Das Angebot aus dem Fax hört sich verlockend an: "Wir suchen ständig Damen und Herren jeden Alters für Fernsehserien: Hauptdarsteller, Nebendarsteller, Statisten, Komparsen." Darunter die Aufforderung "Bewerben Sie sich unter 0190-015111". Wer die Nummer wählt, erhält statt einer Einladung zum Casting aber nur belanglose Adressen von Film- und Fernsehstudios zurückgefaxt. Sensationell war lediglich der Preis für diesen Service. Unten rechts auf dem Werbefax versteckt sich klein gedruckt die Angabe: "0,93/Min. Berechnung erfolgt im Stundentakt." Jeder Anruf kostete also erst mal 55,80 Euro.
Laut einer Umfrage von www.tarif-express.de unter mehr als 1000 Internetnutzern empfangen 45 Prozent mehrmals wöchentlich so ein Werbefax mit der Aufforderung, teure 0190-Nummern anzuwählen, 18 Prozent sogar mehrmals täglich. Der Trick ist stets der Gleiche: Die Betreiber versenden die Werbefaxe wahllos an möglichst viele Geräte. Sie locken mit "Fabrikverkauf", "Traumpartner" oder - ganz dreist - als angeblicher "Interessenverband zur Bekämpfung der Faxwerbung" und fordern die Empfänger dazu auf, weitere Informationen unter einer 0190-Nummer abzurufen. Meist folgt auf die 0190 eine 8, das bedeutet: Der Faxabruf kostet pro Minute 1,86 Euro. Die Informationen, die man so teuer bezahlt, seien "meist aber nur banales Zeug, aus der Zeitung oder dem Internet", sagt Evelyn Kessler von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg.
Im Internet
www.optimasoftware.de: Preisgekrönte Infoseite für geschädigte Faxnutzer
Verwirrspiel
Wer steckt hinter den Faxen? Fragt man die staatliche Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RegTP), an wen sie etwa die Faxnummer für die Suche nach TV-Darstellern vermietet hat, erhält man zur Auskunft: an KomTel, eine Telefongesellschaft mit Sitz in Flensburg. Die behauptet ihrerseits wieder, die Nummer an ServaTel im hessischen Lich untervermietet zu haben. ServaTel gibt zu, die Faxabrufe mit den TV-Adressen zwar versandt zu haben, doch nur im Auftrag der Firma Mediastar: Die habe die 0190-Nummer von ihnen gemietet. Wer schließlich nach Mediastar fragt, bekommt von ServaTel eine Postadresse im britischen Feltham, Middlesex genannt. Eine solche Firma ist allerdings weder bei der Auslandsauskunft noch den Internet-Suchmaschinen bekannt - offensichtlich also eine Strohfirma, nur dazu da, die Spur im Ausland versanden zu lassen.
Die Faxversender spekulieren darauf, sich mit ausländischen Adressen dem Zugriff der deutschen Justiz entziehen zu können. Werbefaxgegner wie Harald Jeschke, 44, Geschäftsmann aus Neustadt an der Weinstraße, sind aber davon überzeugt, dass die ominösen Betreiber alle von Deutschland aus operieren. "Keiner von denen sitzt im Ausland", sagt er.
