Alte Leute hängen an ihren eigenen vier Wänden. Deshalb entscheiden sich viele Familien im Ernstfall erst einmal gegen das Heim - und versuchen es im Ernstfall erst einmal mit der Pflege daheim. Doch auch aus finanziellen Gründen hat die Versorgung im häuslichen Kreis Vorrang. Aber wer kann die Betreuung übernehmen? Wie findet man einen verlässlichen Pflegedienst? Und was muss wo beantragt werden?
Meist Frauen an der Pflegefront
Sieben von zehn Pflegebedürftigen werden von Angehörigen oder Freunden gepflegt. Das sind immerhin 1,4 Millionen Menschen, die plötzlich Tätigkeiten und Verantwortung übernehmen müssen, auf die sie nie vorbereitet wurden. Das verlangt körperliche und seelische Kraft. Diese Aufgabe übernehmen mehrheitlich die Frauen, die aber oft gleichzeitig berufstätig sind und sich nun fragen, wie sich Karriere mit Pflege verbinden lässt.
Das Pflege-Weiterentwicklungsgesetz bringt einige finanzielle und organisatorische Verbesserungen (siehe auch Teil 1: "Wer kümmert sich um Oma?"). Das herzlose "Pflege-im-Minutentakt"-System aber bleibt unverändert. Und individuelle Hilfe durch die neu geplanten Beratungszentren dürfte noch auf sich warten lassen. Wer Glück hat, findet Unterstützung und Trost bei einem privaten Pflegestammtisch in seiner Nähe. Aber auch die gibt es nicht überall: Selbst in der Hauptstadt Berlin hatten pflegende Angehörige bisher keine Lobby. Das soll sich ändern. Ende März haben sich lokale Initiativen, Selbsthilfegruppen und Gerontologen zum bundesweiten Verein "Wir pflegen" zusammengeschlossen, um den Wünschen der Basis mehr politisches Gewicht zu verleihen. Jeder kann mitmachen: www.wir-pflegen.net . Bis dahin lesen Sie hier, was Sie alles über die Pflege daheim wissen müssen, wo es Geld und Hilfe gibt, und was Sie als Plegende tun können, wenn Sie selber krank werden.
In Teil 3 der Serie lesen Sie dann morgen: "Wenn Oma ins Heim muss - wie man das richtige Heim findet.
Kann ich als Laie die Pflege übernehmen?
Viele Kranken- bzw. deren Pflegekassen, Wohlfahrtsorganisationen oder die Kommune bieten kostenlose Pflegekurse an. Wenn Sie Glück haben, auch einen in Ihrer Nähe. Erkundigen Sie sich bei der Krankenkasse des Pflegebedürftigen, die ihm auch das Pflegegeld für die häusliche Betreuung zahlt. Das Geld muss der Betroffene selbst, also beispielsweise Ihre Mutter, beantragen. Sie können nur mit Ihrer Vollmacht agieren. Es wird auch an Ihre Mutter ausgezahlt, die es frei verwenden kann.
Pflegepersonen sind rentenversichert
Wer einen Pflegebedürftigen daheim oder in der eigenen Wohnung regelmäßig mindestens 14 Stunden pro Woche betreut, gilt offiziell als Pflegeperson. Ein Kranker in einer höheren Pflegestufe oder mit Demenz braucht mehr Fürsorge, folglich können sich auch mehrere Pflegepersonen um ihn kümmern. Dieser Status ist wichtig für die Sozialleistungen, die bei anerkannter Pflege gezahlt werden. Pflegepersonen sind z.B. für die Dauer der Pflegezeit rentenversichert. Die Beiträge werden von der Pflegekasse übernommen. Die Höhe hängt von der Pflegestufe ab. Das gilt allerdings nicht für Pflegepersonen, die nebenher mehr als 30 Stunden berufstätig sind oder bereits eine volle Altersrente oder Pension beziehen. Näheres erfährt man von der Pflegekasse.
Wenn Profis einspringen
Ambulante Dienste sind der Ausweg, wenn Laien allein überfordert sind. Sie machen es möglich, dass der Pflegebedürftige weiterhin zuhause wohnen kann. Wohlfahrtsverbände und Privatunternehmer bieten ihre Dienste an. Finanziert wird die Fremdhilfe durch die sogenannten Sachleistungen (siehe Tabelle in Teil 1: "Wer soll das bezahlen?"). Der Pflegedienst rechnet direkt mit der Pflegekasse ab. Bei umfangreichem Einsatz reicht der Pflegesatz oft nicht aus. Dann muss aus eigener Tasche zugeschossen werden.
Unangenehme Pflichten delegieren
Man kann aber auch das niedrigere Pflegegeld und die höheren Sachleistungen kombinieren. Und auf diese Weise bestimmte schwere oder unangenehme Aufgaben wie Baden oder Windeln wechseln an Pflegedienste delegieren. Um auszurechnen, was sich jeder an Fremdhilfe leisten kann, besorgt man sich die Preisliste des Pflegedienstes.
