Sinkende "X"-Einnahmen Musks Twitter bricht die Werbung weg – er reagiert mit einer verzweifelten Maßnahme

Kein Grund zum Feiern: Elon Musk brechen die Werbeeinnahmen immer weiter weg
Kein Grund zum Feiern: Elon Musk brechen die Werbeeinnahmen immer weiter weg
© DPA
Auf einen Schlag sind Links auf Nachrichtenseiten beim Kurznachrichtendienst X kaum noch als solche zu erkennen. Ein Grund dafür dürften die sinkenden Werbeeinnahmen sein. 

Es ist eine Änderung, die einem sofort ins Auge sticht. Scrollt man durch den Feed bei X, besser bekannt unter dem alten Namen Twitter, werden dort geteilte Nachrichten-Links plötzlich nicht mehr mit Vorschau und Schlagzeile angezeigt – sondern nur noch das Bild des Artikels und die darübergelegte allgemeine URL der Seite. Dahinter steckt eine bewusste Strategie des Besitzers Elon Musk. Und sein immer größer werdendes Werbeproblem.

Dass die Änderung direkt auf Musk zurückgeht, ist kein Geheimnis. "Das kommt direkt von mir", erklärte er im August, als es erste Gerüchte zu der umstrittenen Neuerung gab. Ihm gehe es um die "Ästhetik", behauptete Musk damals. Tatsächlich dürfte es vor allem um seine Pläne gehen, die Plattform selbst zum Medium umzubauen. Und so auf die Zwänge aus dem Werbeeinbruch eingehen zu können.

X lässt Nachrichten verschwinden

Für die meisten Nutzer dürfte die aktuell nur in der iPhone-App von X eingeführte neue Ansicht vor allem einen Effekt haben: Weil die Artikel weder durch einen sichtbaren Link als solche zu erkennen sind noch eine Schlagzeile mitbringen, dürfte der Anreiz darauf zu klicken enorm sinken. Zum einen, weil kaum ersichtlich ist, dass hinter dem Bild dann doch ein Link steckt. Zum anderen, weil man schlicht nicht weiß, was dann eigentlich folgt. Auch die Headline ins normale Textfeld zu schreiben hilft wenig: Der eigentlich als Einladung zum Öffnen der Nachricht selbst gedachte Post wirkt dann plötzlich wie ein für sich abgeschlossener Post mit Bild.

Das entspricht genau dem, wie Musk eigentlich gerne X platzieren würde: Er wolle den Dienst zum ersten "Bürger-Medium" aufbauen, erklärte er erst diese Woche. Er selbst konsumiere Nachrichten bereits in erster Linie dort, verriet er. "Die klassischen Medien verfolge ich kaum noch." Seiner Ansicht nach sei Twitter direkter, schneller und zuverlässiger. Auf Vorwürfe, dass dadurch auch die Zahl von Falschmeldungen drastisch steige, ging er nicht ein.

Elon Musks Werbeproblem

Dass X nun selbst die Nachrichtenseite werden soll, statt den klassischen Medien eine Plattform zu bieten, dürfte allerdings nicht nur eine idealistische Idee sein – sondern auch eine finanzielle Notwendigkeit für Musk. Wie gerade bekannt wurde, verliert X seit der Übernahme im letzten Oktober im Vergleich zum Vorjahresmonat im Durchschnitt 55 Prozent seiner Werbekunden. Das berichtet "Reuters". Im Dezember war der Einbruch mit 78 Prozent im Vergleich zum Vorjahr besonders krass, ließ dann im Laufe des Frühjahrs etwas nach. Seit Mai stieg das Minus aber wieder deutlich an, im Juli lagen die Werbeerlöse etwa 65 Prozent unter denen des Vorjahres.

Um die Einnahmen wieder nach oben zu treiben, dürfte vor allem eines nützlich sein: ein höheres Engagement der Nutzer mit dem bei X angebotenen Inhalten. Wenn Videos und Artikel direkt auf dem Kurznachrichtendienst konsumiert werden, schlägt Musk zwei Fliegen mit einer Klappe. Zum einen verlassen die Nutzer:innen nicht mit jedem Klicken eines Links die eigene Plattform und bekommen Werbung der besuchten Seiten angezeigt statt von Twitter. Zum anderen steigt die in der App verbrachte Zeit weiter an – und damit die Werbemöglichkeiten.

Lange geplante Änderungen

Die Grundlagen für die Strategie legt Musk bereits seit Monaten. Seit der Übernahme fiel nicht nur die Beschränkung von 280 Zeichen für Abonnenten des Premium-Angebots "Blue". Musk warb aktiv dafür, lange Artikel direkt auf der Seite zu veröffentlichen. Mit Exklusivdeals wie mit dem umstrittenen US-Moderator Tucker Carlson brachte er begehrte Videoinhalte direkt zu X. Und auch finanziell wurden Anreize geschaffen: Wer mit seinen Inhalten viele Menschen erreicht, bekommt als Blue-Abonnent einen Teil der damit erzielten Werbeeinnahmen direkt ausgezahlt. Medien-Unternehmen dürften angesichts der relativ geringen Einnahmen aber kaum anfangen, plötzlich ihre Recherchen nur noch über Twitter zu veröffentlichen.

Ob sich die Strategie auszahlen wird, muss sich zeigen. Dass die Werbeeinnahmen bei X noch stärker einbrachen als im ohnehin schon leidenden Markt, hängt auch mit Musks Umgang mit der Plattform zusammen. Als, wie er sagt, "radikaler Verfechter der Meinungsfreiheit" hatte der Neubesitzer auch zahlreiche Stimmen zurückgeholt, die wegen Angriffen gegen andere oder der Verbreitung von Falschmeldungen gesperrt worden waren. Der Einbruch der Werbebuchungen lässt sich auch auf eine gestiegene Vorsicht der Kunden zurückführen, nicht mit diesen Inhalten in Verbindung gebracht werden zu wollen.

Die X-Geschäftsführerin Linda Yaccarino hatte sich letzte Woche dennoch optimistisch gegeben. Fast 90 Prozent der abgesprungenen Werbekunden seien mittlerweile wieder an Bord, erklärte sie in einem Interview. Und sie wagte eine sportliche Prognose: Schon im nächsten Jahr soll X profitabel werden.

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