Editorial Iran-Konflikt: kein deutscher Alleingang

Liebe stern-Leser!

Die Regierungsparteien beschäftigt ein Thema, das im Koalitionsvertrag nicht geregelt ist: Wie soll sich Deutschland gegenüber dem Iran verhalten? Anfangs sah es noch so aus, als ginge es bei dieser Frage um Parteipolitik. Einige Sozialdemokraten krittelten an der Kanzlerin herum, weil sie Parallelen zwischen den Nazis und den Holocaust-Reden des iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad gezogen hatte. Auch damals seien die Parolen der Nazis als Rhetorik abgetan worden, hatte die Kanzlerin angemerkt. Sogleich argwöhnten führende Genossen, mit diesem Argument wolle Merkel einen Militärschlag gegen den Iran vorab billigen. Platzeck und andere aus der SPD-Führungsriege sperren sich gegen jede militärische Option. Merkel dagegen möchte gar nichts ausschließen, um die Drohkulisse aufrechtzuerhalten. Das riecht nach Wahlkampf. Ende März wird in drei Bundesländern abgestimmt, da reizt es die Genossen, ein bisschen zu schrödern: Was beim Thema Irak geklappt hat, könnte auch beim Iran funktionieren.

Doch abseits

des innenpolitischen Geplänkels kommt die Frage Krieg oder Diplomatie jetzt mit beängstigender Ernsthaftigkeit auf uns zu. Das Pentagon prüft Strategien für Luftschläge gegen iranische Atomanlagen. Und auch die Israelis sind offensichtlich nicht gewillt zu warten, bis iranische Wissenschaftler tatsächlich Atombomben hergestellt haben und Luftangriffe eine verheerende nukleare Verseuchung nach sich ziehen würden. Raketen gegen den Iran wären jedoch auch ohne Fallout eine Katastrophe! Sie würden den heiligen Zorn der gesamten islamischen Welt provozieren. Dennoch muss die Weltgemeinschaft Militärstrategien in die Drohkulisse einbauen. Einfach, weil niemand weiß, welche Ziele der iranische Präsident wirklich verfolgt. Braucht er atomare Sprengköpfe für einen wahnwitzigen Plan, Israel zu vernichten - oder weil das Land Angst hat und Angreifer abschrecken will? Oder will er die Iraner bloß mit neuem Selbstbewusstsein ausstatten, was seine Macht auf Jahre hinaus sichern würde?

Schröder hat von Anfang an

den Irak-Krieg abgelehnt. Im Grundsatz eine richtige Position, deren öffentliche Verkündung im Spätsommer 2002 allerdings unklug war, weil er damit die Phalanx der Vereinten Nationen sprengte. Damals wollte der Sicherheitsrat noch keine Option ausschließen. Präsident Bush aber kümmerte sich ohnehin nicht um die Meinung der UN und marschierte mit den Briten gegen Bagdad. Wegen der ungeheuren Kriegskosten und des weltweiten Imageschadens gibt es jetzt einen Hoffnungsschimmer, dass sich die US-Regierung beim Thema Iran dem Völkerrecht und dem Willen des Sicherheitsrates unterwirft. Und auch die Große Koalition in Berlin sollte die Lehren aus Schröders Alleingang ziehen und in den Reihen der Vereinten Nationen bleiben. Denn der Unterschied zwischen Irak und Iran ist gravierend. Saddam Hussein hatte keine "smoking gun". Ahmadinedschad baut gerade eine!

Was die Bundeskanzlerin über den Iran, den Holocaust-Leugner in Teheran und einen Krieg denkt, lesen Sie im großen stern-Interview ab Seite 28.

Herzlichst Ihr

Andreas Petzold

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