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C. Tauzher: Die Pubertäterin Warum mir ein sturer Teenager lieber ist als ein stinkender

Frau hält sich die Nase zu
Beim eigenen Körpergeruch gibt es in der Pubertät bisweilen deutliche Unterschiede zwischen Innen- und Außenwahrnehmung
© Aramyan / Getty Images
Christiane Tauzher erlebt mit ihrer Teenager-Tochter alle Facetten der Pubertät aus nächster Nähe. Doch was ihr eine Freundin von ihrem Sohn erzählt, kennt Tauzher gar nicht: Das pubertierende Kind stinkt. So sehr, dass selbst der Hund es kaum aushält

Manchmal telefoniere ich mit meiner Freundin Laura. Wir plaudern uns ein paar Minuten ein. Machen uns locker. Zum Aufwärmen fragt mich Laura, wie es meinem neuen Buch geht, ob der kleine Bruder der Wombi glücklich ist im Kindergarten und ob der Olaf weniger arbeitet als früher. Ich erkundige mich nach dem schönen neuen Haus, nach den Zwillingstöchtern im Volkschulalter und nach dem Familienbetrieb, den Laura alleine stemmt. Meistens ist nach ein paar Minuten der Punkt erreicht, an dem eine von uns seufzt und die andere den Faden aufnimmt. „Und sonst?“, fragt entweder sie oder ich. Das klingt beiläufig, als hätten wir das Wichtigste schon weggeplaudert, als wäre das Ende des Gesprächs eingeläutet, der Redestoff verbraucht. So wiegen wir uns ein Weilchen im Tutti-Palettismus unserer Leben. Harmlose Plänkelei unter Freundinnen. Das tut gut. Bis eine von uns die Tür zum Themenkreis „und sonst“ aufstößt, hinter der sich Schauderhaftes, Merkwürdiges, Unerklärliches, Erstaunliches und Ungeheuerliches befindet.

Christiane Tauzher: Die Pubertäterin

Seit die Pubertät unsere Tochter, die Wombi, kurz nach ihrem 13. Geburtstag in ihre Gewalt bekommen hat, halten wir die Fenster geschlossen, damit die Nachbarn nicht die Polizei rufen. Die Pubertäterin ist laut und unberechenbar, wenn sie nicht gerade wie ein Wombat schläft oder isst – was sie zum Glück oft tut.

Die Geschichten, die ich – Journalistin, 41, aus Wien, verheiratet mit Olaf, 46 – hier erzähle, handeln natürlich nicht von der Pubertäterin in meiner Familie. Nein. Sie entspringen meiner blühenden Fantasie oder stammen aus anderen Familien. Dort geht es nämlich arg zu – in den anderen Familien ...

Diesmal war ich diejenige. Ich begann mit der Kategorie „Unerklärliches“: Unsere Haustüre stand nämlich Samstag Nachmittag stundenlang offen  - nein, nicht nur „nicht abgesperrt“-offen, sondern mit-Blick-von-der-Straße-ins-Wohnzimmer-offen. Die Wombi, obwohl sie das Haus als Letzte verlassen hatte, beteuerte, nichts damit zu tun zu haben, weil sie ja nicht blöd sei und sich noch ganz genau daran erinnern könne, wie sie den Schlüssel im Schloss gedreht habe. Ja, sogar das Geräusch des sich bewegenden Schlüssels habe sie noch im Ohr. Ich hörte Laura an dieser Stelle mitfühlend durchs Telefon nicken. „Und was hast du gemacht?“, fragte sie, „hast du ihr den Hals um- oder das WLAN abgedreht?“ Ich seufzte. „Du hast nichts gemacht, oder?“, fragte sie weiter. „Doch, sagte ich. Ich habe mich abwechselnd mit dem Olaf aufgeregt. Wir sind eine Stunde panisch durchs Haus gelaufen um zu überprüfen, ob es etwas fehlt. Die Wombi hat währenddessen in ihrem Zimmer genetflixt.“

Wie es dann weiterging, wollte Laura wissen. „Sie hat sich ein paar Stunden später entschuldigt“, sagte ich,  „obwohl sie ihrer Ansicht nach nichts falsch gemacht hat. Aber sie hat es getan, damit wir zufrieden sind’.“ Laura fand, dass das doch „sehr großzügig von ihr“ gewesen sei und dass ich froh darüber sein müsste, dass unsere Tochter auf unsere Gefühle Rücksicht genommen habe. Wir lachten an dieser Stelle beide träge.

