webreporter Webseiten-Entführer

Wen oder was entführt ein Hijacker im Internet?

Wen oder was entführt ein Hijacker im Internet? Genau: Webseiten. Bei dem beliebten Online-Spiel beweisen die Adressmaulwürfe, auch »Domaingrabber« genannt, großen Ehrgeiz. Doch beginnen wir von vorn. Das Schönste am Internet sind die Adressen. Man sucht etwas über Diamanten, möglichst auf Deutsch, und versucht es mit der URL diamant.de. Es funktioniert! Aber dann folgen die Überraschungen, man gibt »geschenke.de« ein, weil Diamanten zu teuer sind, und landet huch, wie konnte das geschehen? auf der Seite von Condomi. Das sind die mit den geschmackvollen Billy-Boy-Parisern.

Tippt man beispielsweise berlinersenat.de ein, wird man zu berlin.de weitergereicht. Hat man an berliner-senat.de gedacht, wird man mit dem Rechtsstreit zwischen dem »Senat von Berlin« und der Firma »b-connect« konfrontiert. Auch die SPD stellte während des 98er Wahlkampfes kurzfristig ein digitales Umleitungsschild unter www.liberale.de auf, während die FDP online ausschließlich unter www.liberale.de zu erreichen war. Auch Gerhard-Schroeder.de leitete zur Verwirrung der User zum CSU-Abgeordneten Helmut Jawurek aus der Oberpfalz. Seither besitzt Schröder nicht nur Baustellen in Berlin, sondern auch unter genannter Adresse im Web.

Fälle, in denen Firmen ihre Domain nicht schnell genug registriert haben, beschäftigen zunehmend die deutschen Gerichte. Da verklagte die Deutsche Bahn AG den Besitzer der Domain hauptbahnhof.de und von Bahnauskunft.de. Den Musiksender MTV erreicht man unter mtvhome.de weil sich unter mtv.de schon die Main-Taunus-Verkehrs-GmbH eingenistet hatte. Doch gerade der letztgenannte Fall zeigt, es geht auch einfach: Die Verkehrs-Gesellschaft setzte einen Link zum Musiksender und beide Domainanwärter sparten die Gerichtskosten. An denen aber verdient ein Rechtsanwalt wie Freiherr von Gravenreuth. Der schoss 1999 den Vogel ab, indem er ein Dutzend Personen abmahnte, die den Begriff »Webspace« im Zusammenhang mit einer gewerblichen Aktion im Netz verwandten. Im Auftrag seines Mandaten, der sich die Marke »Webspace« beim Deutschen Patentund Markenamt eintragen ließ, argumentiert der Rechtanwalt Gravenreuth, »Web« sei wörtlich mit »Netz« und sinngemäß mit »Internet« zu übersetzen. »Space« stehe für »Raum«, und deshalb gebe es keinen »Netzraum« oder »Internetraum«. Auch in 14 untersuchten Fachlexika sei der Begriff nicht zu finden. Begriffe aus dem Internetsprachgebrauch, die sie für sich patentieren ließen, bewerten Gravenreuth und Mandant mit sagenhaften 50.000 Mark. Die fordern sie für sich, das heißt, jeder Abgemahnte müsste knapp 1.300 Mark an die Wort-Besitzer zahlen. Noch sind die deutschen Juristen nicht immer vertraut mit der Materie des »Netzraums«, den es ja dank Gravenreuth nicht gibt. Die bisher gefällten Urteile zeigen jedoch: Auch in der Weite des Netzes stoßen immer mehr Pleitegeier und Aasfresser an die Grenzen des Webhorizonts.

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