"Clickhole.com" Eine Seite gegen das Verklicken

Von Oliver Fuchs
Kennen Sie Buzzfeed oder heftig.co? Auch Clickhole verspricht die emotionalsten Geschichten. Ever. Doch hinter den reißerischen Titeln verbirgt sich nur heiße Luft. Das ist Absicht - und saukomisch.

Die Seite Clickhole.com ist Balsam für alle, die finden, dass Überschriften wie: "Er bekam eine SMS im Kino. Was dann geschah, schockierte jeden" uns langsam kirre machen. Vor allem, wenn dann im Video keine Katzen vorkommen. Heute sind scheinbar alle Methoden erlaubt, um eine Geschichte "viral" zu machen. Also dafür zu sorgen, dass sie möglichst oft über Soziale Netzwerken geteilt wird.

Dazu zunächst ein kleiner Einwurf ("Wenn Sie weiterlesen, wird das Ihr Leben verändern"): In grauer Vorzeit, also zirka Mitte des letzten Jahrzehnts, hatte das Wörtchen "viral" eine ganz andere Bedeutung. Es stand für das Verhalten von Viren, die Krankheiten übertragen. Der Begriff spukte einem durch den Kopf, wenn wir mal wieder auf der Bahnhofstoilette eine Türklinke anfassen mussten. Doch dann kamen Buzzfeed, Upworthy oder heftig.co und machten "Viralität" zum Goldstandard des Online-Geschäfts. Seitdem klingt "viral" nach Erfolg - wer viel geliked, geshared und getwittert wird, bekommt Aufmerksamkeit. Und Aufmerksamkeit ist Geld wert. Weshalb auch alteingesessene Medien versuchen mitzumischen.

25 Gifs - und tausende mehr

Nichts gegen Geschichten, die so toll sind, dass wir selbst Ex-Kumpels aus dem Kindergarten auf Facebook damit belästigen. Im Gegenteil: Gute Geschichten verdienen den "Like". Aber wie schamlos manche Autoren den Klickfinger und die Tränendrüse ihrer Leser massieren, ist schon….pardon: heftig. Hinzu kommt die schiere Zahl der Stories. Eine Liste der " 25 Gifs, die perfekt zusammenfassen, wie sich ein Kater anfühlt" bringt die Informationsgesellschaft nicht ins Wanken. Aber tausende solcher Listen schon. Und wenn dann nirgendwo mehr eine sinnvolle Information zu finden ist... wo war ich?

Ach ja. Clickhole.com. Am Donnerstag ging die Seite online. Die Macher des amerikanischen Satiremagazins "The Onion" haben sie kreiert. Erklärtes Ziel: zum neuen Kaiser des "viralen" Onlinebusiness zu werden. Ganz ohne Kleider. Die Seite besteht vollständig aus Parodien auf die schlimmsten Auswüchse ihrer klickgeilen Konkurrenten. Ein paar Beispiele:

Ein Agenturvideo! Kostenlos!

"16 Bilder von Beyoncé, auf denen sie nicht in Treibsand versinkt."

"Sie werden nicht glauben, wie wenig uns dieses Agenturvideo von einer Frau auf einer Schaukel gekostet hat!"

Wunderbar auch das Filmchen mit dem Titel: "Dieses Video scheint blöd zu sein, aber es hat eine wichtige Botschaft". Wer es anklickt, sieht 33 Sekunden lang einen animierten Dino zu grässlicher Synthie-Musik tanzen. Davor wackelt der Schriftzug: "Rassismus ist schlecht."

Leere Hüllen empfehlen leere Hüllen

Gleichzeitig zum Launch wurde die Seite in New York einer potentieller Anzeigenverkäufer offiziell vorgestellt. Aber anstatt sie zu umgarnen, entschieden sich die Macher, die versammelte Kundschaft abwechselnd zu verschaukeln - und zu beleidigen. An eine Wand projizierte "Clickhole" ein verballhorntes Dalai-Llama-Zitat: "Ein Leben im Dienst von anderen hat keinen Sinn ohne eine starke Social Media Präsenz, welche Aufmerksamkeit für die persönliche Marke generiert."

Dann gratulierte der "Clickhole"-Vertreter den Anwesenden zu ihrer Karriere: "Sie alle hatten die Wahl, einen anderen Weg in Ihrem Leben einzuschlagen. Notfallsanitäter, Lehrer in einem armen Bezirk in der Innenstadt, oder Arbeiter beim Friedencorps zu werden. Aber ganz tief in Ihnen haben sie gespürt, dass Sie besser sind als diese egoistischen Aufmerksamkeitsschlampen. Darum haben Sie den edelsten Weg überhaupt gewählt: Verkäufer von Digitalen Anzeigen." Auch die Leserschaft bleibt vom beißenden Spott nicht verschont. Die Frage "Was ist Clickhole?" beantwortet die Seite so: "Clickhole zieht es vor, Sie und alle anderen Personen auf der Erde nur als leere Hüllen zu sehen, die nur existieren, um unsere mit anderen leeren Hüllen zu teilen."

Ein willkommenes Zerrbild

Holzhammer? Klar. Übertrieben? Unbedingt. Genau darum ist es Satire. Eine gesunde Gesellschaft lebt davon, dass ihr jemand ab und zu den Spiegel vorhält. Auch wenn darin ein Zerrbild zu sehen ist. Solche Spielverderber stutzen Politiker regelmäßig auf ein gesundes Maß zurück. Höchste Zeit, dass das auch mal jemand für die Onlinemedien tut.

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