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C. Tauzher: Die Pubertäterin Oktoberfest mit 15? Warum ich die Teenagerin hineinschleuste und wie ich dafür bestraft wurde

Teenies auf dem Oktoberfest
Festivitäten wie das Oktoberfest ziehen auch Teenager magisch an
© FluxFactory / Getty Images
Die Brunner Wiesn, eine österreichische Variante des Oktoberfests, zieht Teenager magisch an – obwohl Personen unter 16 eigentlich keinen Zutritt haben. Christiane Tauzher hilft ihrer 15-jährigen Tochter aufs Gelände. Das hätte sie lieber nicht getan.

Die Idee des Oktoberfests, sich zu Humptata-Musik in ein schwach beleuchtetes Kreuzfahrtschiff-großes Zelt pferchen zu lassen, schwappte vor ein paar Jahren auch nach Österreich. Unter dem Gegröle und Getrampel Tausender vibrieren  auch bei uns zu Herbstbeginn die Bretterböden. Gigantische Bierfahnen wehen unter geschmückten Zeltdächern. Es dampft aus allen Poren. Wildfremde liegen einander atemlos in den Armen. Dirndlschürzen reiben sich an Lederhosen, und das Ganze heisst „Wiesn“ bei uns.

Christiane Tauzher: Die Pubertäterin

Seit die Pubertät unsere Tochter, die Wombi, kurz nach ihrem 13. Geburtstag in ihre Gewalt bekommen hat, halten wir die Fenster geschlossen, damit die Nachbarn nicht die Polizei rufen. Die Pubertäterin ist laut und unberechenbar, wenn sie nicht gerade wie ein Wombat schläft oder isst – was sie zum Glück oft tut.

Die Geschichten, die ich – Journalistin, 41, aus Wien, verheiratet mit Olaf, 46 – hier erzähle, handeln natürlich nicht von der Pubertäterin in meiner Familie. Nein. Sie entspringen meiner blühenden Fantasie oder stammen aus anderen Familien. Dort geht es nämlich arg zu – in den anderen Familien ...

Natürlich hat das Feiern unterm Lebkuchenherz auf  junge Menschen im Wombi-Alter eine besonders starke Anziehungskraft. Sieht alles so putzig aus auf den ersten Blick: Erwachsene Menschen verkleiden sich und treffen sich zum Singen und Tanzen in einem großen Zelt. Gegen den Durst gibt’s Bier, gegen den Hunger a Schweinshaxe, bei uns Stelze genannt. Großes Unverständnis bei den Wombis, warum sie unter 16 nicht alleine auf das Wiesn-Gelände dürfen. Darunter versteht man den Vorhof zur „Hölle“, sprich das Areal rund um das Zelt, auf dem Holzbuden, Jahrmarkstände, Autodrom und Riesenrutsche für Kurzweil sorgen.)

Die Wombi, mittlerweile 15, und ihre Wombi-Freunde werden vom Vorhof magisch angezogen. Verbieten zwecklos. Ich nahm der Wombi mindestens zwanzig Versprechen ab, von „nichts trinken“ bis hin zu „von niemandem ansprechen lassen“, bevor ich meinen Sanctus gab. Die Wombi nickte zu allen Punkten ernst und hob die Hand zum Schwur. Ihr Dirndl ist seither im Dauereinsatz.

„Wie kommst du eigentlich an den Securities vorbei?“, wollte ich eines Samstagabends wissen. Es war zufällig auch mein Hochzeitstag, aber der Olaf schlief bereits neben dem Mini, und ich würde wohl die Flasche Jubiläums-Sekt später alleine öffnen müssen.

"Sobald wir drin sind, musst du aber wieder gehen"

„Man hängt sich an jemanden dran, der alt genug ist“, erklärte mir die Wombi ihre „Taktik“. Wie das genau vonstatten ging, wollte ich nicht weiter hinterfragen und bot der Wombi an, sie auf die Wiesn zu begleiten. „Sobald wir drin sind, musst du aber wieder gehen“, sagte die Wombi. Ich versprach es.

