Kosmetische Retusche
Ich verwende für diesen Zweck den Kopierstempel, um mit einem weichen Pinsel Bereiche aus nächster Nähe zu übertragen (zu klonen). Gesichtsfalten verschwinden, wenn Sie zum Klonen faltenfreie, benachbarte Hautbereiche verwenden. Für ganz feine Manipulationen wählen Sie am besten 200%Vergrößerung und einen Pinsel mit subtilen Einstellungen wie Aufhellen, Abdunkeln oder Farbe. Oder Sie arbeiten mit dem Reparatur-Pinsel.
Von Anfang an wurde in der Fotografie retuschiert, der Grund ist schiere Eitelkeit. Zuerst wurden die Abzüge retuschiert, was bedeutend leichter ist, als Negative zu bearbeiten, schon weil Abzüge größer sind und weil Papier nicht so empfindlich ist wie Film. Früher arbeitete man mit feinen Kamelhaarpinseln, heute mit dem Airbrush. Aber gute Ergebnisse verlangen immer künstlerisches Geschick.
Über den Autor
Dieser Text entstammt dem Buch "Digital fotografieren. Die richtige Kamera, Aufnahmetechnik, Ideengeber" von Michael Freeman. Freemans neues Buch heißt "Die fotografische Idee. Bildkomposition und Aussage", Verlag Markt + Technik, 29,95 Euro.
Michael Freeman ist international renommierter Fotograf und arbeitet regelmäßig für Time-Life Book, Reader's Digest und die BBC. Er hat mehr als 20 Fotobücher verfasst.
Auch Bildbearbeitungsprogramme erfordern ein gewisses Maß an Geschick mit dem Pinsel, denn die Mal- und Zeichenwerkzeuge sind so angelegt, dass sie wie ihre konventionellen Pendants reagieren. Warum benutzen Softwareentwickler sonst den Begriff Pinsel? Ein Vorteil der digitalen Retusche liegt natürlich darin, Fehler jederzeit korrigieren zu können. Darüber hinaus sind alle erdenklichen Veränderungen am Bildmaterial möglich. Selbstverständlich gibt es auch bei der digitalen Bildbearbeitung unverbesserliche Fehler, jedoch nur dann, wenn das Programm keinen "Rückgängig"- Befehl bietet - oder wenn Sie nicht ein oder zwei Sicherheitskopien gemacht haben. Fehler lassen sich aber problemlos vermeiden.
Bei der Retusche geht es um Details und deshalb wird das Bild zunächst in der 100%-Ansicht betrachtet. Beachten Sie, dass ein Monitor bei kleineren Ansichten Schwächen in Details ganz einfach nicht darstellen kann - auch wenn Sie noch so genau hingucken. Gehen Sie das Motiv systematisch von links nach rechts oder von oben nach unten durch. Benutzen Sie dazu nicht den Rollbalken, sondern klicken Sie auf die Pfeile, damit sich das Bild Stück für Stück verschiebt. Oder arbeiten Sie mit dem Hand-Werkzeug.
Weichzeichner
Der Weichzeichner entstammt der konventionellen Porträtfotografie. Verwechseln Sie ihn nicht mit Unschärfe, er ist vielmehr ein Filter, der vor das Objektiv gesetzt wird, um Konturen zart zu verwischen. Details bleiben aber erhalten. Bei der digitalen Variante lässt sich der Effekt variieren und Sie brauchen sich nicht vor dem Fotografieren zu entscheiden, ob Sie sie einsetzen. Duplizieren Sie den gewünschten Bildbereich auf eine andere Bildebene und bearbeiten Sie sie mit dem Gaußschen Weichzeichner. Dann stellen Sie die Füllmethode dieser Ebene auf "Aufhellen" und reduzieren bei Bedarf die Deckkraft. Den Grad der Weichzeichnung bestimmen Sie ganz nach eigenem Ermessen.
