Kolumne - Neulich im Netz Heile heile Mäusespeck: Der Blasenkatarrh

Endlich, die fünfte Jahreszeit. "Kommt mit zum Dom, ich zeig' euch meine Glocken", keucht die geile Kerstin, streckt ihre nackten Nippel in den kalten Winterhimmel über Köln und lässt ein Rudel Mönche in Ehrfurcht erstarren.

Gut gemacht, Kerstin. Stramm sollen sie stehen, die Kirchenbrüder. Und Benni, die Kuh, nicht vergessen. Kerstin: "Kalt hier in Köln. Meine Hände sind schon ganz steif." Benni: "Sei froh, dass es nur die Hände sind." Genug geredet. Jetzt kennen lernen. Mit Zunge. Benni ist 19 und Dachdecker. Kerstin ist halbnackt im Fasching und wird ihre Krankenkasse demnächst wohl viel Geld kosten. Für Deutschlands vier Buchstaben schreibt sie ein Karnevalstagebuch, mit dem sie ihren in Berlin zurückgelassenen Freund zu ärgern gedenkt. Und wie sich erst Kerstin ärgern wird, wenn sie mit Blasenkatarrh und erkältet wieder vor der Wohnungstür in Kreuzberg steht und feststellt, dass ihr Freund während ihrer Abwesenheit das Schloss ausgetauscht hat.

Blödenkatarrh

Die närrischen Tage, mal Fastnacht, mal Fasching, mal Karneval genannt, sind eine großartige Gelegenheit, um einmal etwas ganz besonders Verrücktes zu machen. Sechs Tage lang Vollgas mit blöd aussehen, blöd quatschen, blöde Leute kennen lernen und nach dem Brechen weitertrinken. Auch wenn es etwas bitter schmeckt. Doch wie sang schon der legendäre Ernst Neger: "Heile, heile Gänschen, es wird bald wieder gut, die Katze hat ein Schwänzchen, es wird bald wieder gut. Heile, heile, Mäusespeck, in hundert Jahren ist alles weg."

Thomas Hirschbiegel

Kolumnist für stern.de seit 1997 - und das H der H&A medien: Redaktion, Public Relations und Online-Konzepte.

Mainz, Rosenmontag, kurz vor Mittag. Erwin, Gerd, Ruth und Annette sind bereits supergut drauf. Alles optimal, Logenplatz mit Balkon im vierten Stock und Schaumwein bis zum Abwinken. Wahnsinnsstimmung, dazu jede Menge Feuerwerk. Jetzt die Donnerschläge, die einem fast das Trommelfell in die Milz treiben. Spitzengaudi. Lunte, Feuer, weg damit. Dumm nur, dass ein Donnerschlag auf der Schulter eines Rosenmontagsbesuchers explodiert. Da hilft auch die Lederjacke nichts. Der Kerl blutet wie ein Schwein. Dumm für ihn. Erwin, Gerd, Ruth und Annette bekommen das nicht mit. Sie sind so voll, dass sie es nicht einmal merken würden, bräche der Balkon unter ihren Füßen weg.

Zu Tode geschluckt

Vor einigen Jahren starb ein Rosenmontagsbesucher beim Versuch, sich auf seiner Ausnüchterungsliege aufzurichten. Er stürzte kopfüber in den zur Aufnahme von Erbrochenem gedachten Plastikeimer. Im Eimer befand sich etwas Wasser. Das wurde dem armen Schlucker zum Verhängnis. Er ertrank.

Doch all dieses Grauen ist nichts gegen das, was die öffentlich-rechtlichen Sender mit den Übertragungen der Fernsehsitzungen aus den Hochburgen der Narretei anrichten. Mike Krüger und Thomas Gottschalk machten eine Sorte Witz populär, der so schlecht ist, dass er wehtut. Die Witze der Fernsehfastnacht sind noch schlimmer, und außerdem schlafen dabei die Füße ein. Eine für ihre wohlüberlegten Kommentare bekannte Bekannte ist davon überzeugt, dass Fastnacht, Fasching und Karneval das Werk Außerirdischer ist. Das könnte eine Erklärung sein.

<a class="link--external" href="mailto:stern@ha-net.de">Thomas Hirschbiegel</a>

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