Zum Thema "Was macht der Terror der Hamas gegen Israel mit Schulkindern in Deutschland?" hat der Deutsche Lehrerverband als Gesprächspartner den Vorsitzenden der "Jungen Philologen", einem Verband von Gymnasiallehrkräften, Georg Hoffmann, empfohlen. Der stern hat mit ihm gesprochen.

Ich würde gern von Ihnen erfahren, wie der Angriff der Hamas auf Israel an Schulen besprochen wird, können Sie mir dazu etwas sagen?
In manchen Bundesländern waren oder sind aktuell Herbstferien, NRW ist beispielsweise erst am 16. Oktober wieder in den Schulbetrieb gestartet. Die einzelnen Ministerien haben die Lehrkräfte in Dienstmails über Handlungs- und Unterstützungsmöglichkeiten informiert. Das Thema ist überall sehr virulent und hat bereits bundesweit zu verschiedenen Konflikten in Schulen geführt. Lehrkräfte widmen sich an allen Schulen in unterschiedlicher Intensität und gemeinsam mit ihren Schülern diesem Thema, auch im Rahmen der Lehrpläne. Schulen versuchen hierfür Frei- und Schutzräume zu ermöglichen.
In den sozialen Medien liest man insbesondere über die Sorgen der Eltern, was die Aufbereitung des Themas geht. Was spüren Sie davon?
Die Sorgen der Eltern sind enorm, insbesondere vor dem Hintergrund möglicher Konflikte unter den Schülern, die sich an der Schule entladen und zu akuten Bedrohungslagen führen könnten. Für Lehrkräfte ist es ein Drahtseilakt, wenn sie sich diesem Thema widmen und dadurch selbst in Auseinandersetzungen mit Schülern geraten. Gerade, wenn Sie ihren Standpunkt sehr deutlich gegenüber Schülern vertreten, die einen anderen Blickwinkel haben oder vielleicht durch die eigene Familie betroffen sind, gibt es hier großes Konfliktpotenzial. Auf der Ebene der Schulleitung fürchtet man die Intensität, mit welcher dieser Konflikt die kommenden Wochen in den Schulen beherrschen wird.
Gibt es von der Schulleitung Hilfestellungen für die Lehrer:innen?
Ja, das ist das Gute, einerseits gibt es von ministerialer Ebene Handreichungen und Leitfäden, die auch während der Ferien an die Lehrkräfte herausgegeben worden sind. Andererseits fanden auch, kurz nachdem der Angriff stattgefunden hat, Dienstbesprechungen statt, bei denen innerhalb der Kollegien Absprachen und Vereinbarungen getroffen worden sind. Es gibt an Schulen Unterstützung aus dem Bereich der Schulsozialarbeit und sogenannte Beratungslehrkräfte sowie Kriseninterventionsteams, die auch einen Blick auf akut betroffene Schülerinnen und Schüler haben. Wir haben an vielen Schulen sogenannte Vorbereitungsklassen, die von Kolleginnen und Kollegen beschult werden, die auch in diesem Themengebiet sehr versiert sind und in diesem Rahmen ihr Know-how einbringen können. Überdies helfen auch die schulpsychologischen Beratungsstellen sowie Ansprechpartner bei allgemeinen Beratungsstellen, an die man sich wenden kann. Die Personaldecke ist allerdings leider auch hier insgesamt sehr dünn.
Informationen für Eltern
- Die Initiative "SCHAU HIN! Was Dein Kind mit Medien macht" rät Eltern zu kindgerechten Nachrichtenformaten, die sie gemeinsam mit ihren Kindern schauen, um sie so über die Ereignisse aufzuklären und ihnen die Angst zu nehmen. (Hier geht's zur Website)
- Infoblatt für Eltern zum Thema: "Medienerziehung: Wie umgehen mit Krieg?" von klicksafe.de. (Hier geht's zum PDF)
- Überprüfung von Fotos, Videos und Behauptungen durch das spendenfinanzierte Medium "Correctiv" zur Verbreitung von vermeintlichen Nachrichten. (Hier geht's zum Faktencheck)
- Aktuelle Hindergründe von der Bundeszentrale für politische Bildung. (Hier geht's zum Themenkomplex "Überfall der Hamas auf Israel")
- Themenschwerpunkt "Hintergründe zum Nahost-Konflikt" in der ARD Mediathek. (Hier geht's zur Website)
- "Logo" im ZDF, zum Anschauen mit Kindern: "Eure Fragen: Krieg in Israel und Gazastreifen". (Hier geht's zum Thema)
Wie erleben die Kinder aus der Ukraine den Terrorangriff auf Israel, der sie erneut mit dem Thema Krieg konfrontiert?
Die Vielzahl an Bildern und Videos, die jetzt im Netz kursieren, zum Teil auch unverpixelt, konfrontieren die Kinder und Jugendlichen erneut, ohne dass sie sich davor schützen können. Das wühlt die Erinnerungen und Emotionen von bereits traumatisierten Schülerinnen und Schülern auf. Die Hoffnung auf ein baldiges Ende des Krieges in der Ukraine schwindet. Hinzu kommt die Sorge, dass die Menschen in der Ukraine alleingelassen werden könnten, weil sich die bisherigen Unterstützer nun um diesen Konflikt kümmern. Da schwingt auch die Sorge mit, in Vergessenheit zu geraten. Hinzu kommt die Angst, dass der Konflikt nun auch nach Deutschland herüberschwappen könnte.
Unterscheiden sich die Sorgen auch innerhalb der Schulformen?
Absolut! Je nach Schulstandort, Schulform und Zusammensetzung der Schulgemeinschaft treten Sorgen in unterschiedlicher Weise und Intensität auf. Das verlangt von den Lehrkräften viel pädagogisches Know-how und Fingerspitzengefühl für die individuellen Bedürfnisse und Lebenslagen.
Heutzutage konsumieren Schüler:innen Nachrichten oft nur noch über soziale Medien, großenteils TikTok. Ist das Schulform-übergreifend so?
Letztlich hängt vieles an der Sozialisierung der Schüler, wie man mit Nachrichten aus den sozialen Netzwerken umgeht. Insbesondere am Gymnasium sind die Schüler dafür eigentlich sensibilisiert. Dort besteht der erste Zugang zwar auch oft über TikTok und Co, aber daran schließt sich meist auch die Frage an "Wer sagt das jetzt? Welche Quelle steckt dahinter?". Und die wird dann durchaus überprüft oder infrage gestellt. Aber: Die erste Aussage bleibt leider erstmal haften. Das durch gezielte Recherche wieder aufzulösen, ist ein Prozess, dem sich nicht jeder widmen möchte und kann. Dementsprechend wabern bestimmte Stereotype, Gerüchte und Fake News aus den Netzwerken in der Schülerschaft umher, aber auch hier bleibt unter Schüler:innen die Rückfrage: "Woher hast du das denn?" Um des Problems Herr zu werden, müssen alle Schulformen im Kontext von Medienpädagogik, insbesondere der kritischen Auseinandersetzung mit Positionen im Netz, an der Entwicklung der Medienkompetenz der Schülerinnen und Schüler mitwirken. Den Gesellschaftswissenschaften kommt dabei eine besondere Verantwortung zu. Allen Schülern sollte der Zugang zu fundierten Quellen verdeutlicht und ohne Bezahlschranken ermöglicht werden, weil man sonst Medien Tür und Tor öffnet, die nicht fundiert berichten.