Zwei drittel der gebühren für den Versender
Nach Angaben eines Insiders, der selbst Werbefaxe versandt hat, fallen immerhin zwei Prozent der Empfänger auf den Trick herein und wählen die angegebene 0190-Nummer. Das freut den Faxversender, denn die Telefongesellschaft überweist ihm zwei Drittel der horrenden Gebühren. Doch selbst wer den Braten riecht, hat allen Grund, sich zu ärgern: Das Faxgerät wird blockiert, man muss den Müll aussortieren, zudem Papier und Druckerpatrone bezahlen. Geschäftsmann Jeschke wollte sich diese Belästigungen nicht mehr gefallen lassen. Er ermittelte die tatsächlichen Absender und klagte gegen sie vor dem Amtsgericht Frankfurt auf Schadensersatz. Jeschke legte dem Gericht unter anderem das Fax "Fabrikverkauf!" vor, das zum Faxabruf unter der Nummer 0190-8277050 aufrief. Die Nummer hatte die Münchner Firma Extracom von der Regulierungsbehörde gemietet und weiter vermietet an ServaTel, die ihrerseits die Nummer der Firma CSR mit Sitz Frankfurt überließ. Als Absender auf dem Fax stand jedoch wieder eine britische Firma namens QBS Quayside Business. Doch auf diesen Bluff fiel das Gericht nicht herein. Es hielt sich an die letzte deutsche Adresse, die Firma CSR, und verurteilte deren Geschäftsführer Florian Janssen zur Zahlung von 140 Euro Schadensersatz. Janssen bestritt zwar, der Absender zu sein, doch die Indizien sprachen gegen ihn: So kassierte er allein im April letzten Jahres 49.140 Euro und im Mai weitere 49.731 Euro über die angegebene 0190-Nummer.
Information
Entscheidend ist die Zahl, die hinter der 0190 steht. Die Gebühren laufen so lange, wie das eigene Fax für den Abruf braucht. Die Anbieter senden oft mit vielen Grafiken und niedriger Übertragungsrate, damit es möglichst lange dauert:
0190-4, 0190-6: 0,41 Euro pro Minute.
0190-1, 0190-2, 0190-3 und 0190-5: 0,62 Euro pro Minute.
0190-7, 0190-9: 1,24 Euro pro Minute.
0190-8: 1,86 Euro pro Minute.
0190-0: Preis vom Anbieter frei wählbar.
0900: Preis vom Anbieter frei wählbar.
Die Rechtslage ist nach Ansicht des Amtsgerichts Frankfurt eindeutig: "Die Zusendung von Werbematerial per Fax ohne Einverständnis des Empfängers" stellt einen Verstoß gegen das Wettbewerbsgesetz dar und "eine Verletzung des Eigentums durch Benutzung des Telefaxpapieres und der Druckerpatrone". Jeschke, der vor Gericht stets ohne Rechtsanwalt auftritt, ist in seinem Kampf gegen die "Fax-Mafia" offenbar erfolgreicher als die mächtigen Verbraucherzentralen: "Die haben sich auf die falsche Fährte locken lassen und führten Klagen im Ausland."
Regierung handelt
Das Versteckspiel der Faxanbieter hat auch die Bundesregierung als Problem erkannt. Im April verabschiedete das Kabinett einen Gesetzesentwurf, der die Anbieter der 0190-Nummern zwingt, ihre Adresse der RegTP mitzuteilen. Die Behörde muss künftig jedem Bürger auf Anfrage die Adressen der Anbieter innerhalb von zehn Werktagen mitteilen. Für die neuen 0900-Nummer, die seit Anfang dieses Jahres die 0190-Nummern abzulösen beginnen, soll eine Datenbank eingerichtet werden, in der die Adressen aller Endanbieter stehen. Wenn der Bundesrat in seiner letzten Sitzung vor der Sommerpause zustimmt, kann das neue Gesetz bereits im August in Kraft treten.
Unternehmensberater auf Verbrecher-Fang
Die umfassendsten Informationen über die Versender von Werbefaxen hält Peter Singer bereit. Der Unternehmensberater aus dem schwäbischen Albershausen recherchiert seit zwei Jahren den Betreibern hinterher. Singer macht Unternehmen Vorschläge, wie sie interne Abläufe verbessern können - schon deshalb ärger ihn die Werbefaxe im Büro. "Die fressen nur meine Zeit."
Er veröffentlicht nicht nur die Absender und ihre Verbindungen untereinander, sondern liefert auch Adressen und Musterbriefe zum Verfassen eigener Abmahnungen.