... dann kann das in dieser Branche einfach nicht gut gehen. Während bereits die ersten Sachen für den Koffer rausgelegt werden und der Urlaubsprospekt an der Stelle mit dem Pool-Bild langsam Fettflecken vom Fingerdrauftippen bekommt, ahnt die Computerwelt, dass sich einer der ihren aus dem Staub machen möchte. Sofort werden Gegenmaßnahmen getroffen.
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Lässt man Sie auch nicht in den Urlaub? - Ihre Meinung im Computerforum!
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Zwei Wochen, bitte, bitte, mehr sollen es ja gar nicht sein. Ein Kollege fragt ungläubig am Telefon, ob ich mir denn in diesen irren Zeiten glatte zwei Wochen Auszeit überhaupt gönnen kann. Von wegen es passiert ja derzeit so viel. Und - ob er meine Aufträge wohl haben könne. Ich lehne empört ab. Meine Aufträge, mein schönes Geld. Wo kommen wir denn da hin? Soll er sich doch selbst um Aufträge kümmern!
Der Wink mit dem Zaunpfahl schmerzt
In den nächsten Tagen, der letzten Woche vor dem Urlaub, müssen noch die letzten Texte geschrieben werden. Meine Frau schaut mich ungnädig an. Ob ich denn vergessen hätte, dass in dieser letzten Woche erst mein Sohn und dann sie Geburtstag haben. Vom fünften Hochzeitstag dazwischen ganz zu schweigen. Und ich hätte ja noch nicht einmal meinen Redaktionskeller und somit das Haus verlassen, um Geschenke zu kaufen. Der Wink mit dem Zaunpfahl trifft mich mitten auf der Frikadelle und haut mir den Kopf auf die Tastatur. Ach ja, meint sie dann auch noch, die Verwandten würden an zwei Tagen zu Besuch kommen, um im Garten zu feiern. Ich bestelle rasch die im Hinterkopf schon lange vorgemerkten Präsente im Internet und freue mich, dass sie einen Tag später bereits geliefert werden. Langsam dämmert mir – es könnte eng werden mit den Texten.
Seit Wochen und Monaten maile ich so manchem Redakteur hinterher. Auf einmal rufen sie alle an. Nicht einer. Alle. Darunter auch der Redakteur von dem PC-Magazin, für das ich schon immer einmal schreiben wollte. Und er bietet mir eine große Story über mein Lieblingsthema DVD an. Ich frage mit zitternder Stimme nicht nach dem Honorar, sondern alleine danach, ob das vielleicht, bitte, bitte, noch drei Wochen Zeit hat. Hat es nicht. Ich lehne zwangsläufig ab und beiße weinend in die Tastatur. An dem Tag rufen noch zwei andere Redakteure an. Einmal soll ich was über das neue Windows XP machen, dann etwas über Freeware-Spiele. Tolle Themen, tolle Magazine. Ich überlege, den Urlaub abzusagen, tue das dann aber mit den Aufträgen. In meinen Albträumen sehe ich, wie mein Name mit dickem Edding von der Liste der freien Autoren getilgt wird. Der schreibt nie wieder für uns, der macht lieber Urlaub. Ich bin eine Lusche. Unwürdig.
Ach herrje, der eine Überblick über neue PDA-Geräte, den ich noch tippen muss, gerät zum Albtraum. Ein Selbstläufer, dachte ich bei zwei Zentimetern Factsheets in der Infokiste. Aber: Die Presseinfos sind auch nicht mehr das, was sie einmal waren. Da bewirbt sich ein PDA etwa als das schmalste Gerät aller Zeiten. Dummerweise steht auf insgesamt sechs Seiten nicht einmal drauf, wie schmal das nun eigentlich in Zentimetern ist. Ich surfe im Internet und such mir all die Daten zusammen. Schon ist der Tag vorbei.
Die Familie ist gekommen und viel zu lange geblieben. Ich rufe meinen Kollegen an und frage ihn, ob er mir nicht vielleicht doch Aufträge abnehmen kann. Sein Grinsen sehe ich förmlich durch den Hörer. Er verlangt mir mein volles Honorar ab. Ich träume von Kumpeln, die meine Arbeit auch umsonst machen. Zum Glück habe ich noch ein paar lukrative Aufträge übrig, die schaffe ich schon noch.
Meine alte Domain bietet plötzlich Porno
Dann kriege ich eine böse Mail. Es ist ein ganz dolles Ding passiert. Eine alte Domain von mir ist ausgelaufen und gehört mir nicht mehr. Sei's drum, sie wurde eh nicht mehr benötigt, denke ich. Doch anscheinend werden die Domains gleich wieder für teures Geld weiterverkauft, da sie ja noch ausreichend Traffic generieren. Jetzt ist unter meiner alten Domain auf einmal ein US-Porno-Anbieter zu finden. Lauter Leute, die auf diese Seite und somit zu mir gelinkt haben, sind böse und glauben, ich hätte meine Domain selbst an den bösen Pornofeind verkauft. Habe ich nicht. Mit den Dementis und Nachforschungen geht aber wieder ein Tag verloren. Ich rufe meinen Kumpel an und geb? ihm auch noch die lukrativen Jobs. Er fragt, wann ich das nächste Mal verreise. Dann könnte er das zusätzliche Arbeitsvolumen schon mal vorab einplanen. Ich rechne den Verdienstausfall hoch und hoffe, dass mich eine Stretch-Limousine bei Palma de Mallorca abholt und ins 08/15-Hotel fährt. Das wäre das Mindeste.
Und schon ist die Zeit wieder um. Hektisch werden letzte Mails geschrieben, das Büro wenigstens ein ganz klein wenig aufgeräumt und der Leguan im Redaktionsterrarium geherzt. Dann ist die Nacht auch schon durchwacht vorbei, das Taxi wartet, und ich sitze plötzlich mit Frau und Kindern im Flieger. Puhhhh, jetzt mal durchatmen und entspannen. Wie? So ruhig kann das Leben ohne Computer sein? Ich glaube, ich bleibe gleich drei Wochen weg.
Carsten Scheibe