Eine handelsübliche Flasche Jack Daniel's Old No. 7 kostet im Handel etwa 15 Euro. Wie alt der Whiskey aus den USA darin ist – unbekannt. Wahrscheinlich exakt drei Jahre, denn erst dann darf man Whiskey auch so nennen. Doch drei Jahre sind eine kurze Zeit. Oft reicht sie nicht, um die Spirituose richtig abzurunden und ihr die Schärfe zu nehmen. Nicht selten schmecken junge Destillate scharf, riechen alkoholisch und haben kaum Charakter. Es gibt Ausnahmen, aber der Old No. 7 ist keine.
Doch für die Brennereien ist es ein lohnendes Geschäft – die Standardabfüllung von Jack Daniel's verkauft sich jedes Jahr millionenfach, der Preis kann niedrig gehalten werden. Und mal ehrlich: Wenn der Sprit ohnehin in der Cola landet, sind geschmackliche Nuancen Nebensache.
Über 100 Jahre fährt die Marke aus Lynchburg, Tennessee, diese Strategie mehr oder weniger schon. Offenbar mit Erfolg. Zwar gibt es immer wieder Sonderabfüllungen, etwa den Sinatra Select oder die McLaren Edition, doch um das Alter geht es dabei nicht.
Das ändert sich jetzt – schon vor zwei Jahren gab es in den USA erstmals einen Jack Daniel's mit offizieller Altersangabe, doch nach Deutschland haben die Flaschen es nicht geschafft. Erst jetzt kommt die Marke mit dem 10 Year Old (Batch 4) auch hierzulande auf den Markt. Doch ein Blick auf den Preis tut richtig weh: Beim Hersteller kostet die Flasche mit 0,7 Litern 120 Euro, im Handel geht's hoch bis 150 Euro. Für einen Jack Daniel's, dessen Standardabfüllung, zur Erinnerung, ab und an für 15 Euro im Angebot ist. Im Zweifel kostet der Zehnjährige also auch zehnmal so viel.
Eine Flasche Whiskey zum Preis von zehn
Man darf, nein, man muss sich also die Frage stellen: Lohnt sich das? Laut des vollmundigen Pressetextes besteht daran kein Zweifel. "Zehn Jahre Reifung unter extremen klimatischen Bedingungen – zuerst in heißen, dann in kühlen Lagerhausbereichen – sorgen für intensive Fassinteraktion und außergewöhnlichen Geschmack bei 97 Proof", heißt es da. 97 Proof sind übrigens 48,5 Prozent, dazu später mehr.
Der Druck wird durch die Werbung noch erhöht, denn diese besagt, dass der "Whiskey ein echtes Sammlerstück ist – limitiert, nummeriert und mit handverlesener Qualität aus Lynchburg. Ein Muss für Kenner und all jene, die den besonderen Moment schätzen." Vollmundig. Noch vor dem ersten Schluck.
Für Blindkäufer können das ohne Zweifel ausreichend Argumente sein, um zuzuschlagen. Im stern-Test bleiben wir aber neutral und unbefangen.
Naheliegend haben wir den zehn Jahre alten Whiskey mit seinem Billo-Bruder, dem Old No. 7, verglichen. Die Sieben steht übrigens nicht für das Alter – ganz wichtig. Es heißt, das sei die Anzahl der Frauen, denen Firmengründer Jack Daniel mit der Rezeptur ein Denkmal setzen wollte. Oder es war seine Glückszahl. Die Erklärung kann man sich im Grunde aussuchen, was stimmt, weiß niemand.
Fakt ist, dass es ein absoluter Standard in jeder Bar ist. Doch pur zeigt sich schnell, wieso "Jacky Cola" so beliebt ist. Zwar ist die Nase recht fruchtig, etwas nussig und mit Vanille durchzogen, doch der Alkohol kommt merklich durch und verrät schnell, dass es vergleichsweise schnell aus dem Fass gehen musste. Am Gaumen ist der Old No. 7 sehr süß, unterstreicht das mit Karamell und bleibt dabei recht flach. Lässt man ihn atmen, ändert sich das kaum. Der Whiskey ist gefällig, aber keinesfalls ein Highlight. Trotzdem: Für 15 Euro macht man sehr wenig falsch.
Lohnt sich der Jack Daniel's 10 Year Old (Batch 04)?
Die Gefahr, Geld verschwendet zu haben, steigt beim Zehnjährigen Jack Daniel's natürlich exponentiell. Immerhin basiert er auf dem gleichen Rezept, also eine Getreidesorten-Mischung aus 80 Prozent Mais, 12 Prozent Gerstenmalz und 8 Prozent Roggen. Doch wir können beruhigen: Tatsächlich hebt sich der alte Whiskey deutlich vom Standard ab. Das beginnt beim Geruch: dunkle Schokolade, warme Holznoten, Vanille, etwas feuchter Keller, eine beerige Süße. Völlig anders als der Old No. 7. In einer Blindverkostung wäre die Brennerei niemals erkennbar.
Im Direktvergleich mit dem billigen Whiskey kommt der Unterschied erst recht zur Geltung. Dem Old No. 7 bleibt nur sein süßer Obstkorb, während der Zehnjährige durch Reife, ein merkliches Alter und einen ausgewogenen Charakter überzeugt.
Geschmacklich kann der Jack Daniel's 10 ebenfalls punkten: Von der Süße des Old No. 7 bleibt keine Spur, wie auch in der Nase schon ist von den 48,5 Prozent nichts zu spüren. Die Zeit im Fass, Jack Daniel's spricht von einer Lagerung in unterschiedlichen Klimazonen, hat dem Destillat merklich geholfen. Am Gaumen bleibt Karamell, Toffee, Honig, ein wenig roter Pfeffer, eine bedeckte Zartbitternote und ein Hauch Tabak. Die Dominanz der Aromen ändert sich, je länger er atmen darf.
Im Abgang, dieser ist allerdings recht kurz, bleibt eine wohlige, zartbittrige Wärme.
Bitte pur
Anders, als es bei dem Old No. 7 der Fall ist, empfiehlt sich beim Zehnjährigen der pure Genuss. Natürlich macht ein hochwertiger Whiskey auch eine bessere Whiskey-Cola, aber es wäre schade um die Spirituose. Der Jack Daniel's 10 Year Old (Batch 04) ist ein toller Whiskey und sollte mindestens ein Mal ohne Eis, ohne kühlende Steine und ohne Mischgetränk im Glas landen. Jack Daniel’s beweist hier eindrucksvoll, dass auch große Marken Tiefe zeigen können – wenn sie wollen.
Natürlich gibt es auch Grund für eine verhaltene Beschwerde über die Abfüllung. Wer 120 Euro ausgibt, möchte auf der Flasche auch lesen können, dass beispielsweise kein Farbstoff enthalten ist. Auch zum Verzicht auf eine Kältefiltration, ein Qualitätsmerkmal für Whiskey, ist auf der Flasche nichts zu finden, obwohl es durchaus zutreffen könnte.
Schade ist auch, dass die Brennerei den Whiskey nicht in Fassstärke abgefüllt hat. Ob man dann bei 120 Euro hätte bleiben können, sei dahingestellt. Man hätte dem Käufer aber die ungewohnte Aromenvielfalt in voller Ausprägung überlassen. Für eine vermutlich seltene Sonderedition wäre das ein klarer Pluspunkt gewesen. Mit Wasser (oder Cola) nachverdünnen kann man immer noch, auch wenn man es nicht sollte.