Kolumne: Neulich im Netz Das Toupet mit den drei Streifen

Morgens, 9 Uhr in Deutschland. Der City Region Awareness Manager Interactive Technologies des internationalen Halbleiterkonsortiums öffnet die Tür zu seinem Büro. Seine leicht geduckte Haltung verrät seine Furcht. Nicht unbegründet.

Morgens, 9 Uhr in Deutschland. Der City Region Awareness Manager Interactive Technologies des internationalen Halbleiterkonsortiums öffnet die Tür zu seinem Büro. Seine leicht geduckte Haltung verrät seine Furcht. Nicht unbegründet.

Wie die drei Streifen ins Toupet kamen

Denn kaum tritt er über die Schwelle, springt eine Turbine an, die den über Nacht ausgekühlten Raum in 14 Sekunden auf 25,7 Grad temperieren wird. Genau, wie es der Manager am liebsten hat. Am liebsten hätte er auch sein Toupet wieder, doch das hat es ihm vom Kopf gerissen. Das teure Teil landet auf den Schienen, über die sich das ergonomische Touchscreen gerade in die Position bewegt, die der Manager bevorzugt, um seine Bildschirmzeitung zu lesen. Jetzt hat er das Haarteil mit den drei Streifen und fühlt sich wie ein Superstar. Auch, weil der Bodenvibrator eine Idee zu früh auf Fußmassage geschaltet und ihn derart in Wallung gebracht hat, dass seine Plombe aus der vordigitalen Zeit ausfällt. Die dental-dynamische Telefonanlage versteht sofort und stellt eine Verbindung mit dem besten Zahnarzt der Stadt her. Vergeblich, denn dessen Fingerabdruckschließanlage hat ihm heute Morgen den Zugang verwehrt.

Guido Augustin

Kolumnist für stern.de seit 1997 - und das A der H&A medien: Redaktion, Public Relations und Online-Konzepte.

Gar nicht so convenient...

Derweil haben die vielen elektromagnetischen Wellen, auf denen sich die unzähligen Geräte und Gadgets im Büro des Managers unterhalten, das Hirn ihres Herrn so weit erhitzt, dass die Raum- und Licht-Sensorik in kurzen Stakkati die Kühlturbinen anwirft, die Jalousien Jojo fahren und die elektronischen Bilder an den Wänden die vier Jahreszeiten durchjoggeln. Erschöpft fällt der Manager vor seinen Sessel, der sich gerade zurück bewegt hat, um ihm ein entspanntes Einsteigen zu ermöglichen. Der Tageskalender auf dem hauchdünnen Touchscreen zeigt seinen Tagesablauf, eine charmante Stimme liest dazu vor: 10.15 Uhr: Marketingmeeting mit dem Convenient Sales Department: "11.00 Uhr: Convenient Meeting mit der International Product Development Unit Western Europe. 12.00 Uhr: Mit der drallen Rita Pasta-Essen beim Dickebacken-Italiener." In roter Schrift und mit besonders süßer Stimme. Schlechtes Timing, denn gerade jetzt schaut seine pralle Gattin, die der Tragödie ersten Teil vom Vorzimmer aus verfolgt hatte, ihm über die Schulter. Seine Technikbegeisterung sinkt auf den Nullpunkt, was das intelligente System selbstredend registriert und veranlasst, ihn mit einer spontan komponierten Hymne auf die Segnungen des Siliziums zu trösten. Vergeblich. Die Körpertemperatur steigt, die Turbine dröhnt.

Feeling blue im BlueSpace

Derweil setzt die Gattin mehr auf die Vorzüge von Magnesium-ummantelten Minischirm-Knäufen und verlässt dann den BlueSpace. Keine Frage, die neueste Idee von IBM und dem Büroeinrichter Steelcase schafft erstrebenswerte Visionen. Oder wie heißt es so schön in der BlueSpace-Meldung: "Erst eine perfekte Integration von Architektur, Technologie und Einrichtung sorgt dafür, dass sich der Einzelne am Arbeitsplatz psychisch und physisch wohl fühlt und dadurch Höchstleistungen im gesamten Team-Netzwerk erbringen kann." Zu sehen auf der Cebit in Halle 1 am IBM-Stand. Ohne Toupet.

<a class="link--external" href="mailto:stern@ha-net.de">Guido Augustin</a>

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