Untersuchung Sitzenbleiber sind die besseren Schüler

Sitzenbleiber haben bessere Chancen auf einen höheren Schulabschluss als Mitschüler, die immer versetzt wurden. Zu diesem überraschenden Ergebnis kommt eine Studie.

Faul, unreif, überfordert? Wer in der Schulzeit eine Klasse wiederholen muss, empfindet das eher als Verurteilung denn als Bereicherung. Eine am Montag in Essen veröffentlichte Studie des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI) wirft jedoch ein anderes Licht auf die so genannte "Ehrenrunde".

Die Untersuchung der Laufbahnen von 2.500 Schülern der Geburtsjahrgänge 1961 bis 1973 ergab, dass gerade diejenigen, die eine Klasse wiederholten, am Ende überdurchschnittlich erfolgreich in der Schule waren. Sitzenbleiber haben den Zahlen zufolge eine um fast 50 Prozent größere Chance auf einen höheren Bildungsabschluss als ihre Mitschüler, die immer versetzt wurden. "Das heißt, jeder zweite Sitzenbleiber schafft einen besseren Abschluss als ein vergleichbarer Nicht-Sitzenbleiber", erläuterte RWI-Referent Dr. Michael Fertig. Das Risiko, die Schule mit einem niedrigen Bildungsabschluss zu beenden, ist für diese Gruppe hingegen um circa 26 Prozent niedriger.

Die "Ehrenrunde" hat viele Kritiker

In Deutschland wiederholen jährlich rund drei Prozent aller Schüler eine Klasse – meist unfreiwillig. Und Kritik an der zwangsweise verlängerten Schullaufbahn wird immer wieder laut: Schlechte Schüler aus ihrer gewohnten Umgebung zu reißen und sie noch später ins Berufsleben zu entlassen sei der falsche Weg, heißt es. Japan und Großbritannien beispielsweise reagieren bei schlechten Noten mit zusätzlichem Unterricht an Nachmittagen und in den Schulferien, auch in Skandinavien ist das Sitzenbleiben ein Ausnahmefall. Insbesondere nach den Ergebnissen der PISA-Studie schien die individuelle Förderung gegenüber dem Versuch, innerhalb von Klassen ein einheitliches Leistungsniveau zu schaffen, deutliche Pluspunkte gesammelt zu haben.

Befürworter der Ehrenrunde, unter ihnen auch viele Eltern, verweisen auf den heilsamen Effekt dieses "Warnschusses". Wer wolle schon in einer neuen Klasse von jüngeren Schülern schräg angeguckt werden? Manch ein Schüler brauche diesen Dämpfer um zu merken, dass er seinen schulischen Leistungen mehr Aufmerksamkeit widmen muss. Andere Schüler seien weniger reif als ihre Altersgenossen, könnten aber nach einem Klassenwechsel in einem besser zu ihnen passenden Umfeld gute Leistungen erzielen.

Ursachen bleiben unerforscht

Die RWI-Untersuchung zeigt, dass der typische Schüler von seiner Nichtversetzung profitiert. Warum das so ist, können die Forscher allerdings nicht sagen. Die Schüler wurden nicht danach gefragt, ob und wie sie ihr Lernverhalten nach dem Sitzenbleiben verändert haben. Ob es den heilsamen Zeugnisschock für faule Schüler wirklich gibt, oder ob dadurch vielmehr Eltern bewegt werden, Geld in zusätzliche Nachhilfestunden zu investieren, bleibt vorerst also offen.

Claudia Fudeus

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