Ein Taxi zählt nicht zur neuen Digitalwelt. Dennoch macht der Start in den Tag schon Spaß, wenn der Kutscher den Südeingang der Messe nicht kennt. Da rächt sich, dass die Ifa nur alle zwei Jahre ihre Pforten öffnet. Andererseits hat sich ja gerade in der Unterhaltungselektronik so wenig entwickelt, dass der Rhythmus von zwei Jahren offenbar völlig ausreicht, um das Neueste vom Neuen zu präsentieren. Der Prospekt der Mediamärkte und Saturns dieser Republik sollte eigentlich auch nur alle zwei Jahre erscheinen. Das wäre bestimmt lustig und würde den Altpapierberg erheblich schrumpfen lassen.
Guido Augustin
Kolumnist für stern.de seit 1997 - und das A der H&A medien: Redaktion, Public Relations und Online-Konzepte.
Kaum auf dem Gelände, erfährt die Reise in die Zukunft einen herben Dämpfer. Offenbar wollen an diesem Tag mehr Journalisten als Fach- oder sonstige Besucher rein, man könnte meinen, am Presseschalter gibt es Begrüßungsgeld, so lange ist die Schlange. Und man könnte meinen, Journalisten sind nicht erwünscht, zumindest nicht vor elf Uhr. Denn was Herr Müller und Herr Schneider da praktizieren, erinnert an Grenzkontrollen in absolutistischen Staaten. Fehlt nur noch, dass, wie in Asien zur Sars-Zeit, die Körpertemperatur der Einreisenden gemessen wird.
"Wenn ich ihn zu lange nicht beachte, meldet er sich ab"
Es dauert eine volle Stunde, bis die 15 Menschen vor mir abgefertigt sind. Keine Ahnung warum. Am Computer kann es nicht liegen, denn Herr Müller erklärt nach hektischen Mausbewegungen mitleidsheischend: "Wenn ich ihn zu lange nicht beachte, meldet er sich eben ab". Was er wohl in der Zwischenzeit mit meinen Kollegen getrieben haben mag? Bemeißelte Schiefertafeln waren nicht zu erkennen. Nebenan bemüht sich ein ARD-Kameramann um Einlass: "E-Mail-Adresse?" - "Schäfer at …" - "Schäfer mit a-e?"
Kaum geschafft, regnet es Goodies: Blinkende Pins, die am Abend zu Hause Gebliebene fast zur Erblindung treiben, Gutscheine, Gewinnspiele, Tüten und anderer Schnickschnack für die Jäger und Sammler unserer Tage. Dazwischen an allen Ständen beeindruckende Großflachfernseher. Das ZDF zeigt hochauflösendes Fernsehen, HDTV, dass "naja, so um 2009" kommen soll. Da bin ich ja mal gespannt, ob HDTV kommt, bevor das ZDF geht, was dann vom ZDF noch übrig ist und ob nicht längst ein anderer Standard HDTV überholt hat.
Das digitale Wohnzimmer
Thema allerorten: das digitale Wohnzimmer. So recht erklären kann das noch niemand, aber die verschiedenen Unterhaltungsmaschinen werden zusammen wachsen, so viel steht fest: PC, Stereoanlage, Fernseher, Telefon, Internet, MP3-Player, Digicam und so weiter sollen zentral gesteuert werden. Spannendes Thema, das Rennen ist offen. Womöglich wird es diesmal noch schlimmer als mit Homevideo, als drei Systeme antraten und sich manch einer verzockte. Blöd nur, dass heute niemand weiß, was sich durchsetzen wird. Das schafft Vertrauen und wird die Kaufbereitschaft sicher stark erhöhen.
An vielen Ständen wird das schon vorgeführt oder zumindest versucht: Surfen über die Fernbedienung am TV, Filme laden, Musik saugen, Bilder gucken. Wenn das nicht funktioniert, kommt der achselzuckende Hinweis auf Microsoft-Technologie, die billigste aller Ausreden für technische Aussetzer. Eins steht schon heute fest: Digitales Wohnzimmer bedeutet, künftig bei Systemabstürzen die Wut nicht mehr am PC, sondern direkt am sündhaft teuren Plasma-Fernseher abzureagieren.
Das ist Fortschritt.