Der Tag, an dem mich die Teenagerin folterte, begann mit einem platten Fahrradreifen. Ich wühlte mich im Olaf'schen Garagenchaos durch Starterkabel und Schneeschaufeln, blieb aber auf meiner Suche nach der Hightech-Luftpumpe erfolglos. Zum Olaf, der mit unserem kleinen Sohn an den Fluss gewandert war, damit ich "Zeit für mich" haben konnte, drang ich nicht durch. Besetzt. Radfahren fiel also aus. Den netten Nachbarn, der alles rund ums Rad in beschrifteten Kisten in seiner Garage sortiert hat, traute ich mich in Corona-Zeiten nicht um Luft zu bitten. Laufen. Ich würde laufen gehen. Mein Zeitfenster, in dem ich ohne Kinder und Verpflichtungen war, anders nützen – Hauptsache draußen, Hauptsache in Bewegung, Hauptsache weit weg vom Kühlschrank.
Auf dem Weg in den Wald begegnete ich dem Olaf am Fluss, der noch immer das Telefon am Ohr hatte. Unser Sohn warf mit Steinen. Sobald ich näherkam, beendete der Olaf das Telefonat. Ich schimpfte ein bisschen mit ihm, beklagte mich über die Unordnung in der Garage und erfuhr, dass die Hightech-Pumpe in der Weihnachtskeksschachtel auf dem Gepäckträger der Vespa zu finden gewesen wäre.
Ich lief in den Wald, ließ den Olaf hinter mir und zweigte nach einigen Metern vom Weg ins Unterholz ab, um keinem Covidianer zu begegnen. Meine Gedanken waren bei der Keksschachtel in der Garage, als ich über eine Wurzel stolperte, in Zeitlupe zu Boden ging, mich mit der linken Hand abfing und dabei zusah, wie mein Ringfinger unter meinem Gewicht wegknickte und im rechten Winkel zum Mittelfinger wieder zum Stillstand kam. Adrenalin schoss durch meinen Körper, ich rappelte mich auf, richtete den Finger wieder gerade und wäre wohl weitergelaufen, hätten mich nicht Übelkeit und Durst in die Knie gezwungen. Der Finger tat nicht weh, er ließ sich zwar nicht bewegen, aber der Ringfinger gehört sowieso nicht zu den wichtigsten Fingern an der Hand. Das dachte ich noch, bevor mir schwarz vor Augen wurde und ich mich flach auf den Waldboden legte.
Der Olaf holte mich eine halbe Stunde später aus dem Wald. Inzwischen war der Finger angeschwollen. Im Spital wurde ein Bruch festgestellt und ich bekam einen Gips verpasst, der sich bis zum Ellbogen zieht.
Die Wombi, die zuhause auf ihren Bruder aufpasste – das heißt, sie hatte sich mit ihm "Dumbo" angeschaut – setzte ein sorgenvolles Gesicht auf, als sie meines Gipses ansichtig wurde. Ich sah als Ganzes ramponiert aus. Mein neongelbes Lauf-Shirt war vom Liegen auf dem Waldboden gespickt mit Baumnadeln, Erdkrümeln und zerquetschten Ameisen. "Iiiiiiiiiiiiii", begrüßte mich meine Tochter, "du solltest dich waschen. Deine Haare hätten es auch nötig." In diesem Punkt gab ich ihr Recht. Im Internet hatte ich in einer schlaflosen Nacht darüber gelesen, dass die Isolation die beste Zeit sei, um seinen Körper von innen und außen zu reinigen. Es wurde von einer Schönheitswissenschafterin empfohlen, sich nur ein Mal pro Woche die Haare zu waschen. Dieses "Aushungern" würde zu mehr Glanz, Fülle und Schwungkraft führen. Der Tag, an dem ich mir den Finger brach, war der siebte ohne Shampoo gewesen. Die Haare klebten tranig an meinem Kopf und bewegten sich selbst im Wind keinen Millimeter.
"Ich werde dich waschen!", verkündete die Wombi, "und zwar alles an dir". Es klang wie eine Drohung. Aber was blieb mir anderes übrig?
"Das hältst du schon aus!"

Den frisch gegipsten Arm hochgestreckt wie ein Turmspringer vor dem Absprung, saß ich im warmen Schaumbad und wartete auf ein Zeichen der Wombi, wann sie mit dem Haarewaschen beginnen würde. Sie sparte sich das Zeichen, und als mir der heiße Brausestrahl fast die Kopfhaut verbrühte, schrie ich kurz auf: "Das ist viel zu heiß." Die Wombi lachte wie ein Folterknecht. "Das hältst du schon aus", antwortete sie, "wenn das Wasser nicht die richtige Temperatur hat, bleibt der ganze Dreck in den Haaren – und davon hast du reichlich." Dazwischen fand es der Olaf witzig, mir "zur Abkühlung" einen Zahnputzbecher voller eiskalten Wassers über den Kopf zu leeren. Wombi und Olaf jauchzten vor Freude, als ich zusammenzuckte. "Seid ihr übergeschnappt?!", rief ich. "Wir machen doch nur Spaß", sagte die Wombi und schamponierte mir die Haare so liebevoll ein, als hätte ich schmutzige Wäsche am Kopf, die sie ordentlich durchwringen musste. "Du tust mir weh", sagte ich zerknirscht. "Das ist nicht meine Schuld, dass deine Haare so schmutzig sind", verteidigte sich die Wombi. "Friseurin wirst du keine", flüsterte ich. Sie hatte es gehört und hielt den Strahl Wasser, der das Shampoo auswaschen sollte, frontal über meinen Kopf, sodass das Schaumwasser direkt in meine Augen lief. Das brannte höllisch. "Hör sofort auf damit", kreischte ich. "Gleich ist es vorbei", sagte sie. Es war noch lange nicht vorbei.
Als ich wie ein begossener Pudel mit einem Muskelkrampf im Oberarm vom Gipsarmhochhalten aus der Wanne kletterte, wartete die Wombi mit einem viel zu kleinen Handtuch auf mich. Ich trocknete mich einhändig ab. "Das ist ein Handtuch", sagte ich, "wie der Name schon sagt, wird es für die Hände verwendet."
Der Wombi platzte der Kragen. "Bitte sehr, ich wollte nur nett sein, aber dir ist nichts recht. Ich werde mich nicht mehr aufdrängen, dir zu helfen."
Ich atmete auf. In vier Wochen kommt der Gips herunter. Wenn ich mir dann, nach vier Wochen Shampoo-Abstinenz, die Haare wasche, werden sie glänzen wie Lack und hüpfen wie Sprungfedern. Vielleicht entsteht in der Zwischenzeit neues Leben auf meinem Kopf, vielleicht werden wissenschaftliche Arbeiten aus meinem Experiment hervorgehen. Alles ist möglich. Nur eines nicht: Dass mir die Wombi noch einmal die Haare wäscht.