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C. Tauzher: Die Pubertäterin In den Händen der Teenagerin wird eine Ukulele zum Folterinstrument

Mädchen mit Ukulele
Eine Ukulele macht schöne Musik. Wenn sie nicht immer dasselbe Lied spielen ...
© Pekic / Getty Images
Zur großen Freude ihrer Eltern hat Christiane Tauzhers Tochter angefangen, ein Instrument zu lernen. Zur großen Qual ihrer Eltern spielt die Teenagerin exakt ein Lied. Immer und immer wieder. Am Rande des Wahnsinns sieht ihre Mutter nur noch eine Möglichkeit, der musikalischen Monotonie zu entkommen.

Als sich die Wombi zu Ostern keine neue Powerbank, sondern eine Ukulele wünschte, hüpften unsere Herzen vor Freude. Instrumente sind wie Bücher – sie wirken sich positiv auf die Gehirnaktivität aus. Und das ist in einer Phase, in der das Wombi-Brain die meiste Zeit auf Flugmodus läuft, allemal ein Grund zu Feiern. Voller Freude suchten der Olaf und ich ein hübsches bemaltes Ukulelchen in einem Fachgeschäft aus und waren selbst ganz entzückt von der putzigen kleinen Schwester der Gitarre.

Christiane Tauzher: Die Pubertäterin

Seit die Pubertät unsere Tochter, die Wombi, kurz nach ihrem 13. Geburtstag in ihre Gewalt bekommen hat, halten wir die Fenster geschlossen, damit die Nachbarn nicht die Polizei rufen. Die Pubertäterin ist laut und unberechenbar, wenn sie nicht gerade wie ein Wombat schläft oder isst – was sie zum Glück oft tut.

Die Geschichten, die ich – Journalistin, 41, aus Wien, verheiratet mit Olaf, 46 – hier erzähle, handeln natürlich nicht von der Pubertäterin in meiner Familie. Nein. Sie entspringen meiner blühenden Fantasie oder stammen aus anderen Familien. Dort geht es nämlich arg zu – in den anderen Familien ...

Überraschenderweise freute sich die Wombi über die Maßen, als sie die Ukulele beim Eiersuchen am Ostersonntag hinter einem Busch hervorzog. Natürlich erst nachdem sie uns zu verstehen gegeben hatte, wie doof sie Eiersuchen prinzipiell fand. Ukulele-Finden war dann aber ganz okay.

Einen Lehrer verweigerte die Wombi und versprach, sich die Griffe aus Youtube-Videos anzueignen. Wir, der Olaf und ich, hätten die konventionelle Methode mit Unterricht einmal in der Woche besser gefunden, aber die Wombi interessiert sich nicht für unsere Ideen. Und tatsächlich, wann immer ich nun an Wombis Zimmer vorbeikam, vernahm ich den Klang der Ukulele. Die Wombi zupfte und schlug sich Blasen an die Finger. Einziger Haken: Sie spielte immer ein und dasselbe Lied: "Somewhere over the rainbow" in der Version des dicken Mannes aus Hawaii. "Schön", sagte ich vier Wochen nach Ostern, "jetzt könntest du dich langsam an ein neues Lied wagen." Die Wombi verstand meine Worte als Kritik an ihrem Spiel. "Dir kann man es nie recht machen", plusterte sie sich auf, "jetzt mache ich Musik und bin nicht am Handy, und es passt dir wieder nicht." Ich versicherte ihr, dass sie falsch liege, aber statt einer Antwort, bekam ich eine wütende Interpretation des Regenbogens zu hören.

War es vor Ostern das Smartphone, das an ihrer Hand angewachsen war, legte sie nun die Ukulele nicht mehr zur Seite. Griff ihr kleiner Bruder nach dem Instrument, kreischte sie hysterisch wie eine Furie und entriss ihm die geliebte Ukulele, als wäre sie ein Kind, das knapp einer Entführung entkommen war.

Nun begab es sich, dass meine Mutter einen runden Geburtstag feierte und ich der Wombi den Vorschlag machte, als Überraschung ein kleines Ständchen am Tag des Festes für die Nonni darzubringen. Die Wombi fand die Idee zu meinem Erstaunen gut und begann sofort zehn Mal hintereinander zu Übungszwecken den Regenbogen zu spielen. Dabei saß sie in der Küche, während ich den Geschirrspüler ausräumte. "Bitte, Gott, gib mir Geduld", betete ich, "oder verschließe meine Ohren temporär." Gott hatte kein Einsehen, bei der dritten Wiederholung bat ich die Wombi freundlich, die Küche zu verlassen. "Aber warum?", fragte sie, "nerve ich dich schon? Alle großen Musiker haben einmal klein angefangen. Und du sagst doch immer, dass Übung den Meister macht."

Ich beschloss mich dem Geschirrspüler später zu widmen und wechselte das Zimmer. Die Wombi kam mir nach. Wehmütig und inbrünstig klang der Regenbogen heute.

"Bitte", flehte ich, "spiel in deinem Zimmer." Die Wombi fand das "total arg" und knallte hinter sich die Türe ins Schloss, als sie in ihrer Höhle verschwand. Es wurde still. Wahrscheinlich textete die Wombi gerade an ihren ganzen Freundeskreis, wie gemein ihre Mutter wäre, die ihr Ukulele-Spiel grauenhaft fände und ihr verbiete, sich auf den Auftritt beim Geburtstag ihrer Großmutter vorzubereiten. Viele weinende, wütende und rotköpfige Emojis wird sie vom Team Ukulele dafür abgesammelt haben.

Zwei Wochen später war der Geburtstag meiner Mutter. Fünfzig Gäste tummelten sich in unserem Garten und ließen die Jubilarin hochleben. Nach dem offiziellen Programm fragte ich die Wombi, wann sie gedenke zu spielen. "Ich weiß noch nicht", gab sie mir zur Antwort. "Ich fände jetzt wäre ein guter Zeitpunkt", sagte ich. Die Wombi war anderer Meinung und holte sich ein Stück Torte vom Buffet.

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"Ich sage es jetzt zum allerallerletzten Mal! Storys aus dem fast perfekten Alltag einer Mutter", von Christiane Tauzher, Goldegg Verlag, 14,95 Euro

Als sich die ersten Gäste verabschiedeten, gähnte die Wombi. Ich sah sie an, und sie schaute weg.

Die Geschichte von der Ukulele endet damit, dass die Wombi das Regenbogen-Lied NICHT spielte, weil es ihrer Ansicht nach keinen passenden Zeitpunkt gegeben hätte.

"Ich spiele es der Nonni vor, wenn ich sie nächste Woche besuchen fahre." Schuld sei ich, dass es so gekommen sei. "Du hast mich mit Deinen negativen Schwingungen total verunsichert", fauchte die Wombi, "ich konnte nicht spielen. Meine Finger waren wie blockiert."

Einen Tag nach dem Fest hatten sich die Finger der Wombi schon wieder von der Blockade erholt. "Heute singe und spiele ich nur für dich", sagte die Wombi, setzte sich zu mir in die Küche und trug – na, was wohl - den Regenbogen vor. Ich applaudierte, anstatt mich aufzuregen und die Wombi suchte rasch das Weite. Der Bann war gebrochen. "Blowing in the wind" löste den Regenbogen ab. Ich schloss Frieden mit der Ukulele, und meine Mutter wartet noch immer auf ihr Ständchen.

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