Als wir beide im Dirndl vor dem Türsteher unsere Taschen öffneten, musterte er uns misstrauisch, dann sagte er zu mir: „Und du willst die Aufsichtsperson sein?“ Ich bin selten sprachlos, aber in diesem Moment fiel mir wirklich nichts ein. „Äh, ja“, sagte ich nach einigen Sekunden. „Sie ist sogar meine Mutter“, plusterte sich die Wombi auf, „und sie mag es nicht, wenn man sie duzt. Sie geht deshalb auch nicht zu Ikea.“ Der Mund des Türstehers formte sich zu einem Strich.

Ja, ich sah wohl an diesem Abend in meinem geblümten Trachtenkleid aus wie eine jungfräuliche Sennerin. Überraschenderweise musste ich nicht die Geburtsurkunde der Wombi vorzeigen, um zu beweisen, dass ich dieses Prachtmädel vor 15 Jahren tatsächlich geboren hatte. Wir durften passieren.

Kaum waren wir hinter der ersten Holzbude abgetaucht, ließ mich die Wombi stehen und verschwand in einem Knäuel anderer Wombis.  Ich drehte eine kurze Runde auf dem Areal und kaufte mir ein Lebkuchenherz mit der Aufschrift „Mami“. Ich hängte es mir um den Hals. Währenddessen hoffte ich inständig, dass ein Schichtwechsel an der Tür stattgefunden hatte.  Aber nein, „unser“ Türsteher zog die Augenbraue hoch, als ich an ihm vorbeihuschen wollte. „Geht die Mama etwa schon wieder nachhause?“, fragte er und dehnte dabei die Worte wie Kaugummi. „Äh, ja“, stotterte ich, „ich habe meine Tochter nur ihrem Vater übergeben.“ Es schien im Kopf des Türstehers zu arbeiten: „Und wieso bleibt die Mama nicht beim Papa?“

Gute Frage. „Also, es geht Sie zwar nichts an, aber.....aber wir sind geschieden.“ Oh Gott, das war mir so herausgerutscht. „Na, dann, schönen Abend noch“, sagte der Türsteher, „der Papa wird schon gut aufpassen auf die Tochter.“ Es klang ein bisschen mitleidig in meine Richtung. Das Lebkuchenherz pendelte wie bei einer Kuckucksuhr von links nach rechts, so schnell hastete ich zu meinem Auto.

Während der Olaf neben unserem Sohn unter der Bettwäsche mit den Feuerwehrautos  schlummerte, erzählte ich an unserem Hochzeitstag herum, dass ich geschieden wäre.

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"Ich sage es jetzt zum allerallerletzten Mal! Storys aus dem fast perfekten Alltag einer Mutter", von Christiane Tauzher, Goldegg Verlag, 14,95 Euro

Als ob es nicht gereicht hätte,  meine Tochter auf ein Gelände zu schleusen, das für unter 16-Jährige gefährlich ist.

Oh, wie ging es mir auf der Heimfahrt schlecht. Ich hatte die Scheidung quasi heraufbeschworen. Gedankenlos. Wegen nichts. Abergläubisch war ich schon immer. An der roten Ampel wollte ich, um mich selbst zu trösten,  ein Stück vom Mami-Herz kosten. Ich biss auf Beton. Das Herz musste aus dem Vorjahr stammen, so hart war es. Noch ein Omen.

Vor der Haustür dann die schwarze Katze der Nachbarn.

Ich trank die Flasche Sekt ganz alleine.

Dass ich noch immer verheiratet bin und mich die Polizei noch nicht wegen Vernachlässigung der Aufsichtspflicht eingesperrt hat, ist ein Wunder. Weil ja fast alle Zeichen an meinem Hochzeitstag auf „Game over“ standen.

Aber als das Lebkuchenherz neben einem Stück Apfel innerhalb von 24 Stunden wieder weich wurde, wusste ich, dass alles gut werden würde.

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