Scheibes Kolumne Was Software-Tipps wirklich bedeuten

Eine Unzahl an Freeware, Shareware oder Demos gibt es im Internet zum Download. Die Verantwortlichen, die die Software anbieten, müssen zu jedem Programm eine kleine Beschreibung abgeben. Dabei kommen immer wieder Floskeln zum Einsatz, deren wahre Bedeutung jetzt endlich einmal geklärt werden muss.

Es ist fast schon ein ungeschriebenes Gesetz in der Software-Branche: Negative Kritik kommt einfach nicht vor. Auf gar keinen Fall. Es kann doch nicht angehen, dass man all die vielen hoffnungsvollen Programmiertalente gleich in die Depression treibt, indem man ehrlich sagt, wie grottenschlecht ihre Arbeit in Wirklichkeit ist. In der Folge haben sich vor allem die Verantwortlichen in den Download-Foren im Internet und die Produzenten von den Heft-CDs der Computerzeitschriften einen ganz eigenen Code angewöhnt, der auch die miesesten Programmeigenschaften noch in blumige Worte hüllt. Wer sich mit diesem Code kurz beschäftigt, kann schon bald erahnen, wie gut oder schlecht eine Software in Wirklichkeit ist.

"einfach gestaltete Software"

Der Programmierer hat sich null Mühe gegeben, um die Oberfläche seiner Software etwas aufzupeppen. Ein graues Fenster, dazu ein paar Standard-Icons von Windows - mehr darf an dieser Stelle einfach nicht verlangt werden.

"einfach zu handhabendes Programm"

Die Software weist so wenige Funktionen auf, dass sogar ein Grundschüler nicht mehr als fünf Minuten benötigen würde, um die Bedienung der Software zu erlernen.

"einfacher Tetris-Klon"

Wenn Sie das Original kennen, tun Sie sich bloß nicht die Kopie an. Es gibt keine neuen Features zu entdecken, die Grafik ist oll, und auch das Gameplay kann nicht überzeugen. Wahrscheinlich die Erstlingsarbeit eines Schülers, der jetzt auf den großen Durchbruch hofft.

"komplexe Software mit vielen Funktionen"

Das Programm ist so mit Funktionen überfrachtet, dass die Testperson absolut keinen Plan hat, wie die Software funktioniert und was sie eigentlich kann.

"Software für den Profi"

Nur der Profi ist dazu in der Lage, dieses Programm zu bedienen. Wahrscheinlich gibt es unzählige verschachtelte Menüs, in denen tausend überflüssige Befehle darauf warten, ausprobiert zu werden. Die PC-Einsteiger, zu denen 80 Prozent aller Anwender gehören, werden nie dazu in der Lage sein, das Programm zu verstehen.

"leicht fehleranfälliges Programm"

Auf dem Testrechner des Redakteurs hagelte es Abstürze, die meisten Funktionen ließen sich nicht starten, und beim Ausdruck einer Seite kamen gleich 200 Blatt Papier aus dem Drucker.

"Multimedia-Software mit schicker Oberfläche"

Hoffentlich haben Sie einen nagelneuen Pentium-4 mit 512 Megabyte Arbeitsspeicher und einer neuen Grafikkarte mit 3D-Beschleuniger. Ansonsten wird Ihnen dieser überfrachtete Multimedia-Bolide zeigen, wie sehr überflüssige Routinen die Performance des Rechners in die Knie zwingen können.

"nur für die Zielgruppe geeignet"

Wenn Sie nicht gerade ein Lehrer an der Berufsschule sind, Strickmuster lieben oder in Ihrer Freizeit Modellautos sammeln, ist diese Software für Sie absolut uninteressant.

"Ein Handbuch liegt als Datei bei"

Und das ist auch gut so. Denn Sie werden das Programm erst dann bedienen können, wenn Sie 200 Seiten Handbuch gelesen und auswendig gelernt haben. Zu dumm, dass der Software-Entwickler zwar programmieren kann, dafür aber keinen klaren Satz zu Papier bringt. Na ja, Sie werden schon irgendwann verstehen, was der Autor gemeint hat.

"läuft nicht auf allen Rechnern"

Und auf dem PC des Redakteurs schon einmal gar nicht. Der hofft jetzt aber, dass es irgendwo auf der Welt einen Rechner gibt, auf dem das Programm sich doch noch überreden lässt zu laufen. Man weiß ja nie. Auf dem PC des Entwicklers muss es ja auch funktioniert haben.

"Runtime-Datei muss nachgeladen werden"

Warum liegt diese verdammte Datei dem Programm nicht bereits von Hause aus bei? Heutzutage ist es doch völlig wurscht, ob ein Programmarchiv einen Megabyte größer oder kleiner ist. Zumal man sich die Datei ja doch noch aus dem Netz herunterladen muss.

"preisgekrönte Software"

Bei irgendeinem Treffen pubertierender Programmierer haben sich alle Teilnehmer gegenseitig einen Preis vermacht. Und da der Redakteur nicht weiß, ob der Preis nicht vielleicht doch bedeutend ist, erwähnt er ihn besser. Vielleicht ist die Software ja doch ganz gut. Auch wenn der erste Eindruck nicht diesen Anschein erweckt.

<a class="link--external" href="mailto:scheibe@typemania.de">Carsten Scheibe</a>

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