleriker, die dies als angemessene Würdigung der Verstorbenen gebilligt haben. Und es zeigt auch den Durchbruch des Computers in diesem verarmten Land - gab es 1994 gerade einmal 1000 Computernutzer, so sind es heute 4,8 Millionen in einer Bevölkerung von 150 Millionen. "Die Scharia, das islamische Gesetz, erlaubt das Zitieren von Gebeten im Internet zur Freude der Seelen der Verstorbenen", sagt der Geistliche Shabbar Hussain Zaidi.

Friedhofsverwalter Syed Mohammed Alam Zaidi erklärt, das Internetangebot sei vor allem für die im Ausland lebenden Pakistaner eingerichtet worden, die oft keine Gelegenheit hätten, zur Beerdigung ihrer Verwandten zu kommen oder die Gräber zu besuchen. Der Elektroingenieur Kalbe Abbas, der in Kanada arbeitete, als sein Vater starb, erinnert sich, dass dieses Angebot ihn sehr erleichtert habe. "Es ist natürlich ein Unterschied, ob man ein Grab persönlich besuchen kann, oder ob man ein Bild auf dem Computerbildschirm sieht. Aber diese Web-Site war für mich ein Segen, weil ich das Grab meines Vaters am Tag der Beerdigung sehen konnte."

AP
Zarar Khan/AP

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