Wenn Sie ein bisschen Übung haben, können Sie schon während dieser Begutachtung das ein oder andere Detail retuschieren. Am Anfang ist es jedoch ratsam, erst das Bild komplett zu überprüfen und sich einen Plan von den Veränderungen zu machen. Es gibt meist zwei Fehlerquellen: Mängel bei der Technik und beim Motiv selbst. Zu den technischen Mängeln zählt alles, was nicht zum eigentlichen Bild gehört, wie sichtbare Pixel durch das Komprimieren oder Staub und Kratzer auf einem Scan. Unter Mängel am Motiv versteht man zum Beispiel Flecken und Unebenheiten auf der Haut. Hier ist Ihr Urteilsvermögen gefragt.
Grundsätzlich werden erst die ganz kleinen und dann die größeren Mängel bearbeitet. Wählen Sie immer einen Pinsel in passender Größe. Mit einem feinen Pinsel lässt sich sehr exakt arbeiten, aber auch nur sehr langsam, deshalb müssen Sie oft Kompromisse eingehen. Der Hintergrund ist immer wichtig, egal um welche Art von Mangel es geht, denn er soll wiederhergestellt werden.
Am Menschen: einfach besser aussehen
Die Grenze zwischen ein bisschen Retuschieren und kosmetisch Verschönern ist schmal, vielleicht auch fließend, und die neuen Techniken der digitalen Fotografie und Bildbearbeitung verwischt sie noch mehr. Die Techniken ähneln sich sogar im Schwierigkeitsgrad. Ob man etwas ändert, überlegt man sich bei konventionellen Fotos eigentlich sehr gut, denn gerade Hauttöne sind manchmal so zart, dass eine Farbretusche nur über aufwändige und kostenintensive Verfahren möglich sind. Im digitalen Bereich ist der Schritt von einer leichten Retusche zu den hier gezeigten Manipulationen nicht groß.
stern.de-Serie für bessere Urlaubsfotos
In Folge eins unserer Serie über das nachträgliche Verbessern Ihrer Urlaubsfotos haben wir Ihnen Programme verschiedener Preisklassen für die Bildbearbeitung vorgestellt: "Helfer für bessere Urlaubsfotos
Folge zwei beschäftigte sich mit ganz einfachen Tricks der Bildbearbeitung: "Verschwindet aus meinem Urlaubsfoto"
Am häufigsten wird die Haut verschönert. Meist soll sie geglättet werden und einen ebenmäßigen Ton erhalten. Kleine Flächen können Sie mit einem Pinsel verwischen, aber meistens muss die komplette Hautfläche bearbeitet werden. Wählen Sie den gewünschten Bereich und arbeiten Sie mit einem Filter. Die Grundretusche muss bereits fertig sein, denn Filter wie Weichzeichner wirken nur auf feine Details. Zum Beispiel verwandeln sich Sommersprossen gern in eine hässliche gepunktete Fläche, deshalb müssen Sie sie einzeln mit dem Kopierstempel oder dem Reparaturpinsel beseitigen.
Dieses Beispiel zeigt, wie Sie bei einem Foto in wenigen Schritten den Rotstich entfernen: Ein Bild einfach verbessern.
Denken Sie gut über die Auswahl nach. Es ist eine Kunst, die Teile auszuwählen, die unverändert bleiben sollen. Selbst wenn Sie die Haut auf den Wangen glätten wollen, sollten Sie einige kleine Fältchen um Augen, Nase und Mund lassen, damit das Gesicht später nicht plakativ und künstlich wird. Sie müssen auf jeden Fall die Ränder zum Schluss nachbearbeiten, egal ob Sie nun das komplette Gesicht wie eine Maske bearbeiten oder Teile mit dem Lassowerkzeug auswählen, sonst sind die Übergänge zwischen bearbeiteten und nicht bearbeiteten Bereichen sichtbar. Stimmen Sie auch die Dichte des gewählten Bereichs sorgfältig auf Ihre Manipulationen ab. Speichern Sie Ihre Auswahl, damit Sie sie später erneut bearbeiten können. Am beliebtesten ist hier der Gaußsche Weichzeichner, dessen Radius Sie je nach gewünschtem Effekt einstellen können. Wenn Sie den ausgewählten Bereich auf eine zweite Bildebene kopieren und diese über die erste legen, können Sie auch die Transparenz bzw. Deckkraft beeinflussen. Danach können Sie subtile Farbkorrekturen vornehmen. Damit der geglättete Bereich nicht zu künstlich aussieht, experimentieren Sie ein bisschen mit dem Störungen-Filter.
