Scheibes Kolumne Neuer Spielecomputer

stern.de-Kolumnist Carsten Scheibe stößt auf seinem Weg zu Key West auf einen völlig neuen Spielecomputer, der mitten in einem Restaurant steht. Er frisst Dollarnoten und schaltet dafür zahllose Casual Games frei, die sich über den Touchscreen meistern lassen. Für die "Mittagspausenspiele" ist das ein neuer Schritt auf dem Weg ganz nach oben.

Komplizierte Rollenspiele, aufwändige Wirtschaftssimulationen, brutale Strategiespiele: Ihre Tage sind gezählt. Hauptsächlich Teenager nehmen sich noch die Zeit, erst ein fingerbreites Handbuch auswendig zu lernen, um dann auch noch ganze Tage vor dem Rechner zu verbringen. Diese klassischen Spiele sind einfach zu komplex, um kleine Kinder, arbeitswütige Familienväter, entspannungsfreudige Hausfrauen oder gar Oma und Opa zu begeistern, die sich gerade ihren allerersten Computer angeschafft haben.

Riesiger Hightech-Automat

In den USA, in England und in vielen anderen Ländern haben sich deswegen die Casual Games einen Platz an der Spitze der Verkaufscharts erobert. Die Mittagspausenspiele von Firmen wie Popcap, Alawar, Realore, Big Fish Games oder Playrix Entertainment folgen alle dem gleichen Muster: Sie lassen sich sofort spielen, da alle wichtigen Anweisungen auf maximal zwei oder drei Bildschirmseiten passen. Sie sind außerdem völlig gewaltfrei und stellen eine klar umrissene Knobel- oder Geschicklichkeitsaufgabe, die sich dann in zahllosen Leveln meistern lässt. Eine professionelle und sehr bunte Grafik, perfekte Soundeffekte, eine eingängige Hintergrundmusik und eine schlichte Story passend zum Spiel sorgen für einen gewissen Wohlfühlcharme bei den Spielen, die in der Regel nie mehr als 20 Dollar oder Euro kosten.

Spiele im Fließbandverfahren

Das Vermarktungskonzept der Spiele ist genial. Ihre Publisher lassen neue Spiele im Fließbandverfahren entwickeln - hauptsächlich in den ehemaligen Ostblockstaaten. Diese Spiele fließen dann in ein quietschendbuntes Online-Portal ein, das die Games zum Download, zum kostenlosen einstündigen Probespielen und zum Kaufen anbietet. Zugleich bieten die Publisher aber auch alle Spiele der Konkurrenz mit an. So entstehen immer mehr gut besuchte Portale, in denen stets alle wichtigen Spiele verfügbar sind. Die Branche übt so den Schulterschluss und der Erfolg des Einzelnen ist immer auch der Erfolg der ganzen Branche.

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In seiner Freizeit geht Carsten Scheibe golfen - und arbeitet daran, dass der Golfball auf der selben Bahn ankommt, von der er abschlägt. Wenn's mit dem Spielen nicht so gut klappt, schreibt er lieber - für das eigene, kostenfrei in den Golf-Clubs ausliegende Magazin "Mein Golf-Heft". Das gibt's mit allen Artikeln auch im Internet. Natürlich ist der PC auch hier ein Thema.

Während PopCap Games damit wirbt, allein vom Spiel "Bejeweled" international bereits zehn Millionen Einheiten verkauft zu haben, sind die Casual Games in Deutschland erst so langsam im Kommen. Vor allem die Spiele- und Computermagazine nehmen sie noch nicht so richtig ernst, sodass sie sich erst langsam einen Markt erarbeiten müssen. Deutschland-spielt.de und GamePueblo.com unternehmen hierzulande vieles, um die Casual Games im Netz populärer zu machen. Und langsam wird es auch etwas. Die einschlägigen Spiele gibt es fürs Handy und für den PDA, auch für den iPod lassen sie sich einkaufen und Eidos bringt sie inzwischen auch für den Nintendo DS auf den Markt. S.A.D. hat eine ganze Reihe mit ihnen für den Fachhandel konzipiert. Und rondomedia hat sich mit der FREUNDIN zusammengetan, um viele Mittagspausenspiele speziell für den Frauenmarkt anzubieten. Das macht Sinn, haben Studien doch ergeben, dass 70 Prozent der Spieler dieser Games tatsächlich Frauen jenseits der 30 sind - was für viele eine echte Überraschung war, dachte man(n) doch lange, dass die holde Weiblichkeit so etwas wie spieleresistent sei. Doch die FREUNDIN-Reihe läuft wie geschnitten Brot. Kein Wunder, dass Deutschland-spielt.de jetzt eine ähnliche Reihe aufbauen möchte, allerdings mit einer anderen Frauenzeitung als Koop-Partner.

Credits für Essen eintauschen

Nun, es ist an der Zeit, das nächste Kapitel zu schreiben. Auf unserem Ferienweg von Miami in Florida nach Key West im südlichsten Zipfel der kontinentalen USA machten wir Rast in einem Restaurant, das mit einer sehr breiten Theke gesegnet war. Hier standen festinstalliert zwei Automaten, die an einen 19-Zoll-Flachbildschirm mit einem kleinen Kasten im Fuß erinnerten. Der Kasten zog 1-Dollar-Noten ein und spendierte im Gegenzug vier Credits. Diese Credits konnten die Besucher des Restaurants beim Warten auf ihr Essen einlösen, um einzelne Spiele aus einem geschätzten Fundus von etwa 100 Casual Games auszuwählen. Alle alten Bekannten fanden sich hier wieder. Vor allem die beliebten Match-3-Spiele lassen sich am Touchscreen perfekt spielen. Hier füllt sich immer ein Spielbrett mit bunten Symbolen. Berührt man zwei einander benachbarte Symbole mit dem Finger, so tauschen sie sofort ihre Position. Gelangen dabei drei gleiche Symbole in eine Reihe, lösen sie sich auf und spendieren viele, viele Punkte. Das ist sehr kurzweilig, macht viel Spaß und wird auch von Kindern sofort begriffen.

Unsere Kinder nutzten die neuen Maschinen sofort, wobei erstaunlich war, wie lange ein einzelner Dollar im Apparat vorhielt. Damit die Nutzer nicht endlos spielen können, sind die Games allerdings mit einem Zeitlimit ausgestattet. Wer seiner Aufgabe nicht schnell genug nachkommt, fliegt aus dem Spiel - und darf sich immerhin noch im Highscore eintragen. Ich denke, diese Automaten hätten auch hierzulande eine große Chance auf eine anhängliche Spielerschaft. Und ich denke, dass wird noch nicht das letzte sein, was wir von den Casual Games gelesen haben.

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