Das kleine Auto kroch über die Alpen. Es war eine Citroën Dyane mit knappen 30 PS, voll beladen mit zwei Erwachsenen, drei Kindern und Urlaubsgepäck für drei Wochen. Meine erste Fahrt nach Italien. Wir Teenager saßen hinten und klebten aneinander, in T-Shirts die so verschwitzt waren, dass sie aussahen wie frische Batik. Bergauf war der Horror. Die Kiste schaffte mir heulendem Motor kaum mehr als dreissig Stundenkilometer, Lastwagen donnerten in gefühlter Lichtgeschwindigkeit an uns vorbei. Bergab drehte sich das Spiel um, der Wagen fuhr schneller, als der Tacho es anzeigen konnte. Wir winkten den Brummis aus dem Rückfenster zu. So quälten wir uns und den Wagen stundenlang. Immer in der Hoffnung, dass dies nun der letzte Berg sein möge. Dann irgendwann kam dieser See. Blau. In einem unglaublich tiefen Blau lag er zwischen den Bergen. Endlich Pause. Wir beschlossen hier in einem kleinen Gasthaus zu übernachten. Am nächsten Morgen Frühstück direkt an der Strasse, aber mit Blick auf den See. Hier bestellte ich den ersten Cappuccino meines Lebens und dazu ein Bombolone. - Unglaublich. - So einen Kaffee hatte ich noch nie getrunken. Zu Hause waren zu der Zeit Kaffeemaschinen in, die eher einen Magenbitter herstellten, als das, was ich nun bekam. Dieser aromatische Kaffee, schokoladig mit festem Milchschaum, dazu dieser Krapfen mit Vanillefüllung. Ich war im Himmel.
Die Erinnerung ist nicht vegan
Von diesen Geschmacksexplosionen, die sich tief in mein Hirn eingebrannt haben, gibt es noch einige. Die beste Pizza Margherita meines Lebens aß ich bei Michele, irgendwo in der Nähe der Via Tribunali in Neapel. Dort gab es nur zwei Sorten: Marinara und Margherita. Großvater Michele schwor darauf, dass nur diese beiden die einzig wahren Pizzen sind. Unglaubliche Nudeln mit Tomatensauce gab es in einem Hinterzimmer eines Tante Emma Ladens ein paar Straßen weiter. Und dann dieses Eis, unfassbar, dass das bei uns niemand so gut hinbekommt. Denke ich an den schönen Abend an einer Hafenmole in Griechenland, dann denke ich gleichzeitig an die gepökelte Makrele vom Grill, zu der uns ein Fischer einlud. Oder denke ich an Spanien, dann denke ich an gegrilltes Bellota-Schwein. Oder der Schinken aus der Extremadura, unglaublich. So ein gutes Fleisch hatte ich vorher noch nie gegessen. Die Erinnerungen an meine Reisen sind fest verbunden mit den eingespeicherten Genüssen, Gerüchen und Geschmäckern. Und seltsam, die wenigsten davon sind vegan. Selbst in den Nudeln mit der Tomatensauce in Neapel waren Sardellen, um den Geschmack abzurunden. Ich habe manchmal Sehnsucht nach diesen Orten. Ich möchte sie besuchen und mit dem gleichen Geschmack in meinen Erinnerungen schwelgen. Was gibt es schöneres, als etwas aus dem Urlaub nachzukochen und sich Fotos von damals anzusehen. Es ist, als wäre man dort. Und wenn man dorthin zurückkehrt, dann möchte man das gleiche bestellen. So wie damals, als wir diese tolle Zeit hatten, weisst Du noch? - Nur, als Veganer wird das schwierig. Fleisch ist für mich kein Thema, dazu habe ich inzwischen einen großen Abstand. Aber Pizza? Soll ich nie wieder diese geniale Pizza essen? Nie wieder einen Cappuccino trinken? Das kann ich nicht. Ich lebe seit einem halben Jahr vegan, aber ich bin vielleicht kein Veganer. Ich glaube, wenn ich jemals wieder durch die Via Tribunali schlendern sollte, werde ich die Pizzeria Michelle suchen und ein Stück Erinnerung bestellen, daran denken, was wir hier alles erlebten. Vielleicht nehme ich dann die andere Sorte, die Marinara, die ist sogar vegan. Ein schöner Kompromiss. Aber dann, in der nächsten Strasse rechts, diese geniale Eisdiele, die wird mich anziehen wie ein Magnet …


Die wahre Pizza
Die Associazione Verace pizza Napoletana hat das Rezept für die einzig wahre Pizza so festgelegt:
0,5 Liter Wasser
900 g Mehl Typ 00
25 g Meersalz
1,5 g Bierhefe
Das Salz im Wasser auflösen und in die Teigmaschine geben. Etwa ein Zehntel des Mehls und die Hefe hinzufügen. Die Maschine anstellen und langsam das restliche Mehl dazu geben. Das sollte etwa 10 Minuten dauern. Dann 20 Minuten langsam kneten. Der Teig sollte zu einer Kugel werden, leicht kleben, weich und elastisch sein.
Eine große Teigkugel formen und mit einem Tuch abgedeckt zwei Stunden gehen lassen. In 6-7 Teigkugeln teilen und diese unter einem feuchten Tuch weitere vier bis sechs Stunden gehen lassen. (Man kann die Kugeln auch mit Frischhaltefolie abgedeckt einen Tag im Kühlschrank gehen lassen.)
Der Belag der wahren Pizza Marinara besteht nur aus Tomate, Olivenöl, Knoblauch, Salz und Oregano. Es ist keine Meeresfrüchte-Pizza, sondern die Pizza der Fischer.
Die Pizza wird langsam mit den Händen auf einer bemehlten Fläche in ihre Form gebracht. Vier Millimeter dick mit einem ein bis zwei Zentimeter dickem Rand sollte sie sein. Für den Belag nehme ich am Liebsten frische Tomaten, schneide sie in Stücke und zerquetsche sie mit den Händen. Den Saft lasse ich abtropfen. Die Tomaten salzen, auf der Pizza verteilen und etwas fein gehackten Knoblauch und eine Prise Oregano darüber streuen. Mit Olivenöl beträufeln. Auf der heissesten Stufe des Ofens backen. (Pizza sollte bei 485 Grad 60 bis 90 Sekunden backen, da kommt mein Herd nicht mit, also dauert es halt länger.) Hmm, Neapel. (Na, ja, fast, die benutzen dort eine Holzofen und bestimmt noch irgendeine geheime Zutat, denn die Pizza schmeckt dort einfach viel besser.)