Noch mehr Möglichkeiten bieten kosmetische Veränderungen. Sie können die Hautfarbe ändern, damit sie wie von der Sonne gebräunt wirkt. Nehmen Sie zuerst eine Farbauswahl vor, um dann nach Belieben zu intensivieren oder abzuschwächen. Wenden Sie anschließend auf den komplett gewählten Bereich den Gaußschen Weichzeichner an, um einen Pixeleffekt zu vermeiden. Nach der Haut wenden Sie sich einzelnen Gesichtszügen zu. Sie können die Irisfarbe ändern, die Pupillen vergrößern und die Zähne richten oder aufhellen. Eine Stirnglatze auffüllen ist genauso schwierig wie eine Haartransplantation: Stellen Sie den Kopierstempel auf Abdunkeln ein und nehmen Sie sich viel Zeit.
Ein Beispiel in wenigen Schritten: Lippenstift auftragen, Augen aufhellen.
In der Natur: störende Elemente entfernen
Bei nahezu allen Stadtszenen gibt es die visuelle Umweltverschmutzung - immer mehr Schmierereien, Werbung, Stromleitungen, Gerüste, Antennen und Satellitenschüsseln, Bausünden ganz außen vor gelassen. Glücklicherweise lassen sich viele dieser Elemente, beispielsweise Stromleitungen, digital ganz einfach entfernen. Wer hat da noch ethische Einwände gegen die digitale Bildbearbeitung? Ich mache hier explizit einen Unterschied zwischen dokumentarischer Fotografie, die alle Mängeln zeigt, und Architekturfotografie, die ein Gebäude so präsentiert, wie es gesehen werden soll. Dies könnte als die unverstellte Sicht bezeichnet werden, die das Anliegen des Architekten ausdrückt.
Wenn Sie vorher schon wissen, dass Sie das Bild bearbeiten müssen, können Sie sich die Nachbearbeitung erleichtern. Zunächst müssen Sie die Störfaktoren ausfindig machen und überlegen, ob sich die verdeckte Fläche durch Kopieren leicht rekonstruieren lässt. Eine Ziegelmauer ist simpel, eine unregelmäßigere Struktur dagegen ziemlich aufwändig.
Vielleicht sollten Sie den Kamerawinkel geringfügig ändern. Sie könnten auch zwei Fotos aus leicht unterschiedlichen Positionen schießen und die Parallaxenverschiebung nutzen, durch die in dem einem Bild ein Bereich verdeckt, im anderen aber sichtbar ist. Kopieren Sie den Bereich dann von einem Bild ins andere.
Alle Mann raus aus meinem Bild!
Auch störende Menschen vor oder in Gebäuden lassen sich so bearbeiten. Massen von Touristen stellen bei historischen Gebäuden ein fotografisches Problem dar. Einzelne Personen können Sie leicht mit der Kopierfunktion überdecken, bei Menschenmassen sollten Sie auf die Technik zum Kombinieren verschiedener Lichtverhältnisse zurückgreifen. Nutzen Sie ein Stativ und schießen Sie im Abstand weniger Minuten zwei identische Aufnahmen. Legen Sie jede in eine separate Ebene derselben Bilddatei. Wenn die Menschen nicht am selben Ort geblieben sind, können Sie nun die menschenleeren Bereiche von einem Bild in das andere kopieren.
Ein Beispiel in wenigen Schritten: Weg mit Menschen und Kränen.