Computer fand ich schon immer doof. Während meine Freunde Patrick und Goldi auf dem Schulhof bereits das erste Geld mit pixeligen Sexspielen für den C-64 verdienten, las ich lieber vier Romane in der Woche und schrieb Gruselgeschichten für kleine Fanzines aus Papier. Dass ich überhaupt vor 17 Jahren zum Computern gekommen bin, verdanke ich einem unglaublich schweren Laptop mit DOS-Betriebssystem, Hercules-Schwarzweiß-Grafik und einem rauchgrauen Gehäuse. Das Gerät kam über Umwege in meine Hände - irgendwer aus meiner Verwandtschaft war für erbrachte Handwerkerleistungen damit "bezahlt" worden.
Nächtelang "zockte" ich damals die Einstiegsdrogen "Tetris" und "Columns" - bis der Arzt kommen sollte. Kam er aber nicht. Dafür trat Larry Laffer auf zwei 3,5-Zoll-Disketten in mein Leben. Das Spiel "Leisure Suit Larry 1" lief sogar auf meinem simplen Schwarzweiß-Bildschirm. Ich hatte die englische Version des Spiels und bekam schnell heraus, mit welchen eingetippten Sprachkommandos man den glücklosen Larry füttern musste, damit er es doch noch in das Zimmer der Prostituierten schafft und hier eine leider zensierte Nummer schieben konnte. Natürlich vergaß auch ich, Larry das gebrauchte Kondom anschließend wieder abzunehmen, sodass er gleich vor dem Haus wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses von der virtuellen Polizei verhaftet und eingebuchtet wurde.
Damals war es wirklich noch so, dass sich die Männer auf Partys zusammenrotteten, um stundenlang miteinander zu diskutieren, wie man es denn wohl schafft, Larry zur nächsten Nummer zu verhelfen. Die Frauen waren genervt, beschlossen, sich demnächst einfach mal ohne ihre Männer zu treffen und strichen die Nummer auch im Real Life vom Programm.
Plötzlich: Farbe
Nachdem ich damals das Weltraum-Adventure "Space Quest" in 16 EGA-Farben auf dem Bildschirm eines Freundes gesehen hatte, musste ich selbst unbedingt einen Farbbildschirm haben. Der wurde dann wochenlang nonstop benutzt, um mich durch das Sierra-Programm mit seinen zahllosen Aufgaben zu klicken. Ich entdeckte erst die genialen "King's Quest" Fantastyadventures und später dann den verschrobenen Humor der Lucasarts-Spiele wie "Monkey Island" oder "Day of the Tentacle". Keins der Spiele machte mich aber jemals wieder so an wie mein erstes Larry-Intermezzo.
Dafür entdeckte ich schon bald den puren und ultimativen Adrenalinkick. Damals gab es noch keine 3D-Egoshooter, dafür aber "Eyes of the Beholder". In dem Fantasy-Horror-Rollenspiel schlüpfte man in ein unterirdisches Labyrinth, das man aus den Augen der Spielfigur betrachten konnte. Im Labyrinth konnte man sich immer nur in festen 90-Grad-Schritten drehen, um dabei nach neuen Abzweigungen, magischen Artefakten, Schaltern oder Monstern zu suchen. Eine unheimliche Musik, tolle Waffen und Rüstungen und eine spannende Aufgabe sorgten für eine absolut fantastische Atmosphäre. Junge, wie habe ich es geliebt, die unterirdischen Tavernen zu erforschen und seitenweise Lagepläne zu malen, um herauszufinden, wo ich bereits war und wo nicht.
Oft genug drehte man sich da mitten im Spiel um und stand auf einmal vor einer Rotte Skelettkrieger oder Monsterschnecken. In diesem Moment musste alles ganz schnell gehen, da die Kämpfe immer in Echtzeit abliefen. Per Mausklick konnte man Messer werfen, Zaubersprüche weben, mit dem Bogen schießen oder im Nahkampf das Schwert schwingen. Zwischendurch rasch einen Heiltrank trinken und weiter ging es: Yippie-ya-yay, Schweinebacke. Das war ein Kitzel, den ich bei allen Egoshootern und Echtzeit-Strategiespielen der Moderne extrem vermisse. "Eye of the Beholder" als Neuauflage in moderner Grafik: Das würde mein Herz sicherlich nicht überleben.
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Mein dreckiger Schreibtisch
Müssen eigentlich alle Kreativen kleine Dreckferkel sein, was die Ordnung auf ihrem Schreibtisch anbelangt? Fast scheint es so! Carsten Scheibe sammelt die "schlimmsten" Tatsachenfotos aus der ganzen Welt. Staunen, Erschrecken, Mitmachen: DreckigerSchreibtisch.de
Weiter ging es in meiner ganz persönlichen Spielevita mit "SimCity". Eine Stadt planen und errichten, das kann ja nicht so schwer sein, oder? Leider brannte meine in wochenlanger Arbeit errichtete Stadt am Ende immer ab, weil ich an der Polizei gespart hatte und die Mini-Pixel-Ganoven deswegen immer so viel Mist bauten. Wo ist denn eine Feuerwehr, wenn man eine braucht? Ich hätte vielleicht auch davon mehr Stationen bauen sollen. Ich fand aber Fußballstadien und Hochhäuser eben immer spannender.
Draußen gibt's auch Multiplayer-Games
Später kam dann auch noch "Populous" mit dazu - der berühmte Weltengestalter. Und die "Lemmings", obwohl es irgendwann spannender war, sie gezielt umzubringen als ihr Überleben zu sichern. Egoshooter-Erfahrung sammelte ich mit dem hierzulande verbotenen Spiel "Wolfenstein 3D", das Nazis und deutsche Schäferhunde zu virtuellem Kanonenfutter machte. Seitdem hat mich aber kein Computerspiel mehr so sehr reizen können, dass mir das Adrenalin durch die Adern schießen würde. Es sei denn, ich spiele wie jeden Sonntag Fußball gegen meine und andere Kinder. Gut so: Ich hab zwar vielleicht als Stubenhocker angefangen. Aber so enden möchte ich nicht.
Eine Glosse von Carsten Scheibe, Typemania