Marinić Bella frisura

  • von Jagoda Marinić
Marinić: Bella frisura
© Illustration: Lennart Gäbel / stern
Geriet sich die Familie unserer Kolumnistin früher in die Haare, war dies ein Ausdruck von Liebe. Dieses Gefühl hat sie sich bis heute bewahrt.

Junge Menschen, das sind die, deren Haare noch weich sind – diesen Satz las ich mal im Netz, und er kommt mir immer wieder in den Sinn. Natürlich fuhr ich mir gleich durchs Haar, weich sind sie, grau nicht, bin ich also ein junger Mensch? Eine Freundin war schon mit 20 grau, manche ihrer Haare sahen aus wie Eisendraht.

Warum sind Haare bei Frauen überhaupt so wichtig? Männer zahlten lange unter zehn Euro für einen Schnitt. Frauen hingegen könnten bei Friseurbesuchen Geld in Höhe eines Minijobs lassen. Als Verena Altenberger in ihrer Rolle der Buhlschaft im Salzburger "Jedermann" mit Kurzhaar auftrat, war die Empörung groß, als sei eine Schauspielerin, die als Verführerin auftreten will, verpflichtet zu wallendem Haar. Dabei hatte sich schon zu Zeiten von Marlene Dietrich der Bob durchgesetzt.

Ich will aber gar nicht feministisch über Haare reden und wiederholen, dass Frauen in allen Facetten schön sein können, weil das eh klar sein sollte. Ich will über Haare erzählen und wie sie, seit ich ein Mädchen war, Nähe zu anderen Frauen und Menschen geschaffen haben. Meine Haare wurden mir als Kind oft von den Müttern in meiner Großfamilie und deren willigen Freundinnen geschnitten. Jede, die eine ruhige Hand hatte, durfte die Schere anlegen. Diese und den Friseurkittel hatten sie besorgt, als wären sie Profis. An Wochenenden gab es Fließbandhaarschneidetreffen. Meistens sahen wir danach aus wie Prinz Eisenherz, ob Jungs oder Mädchen.

Das Spiel mit den Haaren

Als Teenager ließ ich mir die Haare lang wachsen. Wenn wir abends bei den südländischen Nachbarinnen im Haus saßen, machten sie mir einen französischen Zopf: Flechten vom Scheitel an. Sie brachten mir bei, mir den Zopf selbst zu flechten, Arme nach hinten werfen, Haare in drei Stränge teilen und los! Einen Sommer in Kroatien lang erzählte mir meine Cousine, die in einem kleinen Laden in der Altstadt arbeitete, wie morgens eines der Roma-Mädchen aus der Straße zu ihr kam, um sich mit dem Wasserschlauch von ihr die Haare waschen zu lassen. Das Mädchen hatte lange Haare bis zum unteren Rücken, vermutlich hatte die Familie keine Dusche. Meine Cousine schien dieses schweigsame Ritual mit dem fremden Mädchen zu lieben.

Kürzlich starb die französische Schauspielerin Anouk Aimeé, die meist zart wirkte. Wenn sie ihre Haare streng nach hinten trug, dachte man: eine Frau, so mächtig wie Cleopatra. Catherine Deneuve ist die einzige geborene Brünette, die erst als Blondine wirklich die wurde, die sie für mich ist. Wie kommt es zu den Frisuren, die uns prägen? Welche Bilder sehen wir, wer sieht uns? Friseure blicken in manche Frauen intimer hinein, als es ihre Nächsten tun. Kein Zufall, dass in dem Roman "Americanah" von Chimamanda Ngozi Adichie Friseurgespräche eine zentrale Rolle spielen. Schwarze Frauen und Haare, seit Lisa Bonet bei Bill Cosby und den Huxtables weiß jede, wie viel von sich man mit Haaren ausdrücken kann. Wer war damals schon so cool wie Lisa Bonet? Und wer hat nicht sofort ein Bild von Lenny Kravitz vor Augen? Ich dachte sogar, sie müssen sich ihrer Haare wegen ineinander verliebt haben. Zumindest sah man es beiden an der Frisur an, dass sie sich lieben könnten.

Man sollte jeden Sommer mit einem neuen Haarschnitt beginnen. Mindestens einmal sollte man so vom Friseur kommen, dass einen die anderen kaum wiedererkennen. Es gäbe noch vieles zu sagen über das Spiel mit den Haaren. Doch eine Kolumnistin muss auch mal ins Meer statt in Texte steigen. Schönen Sommer Ihnen!

Erschienen in stern 32/2024