Die Geschichte, die Laura von ihrem pubertierenden Sohn zu erzählen hatte, ließ sich in der Kategorie „Schauderhaftes“ einreihen. Es kostete sie Überwindung. „Der Moritz stinkt“, flüsterte sie, „er duscht nur dann, wenn ich damit drohe, sein Smartphone zu zerstören.“ Laura ist eine wunderschöne, gepflegte Frau, die ich noch nie mit fettigen Haaren oder glänzender Haut gesehen habe. Die Vorstellung, dass ihr groß gewachsener bildhübscher Bub, der als Kind für Waschmittel warb, mit Schweißgeruch durch Lauras schönes Haus schlurfte, fiel mir schwer. „Wie meinst du das?“, fragte ich deshalb noch einmal. Als Mutter einer Teenagerin, die sich mitunter zweimal am Tag duscht, enthaart, einsalbt, fönt, besprüht, bemalt und umkleidet, konnte ich nicht glauben, dass Lauras Sohn keinen Wert auf Körperpflege legte. „Merkt er das nicht selber, wenn er schmutzig ist?“, fragte ich und vermied aus Rücksicht auf Laura ganz bewusst die Wörter „stinken“, „müffeln“, „miefen“. „Es ist ihm egal“, antwortete sie. „Aber die Mädchen“, sagte ich, „die interessieren sich doch sicher nicht für ihn, wenn er...“  Laura unterbrach mich: „Die Mädchen sind so stark einparfümiert – die sitzen in ihrer eigenen Wolke. Zu denen dringt nichts durch. Moritz sagt, es habe sich noch keine beschwert.“

Wenn schon der Hund leidet ..

Ich dachte laut nach: „Vielleicht ist es nicht so arg und es fällt nur dir auf.“ Jetzt lachte Laura schallend. „Neulich hat Billy (Lauras Dackel) an Moritz Füßen geschnuppert und zu winseln begonnen. Es IST arg.“ „Du könntest ihn heimlich waschen, während er schläft“, schlug ich vor, „zumindest die Füße und die Achseln.“ Laura schien ernsthaft darüber nachzudenken.  „Was, wenn er aufwacht?“, fragte sie ängstlich, „er ist ziemlich kitzlig.“  „Dann sagst du, dass du saubermachen wolltest und nur in der Nacht dazukommst.“ Ich fand, das klang plausibel und war nicht einmal gelogen. Laura sagte „mal sehen“ und  „vielleicht mische ich ihm Baldrian ins Abendessen, damit er durchschläft.“ Ich bestärkte sie im Baldrian-Plan. „Einen Versuch ist es auf jeden Fall wert“, sagte ich.   

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"Ich sage es jetzt zum allerallerletzten Mal! Storys aus dem fast perfekten Alltag einer Mutter", von Christiane Tauzher, Goldegg Verlag, 14,95 Euro

„Wie lange noch?“, fragte Laura bevor wir uns verabschiedeten, „was glaubst du? Jetzt sind sie 15. Bis 17? Oder länger?“ „Es geht bald vorbei“, sagte ich, „ich glaube, das Schlimmste haben wir geschafft. Über die Halbzeit sind wir schon.“ Laura sagte „Ja, wir sind im letzten Drittel“. Ich nickte. „Halte durch“, sagte ich. „Du auch“, sagte sie. Dann war Laura aus der Leitung.

Am Spielplatz schubste ich den Mini auf der Schaukel an. Er jauchzte und wollte höher und noch höher fliegen. Ich sah seine Locken, die im Wind wehten. Die so gut nach Veilchenshampoo riechen. Gedankenverloren pendelte mein Kopf im Takt der Schaukel. Wird er sich in zehn Jahren auch nicht waschen wollen?  Da stand eine Fünfjährige mit roter Erdbeermütze vor der Schaukel. Die Hände hatte sie in die Hüften gestemmt. „Ich will auch “, sagte sie, „lass mich jetzt mal.“ Die Mutter eilte mit tiefer Stirnfalte herbei und zog das Kind weg. „Tut mir leid, sagte sie zu mir und ihr Atem ging schnell, „die Selina ist in der Vorpubertät. Sie können sich gar nicht vorstellen, was wir mit ihr mitmachen.“  Das konnte ich tatsächlich nicht. Ich lächelte milde.

Vorpubertät, was für ein putziges Wörtchen. Das muss ich mir unbedingt merken.

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