Kalkuliert wird nach Minuten für Einzelleistungen wie Zähneputzen oder nach Leistungskomplexen wie "kleine Körperpflege". Die Preise differieren je nach Dienst und Ort. So kostet beispielsweise eine Teilwaschung 9,46 Euro, Hilfe bei Ausscheidungen 4,30, Hilfe bei der Nahrungsaufnahme 10,75, Ankleiden plus Mundhygiene 12,02, oder ein Vollbad 14,34 Euro. Alles Einzelpositionen, die sich am Monatsende zu riesigen Rechnungen summieren.
Kriterien für einen guten Pflegedienst
Wenn Sie die Wahl zwischen verschiedenen Diensten haben, gehen Sie folgende Checkliste durch:
- - Liegt das Unternehmen in meiner Nähe?
- - Ist er auch für medizinische Behandlungspflege zugelassen und beschäftigt er genügend Fachkräfte und nicht nur Ungelernte bzw. Angelernte für die hauswirtschaftlichen Arbeiten?
- - Kommen immer die gleichen Pfleger oder wechselt das Personal dauernd?
- - Bietet der Pflegedienst ein ausführliches, kostenloses Informationsgespräch vor Ort an?
- - Ist der schriftliche Kostenvoranschlag übersichtlich, verständlich und vergleichsweise günstig?
- - Sind Nachtzuschlägen und Anfahrtskosten aufgeführt?
- - Ist der Dienst 24 Stunden werktags sowie am Wochenende erreichbar?
Rufen Sie mehrere Dienste an und vergleichen Sie die Angebote. Nehmen Sie sich ein bis zwei Tage Bedenkzeit, bevor Sie unterschreiben. Die ersten 14 Tage gelten als Probezeit. Falls Sie unzufrieden sind, weil z.B. die Leute unpünktlich, unordentlich oder unfreundlich sind, können Sie ohne Angabe von Gründen zurücktreten.
Qualitätskontrollen
Für ambulante Pflegedienste sind weitere Zulassungsbeschränkungen im Gesetz vorgesehen. Sie müssen die "ortsübliche Vergütung" zahlen, um überhaupt einen Vertrag mit einer Pflegekasse zu bekommen. Diese Auflage bremst den beliebten Einsatz von unausgebildeten Billigpflegern, die auch zu Dumpinglöhnen arbeiten. Und sie sind gezwungen, ein internes Qualitätsmanagement einführen. Die Pflegereform verpflichtet den MDK, von 2011 an jeden ambulanten Dienst jährlich auf Qualität zu prüfen.
Mal kurz ins Heim?
Berufstätige Angehörige können ihre Pflegebedürftige teilweise, entweder tagsüber oder nachts, in ein Heim bringen. Für den Transport sorgt das Heim. Üblicherweise wird Tagesunterbringung zwischen 8 bis 17 Uhr angeboten; Nachtpflegeplätze sind hingegen noch selten. Zur Tagespflege im Heim gehören neben den Mahlzeiten und der notwendigen Pflege auch Unterhaltungsprogramme wie Singen, Basteln, Gedächtnistraining und Gymnastik.
Die Kosten sind unterschiedlich. Für diese kombinierte Tages-Nacht-Pflege gelten die stationären Sätze nicht. Man kann aber das eigene Pflegegeld mit den Sachleistungen kombinieren. Der höchstmögliche Gesamtanspruch wurde jetzt auf das 1,5 fache erhöht. Wird zum Beispiel in Pflegestufe 1 für das Tagesheim 50 Prozent der Sachleistung (also 210 Euro) abgerechnet, bleibt der Anspruch auf das volle Pflegegeld von 215 Euro bestehen. Auch diese Erhöhung deckt jedoch nie die vollen Kosten.
Im Notfall
Fallen Pflegepersonen kurzfristig wegen Krankheit oder Urlaub aus, unterstützt die Pflegeversicherung die Kosten für eine Ersatzpflege mit dem stationären Leistungssatz von 1470 Euro bis 1550 Euro. Allerdings nur für maximal vier Wochen pro Jahr. Dieses Geld ermöglicht es den Betroffen, sich flexibel Rund-um-Betreuung daheim oder eine Kurzunterbringung im Heim zu organisieren.
Urlaub für pflegende Angehörige
Pflegen ist anstrengend, es erschöpft psychisch und physisch. Im neuen Gesetz wird erstmals der Urlaub bzw. die berufliche Freistellung für die Laien an den häuslichen Pflegebetten gesetzlich geregelt.
