Erstmals ist in Deutschland ein Ring von Pädophilen gesprengt worden, der Kinderpornografie per Mobiltelefon verbreitet hat. Bei 465 Razzien in ganz Deutschland seien Zehntausende Telefone, Computer und Datenträger beschlagnahmt worden, teilten Polizei und Staatsanwaltschaft in Kassel mit. Festnahmen habe es bei der "Operation Susi" nicht gegeben. "Es ist nicht der größte Fall in der deutschen Geschichte, aber er hat eine ganz außerordentliche Dimension. Und zum ersten Mal sind MMS (Bild-SMS) im großen Umfang zur Verbreitung genutzt worden", hieß es von der Staatsanwaltschaft.
Stichwort MMS
Die MMS ist so etwas wie die große Schwester der SMS. Können per SMS (Short Message Service) nur mühsam eingetippte Textmeldungen mit höchstens 160 Zeichen vom Mobiltelefon auf andere Telefone geschickt werden, kann der Multimedia Messaging Service viel mehr. Die Texte können nicht nur länger sein, der Nutzer kann auch Bilder oder Musik auf ein Handy oder einen Computer schicken. Die meisten Mobiltelefone sind mittlerweile MMS-fähig. So können zum Beispiel Schnappschüsse mit der Handykamera aus dem Urlaub gleich an Freunde verschickt werden. Dass der Bildservice auch im größeren Maßstab für die Verbreitung von Kinderpornografie eingesetzt wird, ist jedoch neu.
"Wir haben die Daten sehr akribisch ausgewertet und schnell erkannt, welchen Umfang die ganze Sache hat", sagt Achim Kaiser, der Chef der Kriminalpolizei in der Kreisstadt Homberg. Seit Sommer seien ständig vier Mitarbeiter an dem Fall gewesen, die zuerst die Mobilnummern geprüft und dann mit Daten der Meldeämter abgeglichen hätten. Der Verdacht erhärtete sich, dass die Verdächtigen per MMS, also Bildnachrichten auf Handys, Pornos mit Kindern hin- und herschickten.
Dann gingen die Aktenberge an die Kasseler Staatsanwaltschaft. "Dank der fantastischen Leistung der Polizei wurde es überhaupt erst möglich, für 465 Fälle einen Durchsuchungsbeschluss zu bekommen", sagt Oberstaatsanwalt Hans-Manfred Jung. "Jeder Verdächtige, jede Akte musste geprüft werden. Und wir mussten überall zugleich zuschlagen." Denn die Pädophilenszene sei gut vernetzt. "Dann kommen wir und finden Computer, dessen letzter Befehl gerade "Datei löschen" war."
465 dasselbe Muster
Doch die 1000 Polizisten, die am Dienstag und Mittwoch die fast 500 Wohnungen durchsuchten, wurden fündig: Mehr als 600 Mobiltelefone, 321 Computer, 2197 Festplatten, USB-Sticks und Speicherkarten und 16.282 CDs und DVDs wurden beschlagnahmt. Die Aktionen liefen 465 Mal nach demselben Muster ab: "Wir klingeln, präsentieren den Durchsuchungsbeschluss und beschlagnahmen Computer und Speichermedien. Bei uns haben sich alle Verdächtigen kooperativ gezeigt", sagt Quanz. Dennoch habe es immer eine "Nachschau" gegeben, meistens über Stunden: "Selbst in einer Ein-Zimmer-Wohnung kann man eine kleine Speicherkarte überall verstecken. Ein Haus mit 200 Quadratmetern ist dann richtig kompliziert."
Die Masse der Datenträger müsse zwar noch ausgewertet werden, aber schon jetzt habe sich der Verdacht in vielen Fällen bestätigt. Der jüngste der Verdächtigen ist gerade 20, der älteste 83 Jahre alt. Auch etwa 20 Frauen sind unter den Ermittelten. Details will Quanz nicht nennen: "Die Verdächtigen haben viel auszuhalten, bei der Familie, bei Freunden und Nachbarn. Wenn wir einen Ort nennen und da wurde zufällig wegen Steuerhinterziehung durchsucht, wird der seines Lebens nicht mehr froh."
Verständnis können Täter von den Polizisten nicht erwarten. "Es sind nur Bilder. Doch Bilder müssen gemacht worden sein und dafür wurde ein Kind, wurden Hunderte Kinder misshandelt, gequält und dauerhaft an ihrer Seele verletzt", sagt ein Polizist. Wer solche Bilder hat, muss mit zwei Jahren Haft rechnen, bei Verbreitung können es sogar fünf sein. "Es sei denn, er hat Kinder gezielt für die Aufnahmen missbraucht", sagt Staatsanwalt Jung. "Dann spielen wir strafrechtlich in einer ganz anderen Liga."