Universität Forschungsstreit um Dieter Bohlen

Die Bohlen-Biografie «Nichts als die Wahrheit» bringt Unis in Unruhe: Ein Professor lässt Studenten den Bestseller analysieren. Das Thema: Erfolgspsychologie am lebenden Objekt.

Musikproduzent Dieter Bohlen und seine Bestsellerbiografie «Nichts als die Wahrheit» sorgen im tiefen Südbrandenburg für Unruhe: An der Fachhochschule Lausitz in Senftenberg lesen Studenten Kapitel aus dem schlagzeilenträchtigen Werk und analysieren die Texte in Klausuren. Hinter dem Projekt steht der Soziologie-Professor Erik von Grawert-May. Kollegen werfen ihm nun Selbstdarstellung vor und fürchten um den Ruf der Hochschule. Doch der Gescholtene hält sein Vorgehen für legitim: Das Buch biete sich an, um am Fallbeispiel Bohlen die Erfolgspsychologie des amerikanischen Psychologen Abraham Maslow (1908-1970) zu untersuchen.

"Was macht einen Erfolgsmenschen aus?"

In seinen Studien aus den 50er und 60er Jahren machte Maslow Faktoren aus, die einen Erfolgsmenschen kennzeichnen. «Dazu gehören unter anderem, dass man Widerspruch erträgt, auf eigenen Füßen steht, und dass eine bestimmte Liebesfähigkeit da ist», erklärt der Dozent. Dieser letzte Aspekt der Fähigkeit zu freundschaftlichen, intimen oder solidarischen Beziehungen ist für Grawert-May die Brücke zu Bohlen. «In dem Buch wimmelt es nur so von Liebesgeschichten.» Somit durften sich die Erstsemester-Studenten in einer Klausur mit der Liebesfähigkeit des Modern-Talking-Stars auseinander setzen.

Grundlagenforschung der Psychologie an Bohlen

Die Bohlen-Fragen waren zwei von zwölf. «Man musste sie nicht bearbeiten, um eine sehr gute Note zu kriegen», beschwichtigt der Professor, der im Fach Betriebswirtschaftslehre über die Grundlagen der Psychologie lehrt. Die Vorlesung sei offenbar nicht ganz einfach. «80 Prozenten der Studenten haben noch Anfang des Jahres gesagt, sie hätten noch nicht genau verstanden, was läuft.» Zum Ausgang der Klausur kann der Professor noch nichts sagen. Grawert-May will die Arbeiten bis Ende Februar durchsehen.

Kritik: Bohlen ist rufschädigend

Im vergangenen Jahr hatte der 58-jährige Wissenschaftler bereits angeboten, Bohlen bei einer eventuellen Promotion zu helfen. Die Gegner Grawert-Mays formulierten jetzt in einem offenen Brief, dass sie die Interessen der Kollegen und der Hochschule beschädigt sähen. Wenn Grawert-May Studenten nicht vernünftig ausbilde, werde er gegen ihn vorgehen, kündigte FHL-Professor Klaus Brockmeyer an. Nach den Worten des Kollegen Hansjörg Oelmann gibt es Anfragen aus anderen Hochschulen, ob Senftenberg eine Spaßhochschule sei.

Streit um Seriosität

Dieter Bohlen hat den Professoren-Krach laut «Bild»-Zeitung als lächerlich bezeichnet. «Die Schule sollte froh sein, dass sie bekannt wird und über sie gesprochen wird», zitierte die Zeitung den Musikproduzenten. Der Streit um Seriosität erinnere ihn an die Diskussionen über ernste und Unterhaltungs-Musik. Die Leitung der Fachhochschule hält sich zurück: Präsidentin Brigitte Klotz, die zur Zeit im Urlaub ist, habe erklärt, dass sie sich nicht in die Lehre von Grawert-May einmischen wolle, sagt Kanzler Volker Schiffer. «Das ist eine rein akademische Diskussion.»

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