Robert arbeitet als Unternehmensberater und sucht einen Mitfahrer für die Strecke Düsseldorf–Lissabon. Seine Wünsche für die gut 20-stündige Fahrt sind präzise. Eine "interessante Persönlichkeit" soll es sein, Geschlecht egal. "Wobei", schränkt er ein, "ich bin ein Mann, eine attraktive und zugleich gebildete junge Dame, eventuell aus Osteuropa, ist sicherlich bevorzugt willkommen." Er selbst sei selbstständiger Geschäftsmann mit dem Sternzeichen Wassermann und Liebhaber von Modern Jazz. Willkommen bei www.mitfahrzentrale.de, Europas größter Onlinebörse für private Fahrdienste. Hier suchen oder bieten Menschen wie Robert günstige Fahrgelegenheiten - und manche auch mehr. Seit sich Chauffeur und Chauffierte mit Foto und Steckbrief im Web präsentieren können, avanciert das Angebot der Mitfahrzentrale ganz nebenbei zur Flirtbörse. Und die Vermittlungsquote beim Blind Date im Auto ist gar nicht so schlecht. Hans Ludwig Klaus, Vorsitzender des Verbandes der Mitfahrzentralen in Deutschland, sagt: "Wenn der Motor brummt, man eng zusammensitzt und dann der Wagen plötzlich stehen bleibt, kommt man sich schnell näher." Klaus muss es wissen, schließlich hat er schon einige Verlobungen und Hochzeiten seiner Kunden gefeiert.
Um den richtigen Partner für die Fahrt zu finden, präsentieren sich einige Männer sogar mit nacktem Oberkörper und lassen die Muskeln spielen. Andere verweisen lieber auf ihre inneren Qualitäten und preisen sich als "gute Zuhörer", "humorvoll" oder "intelligent". Die Frauen hingegen suchen einfach nur jemanden "zum Quatschen" und bringen auf dem Foto ihr tiefes Dekolleté dekorativ zur Geltung. Das Poussieren im Netz ist ein willkommener Nebeneffekt für die Mitfahrzentralen, der das Geschäft deutlich ankurbelt. Und das läuft seit Monaten ohnehin schon gut. Rund 10.000 Fahrten vermittelt der Marktführer www.mitfahrzentrale.de täglich. "Nach Jahren der Flaute belebt sich unser Business endlich wieder", sagt Geschäftsführer Martin Buske. "Unseren absoluten Rekord hatten wir am 16. November, als die Bahn im Fernverkehr gestreikt hat." 70.000 Interessenten informierten sich an diesem Tag über alternative Fahrgelegenheiten. Aber nicht nur Ärger mit der Bahn sorgt für die neue Lust am privaten Taxi-Service, auch die hohen Spritpreise, ein gestiegenes Umweltbewusstsein und eben die hoffentlich nette Unterhaltung während der Fahrt.
"Ich hatte schon Professoren, Ingenieure und fast alle Nationalitäten neben mir sitzen"
Denn anders als früher steigt der Kunde heute nicht mehr zu einem gänzlich Unbekannten ins Auto. Schon vor Beginn der Tour kann er sich über den Fahrstil ("seit zwei Jahren unfallfrei", "sehr schnell, aber sicher"), den persönlichen Musikgeschmack ("Techno", "Geräuscheffekte") und das äußere Erscheinungsbild des Reisebegleiters im Netz informieren. Und durch die beinahe schon brutale Ehrlichkeit vieler Fahrer bleiben den Fahrgästen viele böse Überraschungen erspart. Patrick zum Beispiel beschreibt sich als "langhaarigen Alternativen" und sein Auto als "etwas schmuddeligen älteren Mercedes Benz". Der sei zwar laut, dafür aber absolut zuverlässig. Allerdings hätten die Rücksitze nur Beckengurte. Und Barbara, die Managerin, offenbart, dass ihr großer, schwarzer Mischling im Kofferraum immer mit dabei ist, manchmal laut hechelt und gelegentlich streng riecht. Yassin Mahmoud, ein 24-jähriger BWL-Student mit ägyptischen Wurzeln, nimmt seit gut einem Jahr regelmäßig Leute mit. Nur so kann er sich seinen Chrysler Voyager mit einem Verbrauch von zuweilen 20 Litern leisten. "Die üblichen Horrorstorys, die so kursieren, habe ich allerdings noch nie erlebt", sagt er, "da war keiner dabei, der so stank, als ob er sich drei Wochen lang nicht gewaschen hätte, und auch keine unerträgliche Labertasche." Im Gegenteil, es seien meist offene und interessante Menschen, die bei ihm einstiegen.
"Ich hatte schon Professoren, Ingenieure und fast alle Nationalitäten neben mir sitzen." Die Zeiten, in denen nur Jugendliche, Studenten und Weltenbummler Mitfahrgelegenheiten nutzten, sind vorbei. Die Fahrer müssen sich, bevor sie ein Angebot ins Netz stellen , bei der Agentur registrieren lassen. Trotzdem empfehlen die Agenturen den Mitfahrern, sich vor Fahrtantritt Autokennzeichen und Namen mit Personalausweisnummer geben zu lassen und bei Dritten zu hinterlegen. "Bislang ist uns allerdings noch keine Straftat gemeldet worden", sagt Buske. Den Preis für die Touren legt der Fahrer fest. Als grobe Faustformel gilt etwas weniger als ein Euro pro 10 Kilometer. Das macht zum Beispiel für die Strecke Hamburg–Berlin mit 300 Kilometern etwa 28 Euro. Fahren zwei Leute mit, zahlt jeder 14 Euro. Zum Vergleich: Mit dem ICE würde die gleiche Route 62 Euro pro Person kosten. Wichtig ist: Die Fahrer sollen lediglich ihre Kosten decken - Geschäftemacherei ist unerwünscht. Vermittlungsgebühren fallen im Internet normalerweise nicht an, da sich die Seiten über Werbung finanzieren.
"Schwarze Schafe werden sofort gesperrt"
Die E-Mail an den Fahrer ist kostenlos. Nur wer sofort telefonisch in Kontakt treten will, muss sich über eine gebührenpflichtige Hotline nach der Nummer erkundigen. Damit unterscheiden sich die Onlinevermittler deutlich von den klassischen Mitfahrzentralen. Deren Preise sind fix und liegen meist etwas über denen der Internetagenturen. Dafür bieten sie aber auch mehr Service und Sicherheit. Hans Ludwig Klaus, Geschäftsführer von Citynetz, Deutschlands größter stationärer Mitfahrzentrale, sagt: "Alle Fahrer und Mitfahrer sind bei uns registriert. Jeder muss vor Fahrbeginn seinen Personalausweis vorzeigen. Und schwarze Schafe werden sofort gesperrt." Für ein bis zwei Euro zusätzlich können seine Kunden eine Pannengarantie buchen. Die zahlt die Weiterfahrt mit Taxi oder Bahn, wenn das Auto liegen bleiben sollte, und bezuschusst, falls nötig, auch eine Hotelübernachtung. "Doch für alles Weitere, was im Hotelzimmer passiert, übernehmen wir keine Garantie mehr", grinst Klaus.