Endlich Urlaubsanspruch
Berufstätige, die einen nahen Angehörige mit mindestens Pflegestufe 1 daheim betreuen, haben ab sofort einen Anspruch auf unbezahlte, sozialversicherte "Pflegezeit". Das heißt: Sie können sich bis zu sechs Monaten freistellen lassen, ohne das Risiko einzugehen, ihren Job zu verlieren. Vorbedingung ist, dass ihr Betrieb mehr als 15 Beschäftigte hat. Sie können auch auf Teilzeitarbeit umschalten. Der Antrag auf Pflegezeit muss dem Arbeitgeber zehn Tage vor dem gewünschten Starttermin zusammen mit einer Bescheinigung der Pflegekasse oder des MDK vorliegen. Die Pflegekasse zahlt während dieser "Auszeit" die Renten- und Sozialversicherungen der Betroffenen weiter, wenn sie nicht anderswo (beispielsweise als Rentner) versichert sind.
Bei akuten Problemen wie z.B. der Organisation einer neuen Pflege haben Berufstätige das Recht, sich bis zu zehn Arbeitstage freistellen zu lassen. Das muss durch eine ärztliche Bescheinigung dokumentiert werden. Das Recht auf diese kurze "Auszeit" ist von der Betriebsgröße unabhängig (siehe auch Teil 1: "Wer soll das bezahlen?").
Vertretung finanziert die Kasse
Wenn pflegende Angehörigen Urlaub machen, finanziert die Pflegekasse wie bisher im Rahmen der sogenannten "Verhinderungspflege" für maximal vier Wochen Urlaub pro Jahr die notwendige Ersatzpflege. Wobei der erste Anspruch nach sechs Monaten Pflege besteht. Früher lag die Frist bei zwölf Monaten.
Die Hilfe aus dem Osten
Die zeitintensive Betreuung eine Schwerkranken oder Verwirrten durch einen professionellen Pflegedienst zuhause kostet viel Geld. Stationäre Unterbringung noch mehr. Normalverdienende Familien und vor allem Alleinstehende sind finanziell überfordert. Eine nicht ganz legale Alternative bieten preiswerte Hilfskräfte aus dem Osten. Schätzungsweise über 100.000 Pflegerinnen und Haushälterinnen aus Polen, aber auch aus Ungarn, Rumänien, Bulgarien und anderen osteuropäischen Ländern arbeiten schon in Deutschland. Die Schwarzarbeit boomt. Ohne sie würde der Pflegemarkt zusammenbrechen. Deshalb tolerieren inzwischen manche Institutionen der Branche die Schattenwirtschaft.
Viele Hintertüren
In Zeitungs-Annoncen werden Altenpfleger aus dem Osten angeboten. Unter den Stichworten "24-Stunden / Betreuung / Altenpflege" liefert Google genügend Anlaufstellen. Oft muss man sich bloß im Bekanntenkreis umhören, um einschlägige Tipps zu bekommen. Trickreich werden die hiesigen Gesetzeshürden für fremde Arbeitskräfte umschifft. Vermittlungsagenturen stellen Kontakt zu osteuropäischen Pflegerinnen her, die einen Arbeitsvertrag mit einem polnischen Unternehmen haben und etwa 1500 Euro monatlich kosten; sie müssen allerdings alle paar Monate ausgewechselt werden. Es bewerben sich auch Osteuropäerinnen als Selbständige um einen Pflegejob; da droht der Vorwurf der Scheinselbständigkeit. Legal aber bürokratisch ist die Vermittlung von reinen Haushaltshilfen durch die Arbeitsagenturen, die offiziell keine pflegerischen Tätigkeiten ausführen dürfen. Was sich aber in den eigenen vier Wänden kaum kontrollieren lässt.
Der Einsatz von Helferinnen aus der rechtlichen Grauzone lässt sich nur in großen Wohnungen bzw. Häusern realisieren. Denn sie wohnen - wie Au-Pair-Mädchen - bei ihren Pflegebedürftigen.
Hilfsmittel
Hausnotrufegeräte, Essen auf Rädern und ehrenamtliche Nachbarschaftshilfe unterstützen das Weiterleben in der eigenen Wohnung. Die Industrie bietet eine Menge technischer Hilfsmittel wie Badewannenlifter, Pflegebetten, fahrbare Toiletten und Duschstühle an, die die Pflege daheim erleichtern. Solche Hilfsmittel müssen vom Arzt verordnet werden, damit die Krankenkasse die Kosten für das Ausleihen oder den Kauf finanziert. Auch hier besteht Zuzahlungspflicht. Bezuschusst wird auch eine Verbesserung des Wohnumfeldes wie Türverbreiterung, Schwellenentfernung oder der Austausch einer alten Badewanne.
Generelle Informationen bietet entweder das Bürgertelefon des Ministeriums unter: 018 05 - 99 66-03 oder die Website www.gesundheitsreform.de.