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Klassik Proben für Youtubes Sinfonieorchester

Die Videoplattform Youtube hat ein klassisches Sinfonieorchester gecastet. Wer teilnehmen wollte, musste sich mit Videos bewerben. Die Endabstimmung erledigten die User. Nach Ostern wird das Orchester in New York erstmals auftreten - und ein deutscher Musiker ist auch dabei.

Einmal in der New Yorker Carnegie Hall zu spielen, davon können viele Musiker nur träumen. Für 96 Künstler aus aller Welt geht der Traum jetzt auf eine sehr ungewöhnliche Weise in Erfüllung: Sie haben sich um einen Platz im "Youtube Sinfonieorchester" beworben - nicht leibhaftig mit Geigenkasten oder Flötenkoffer, sondern über ein Video im Internet. Am Mittwoch feiert das erste online gegründete Orchester der Welt in der berühmten New Yorker Konzerthalle seine Uraufführung. Als einziger Deutscher ist dort der Düsseldorfer Musikschullehrer und Geiger Maurice Maurer (29) dabei.

"Es ist eine Mischung aus Gipfelkonferenz, Pfadfindertreffen und Musikerlebnis", sagt Michael Tilson Thomas, der Direktor der San Francisco Symphony und kreative Kopf des Projekts. "Erstmals haben Musiker aus so vielen verschiedenen Ländern die Chance, sich gegenseitig online zu entdecken und dann wirklich zusammenzufinden und Musik miteinander zu machen."

Die Internet-Videoplattform Youtube hat für das ambitionierte Vorhaben 40 hochkarätige Partner aus der internationalen Musikszene gewonnen. Star-Cellist Yo-Yo Ma und der chinesische Pianist Lang Lang unterstützen das Konzert mit Videoauftritten. Der chinesische Komponist Tan Dun, der für seine Filmmusik zu Ang Lees Meisterwerk "Tiger and Dragon" einen Oscar bekam, hat für die Premiere eigens die Internet-Sinfonie Nr. 1 "Eroica" geschrieben.

Begeisterung für klassische Musik

Und zahlreiche berühmte Orchester wie das London Symphony Orchestra, das Amsterdamer Royal Concertgebouw Orchestra und die Berliner Philharmoniker halfen bei der Vorbereitung und Auswahl. "Das Engagement und das Können der Bewerber hat uns wieder einmal gezeigt, wie sehr sich junge Menschen für klassische Musik begeistern können", sagt der Solocellist und Medienvorstand der Berliner, Olaf Maninger.

Für den aus Castrop-Rauxel im Ruhrgebiet stammenden Maurice Maurer, der schon mit fünf Jahren Geige lernte, war die Bewerbung eine spannende Herausforderung. "Eigentlich bin ich ganz zufällig auf die Seite gestoßen", erzählte er der Deutschen Presse-Agentur. "Ich habe mir gedacht, das klingt interessant: In der New Yorker Carnegie Hall, wo schon so viele tolle Musiker gespielt haben - da musst du unbedingt mitmachen."

Bis Ende Januar waren Interessierte aufgefordert, zwei Bewerbungsvideos einzureichen. Für das eine hatte Tan Dun ein vierminütiges Orchesterstück komponiert, für das andere suchte sich Maurer aus einer Vorschlagsliste eine Passage aus Mozarts Sinfonie in Es-Dur aus. Die Noten konnten aus dem Internet heruntergeladen werden, dazu gab es Online-Tutorials und ein Dirigenten-Video. "Ich hatte die Noten tagelang in der Tasche", berichtet der Düsseldorfer. "Am Tag vom Einsendeschluss habe ich mich dann in ein Zimmer in der Musikschule eingeschlossen, einen Haufen Videos aufgenommen und abends die besten ins Netz gestellt."

3000 Bewerbungsvideos aus aller Welt gingen ein, 200 Teilnehmer wurden nach einer Begutachtung durch die beteiligten Profi-Musiker nominiert und konnten dann von den Youtube-Nutzern gewählt werden - der größte Wettbewerb in der Geschichte der Online-Plattform, so das Unternehmen.

Ostertrip nach New York

Das Ergebnis: Rund 90 Musiker aus mehr als 30 Ländern und Regionen der Welt reisen über Ostern nach New York, um sich von Montag an zu Proben und Meisterklassen mit namhaften Interpreten zu treffen, ehe es am Mittwochabend ernst wird. Mit dabei auch der in Leipzig studierende Koreaner Sangmin Park. Zwei weitere Gewinner aus Deutschland können dem Veranstalter zufolge aus beruflichen Gründen nicht teilnehmen.

Youtube verdient nach Angaben des deutschen Pressesprechers Henning Dorstewitz an der Aktion nichts, dürfte aber kräftig Image-Punkte sammeln. Das britische Magazin "Gramophone", das mit seiner Liste der 20 besten Orchester der Welt kürzlich für Aufsehen sorgte, lobt die Initiative für ihr soziales Engagement: Sie demokratisiere die klassische Musik in einem globalen Maßstab, hieß es in einem neuen Ranking zu den zehn inspirierendsten Orchestern der Welt.

Und der rumänische Geiger Titus Flueras, der als einer der Konzertmeister gewonnen wurde, meint in einem Beitrag im Internet: "Es macht in der Musik nichts aus, wenn ich Rumäne bin und ein anderer ist Chinese und wieder ein anderer ein Amerikaner. Mit der Musik sprechen wir alle die gleiche Sprache."

Nada Weigelt/DPA DPA

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