Ich hänge entspannt bei Silke auf dem Friseurstuhl und trauere meiner Brille hinterher. Sie liegt außer Griffweite auf dem Tisch vor dem großen Friseurspiegel. Ohne Brille bin ich blind wie ein Maulwurf. Aber ich vertraue Silke. Sie schneidet mir schon seit Jahren die Haare - die wenigen, die mir noch geblieben sind. So nutze ich die Viertelstunde, um mich mitten am Tag einmal so richtig schön zu entspannen. Während die Schere eine Schneise durch mein Haupthaar fräst, unterhalten wir uns.
Ich: Gestern kam mein iPad. Das ist vielleicht eine coole Kiste. Hast du vor, dir auch so ein Teil anzuschaffen?
Silke: Ich hab ja nicht mal einen Computer.
Ich: Was? Keinen Computer? Du meinst - kein Notebook?
Silke: Nein, ich habe gar keinen Computer. Gar nix. Das brauch ich einfach nicht.
Ich: Und woher kriegst du deine Musik?
Silke: Die besorgt mir ein Freund oder ich kauf mir eine CD.
Ich: Wie verschickst du denn dann Mails?
Silke: Gar nicht. Eine Freundin hat mir irgendwann mal ein Postfach eingerichtet. Alle paar Monate guck ich da mal rein.
Ich: Alle paar Monate? Herzinfarkt! Aber E-Mail ist doch ein schnelles Medium.
Silke: Nicht bei mir. Wenn mir einer schreiben möchte, dann soll er mir doch einen Brief senden. So richtig schön von Hand geschrieben. Das mag ich.
Ich: Irks. Und woher weißt du, was abends im Fernsehen kommt?
Silke: Fernsehzeitung. Schon mal von gehört?
Ich: Und wenn du Texte schreiben musst?
Silke: Muss ich aber nicht.
Ich: Jetzt weiß ich. Was machst du, wenn du spielen möchtest?
Silke: Ich geh lieber mit Freunden aus.
Ich: Im Internet surfen?
Silke: Dummer Zeitvertreib. Gibt's da etwas, was ich unbedingt sehen muss?
Ich: Nicht, wenn du ein Mädchen bist. Was ist mit Online-Shopping?
Silke: Nichts ist schöner, als in einem echten Buchladen zu schmökern. Online ist alles so unecht.
Mehr von Carsten Scheibe
Carsten Scheibe betreibt die Pressebüro Typemania GmbH (www.itpressearbeit.de) und kümmert sich täglich für 650+ Firmen um die Pressearbeit aus den Bereichen Computer, Internet, Golf & Buch. Niedrige Preise, eine packende Schreibe, solide Erfolge: Öffentlichkeitsarbeit kann richtig Spaß machen, wenn man sie nicht so verkrampft betreibt.
Ich: Online-Banking?
Silke: Zu unsicher. Hört man doch immer wieder. Ich geh zur Bank.
Ich: Du wolltest doch im Sommer nach Florida fliegen. Wie willst du deine Reise organisieren? Dafür brauchst du doch das Internet.
Silke: Macht das Reisebüro. Außerdem ist alles abgesagt. Zu teuer. Wir fliegen woanders hin.
Ich: Jetzt hab ich dich. Wie verwaltest du denn deine Fotos?
Silke: Ich kann mich gar nicht dran erinnern, wann ich zuletzt Bilder gemacht habe. Ich glaube, im Handy sind die alle.
Ich: Und wenn du jetzt einen neuen Kerl suchst, was ist dann mit Flirten im Web?
Silke: Du glaubst doch nicht, dass ich DANACH im Computer suche? Außerdem habe ich einen Freund. Den will ich auch behalten.
Ich: Ich geb's auf.
Mit einem neuen Haarschnitt fahre ich zurück ins Büro. Da checke ich die Mails, überweise ein paar Rechnungen online, suche im Web nach einem Open-Air-Konzerttermin und lade noch rasch ein paar Songs herunter. Dabei schüttele ich den kurzbehaarten Schädel. Unglaublich. Kein eigener Computer. Was mag das für ein Leben sein? Ist es überhaupt eins?
Eine Glosse von Carsten Scheibe, Typemania
