Im Garten meines Opas spielte der Spaten eine ganz besondere Rolle. Er wurde wie ein Heiligtum behandelt, dem alles könnende Eigenschaften zugeschrieben wurden.
War man mit dem Problem konfrontiert, in der Erde graben zu müssen, musste immer der Spaten her. "Dafür nimm den Spaten!", hieß es dann. Oder wie mein Opa zu sagen pflegte, wenn es etwas im Garten zu arbeiten gab: "Ich muss den Spaten holen".
Jetzt möchte man meinen, dieser heilige Spaten wäre von besonderer Schönheit gewesen. Weit gefehlt, die Erwartung darf ich enttäuschen. Der Spaten meines Opas war ein ganz gewöhnlicher. Schon ein wenig rostig am Stielansatz. Und auch die Schraube, die den Stiel halten sollte, war irgendwann einmal mit einem Nagel ersetzt worden. Dieser Spaten war ein ordinärer, mit einfachem Holzstiel und aus Stahl gehämmert.
Trotzdem verpasste ich diesem Arbeitsgerät eine magische Bedeutung. Was musste der Spaten schon alles gesehen und erlebt haben? Man hätte ihn öfter nach den Geschichten fragen sollen, die er mir damals zu erzählen wusste. Geschichten von Regenwürmern, die er in jungen Jahren noch glatt durchtrennte, oder Geschichten von Steinen im Boden, an denen er sich stieß, sich seine Altersnarben holte. Der Spaten hätte dir von Frühlingstagen berichten können, an denen sich die Bienen auf seiner Schaufelfläche niedergelassen hatten, sich auf ihr in einer Verschnaufpause sonnten, bevor sie weiter zum Apfelbaum geflogen wären, um die Blüten zu bestäuben.
Opas Spaten, der wurde rasch mein Symbol fürs Küchengarteln. Mit ihm stach man im Frühling die Beete um. Oder er galt als Pflichtwerkzeug, wenn es hieß, die Rasenkante abzustechen. Der Spaten half aber auch beim Kompost, wenn dieser umgesetzt wurde. Man die frische Komposterde durch das Gitter warf, um diesen feinkrümeligen Schatz dann auf die Beete auszubringen. Natürlich wieder mit Freund Spaten.
Selbst wenn mein Opa zu den Bienen ging, war der Spaten mit dabei. Zumindest befand sich dieser in Griffweite der Bienenhütte, aus der es dann fleißig qualmte, wenn der Opa die Stöcke öffnete um gefüllte Waben zum Schleudern zu entnehmen. Der Spaten stand währenddessen neben der Tür. Zu welchem Zweck, entzieht sich heute meiner Kenntnis.
In all den Jahren meiner Kindheit schloss ich Freundschaft mit diesem Heiligtum. Stapfte in Gummistiefeln und Blaugewand neben meinem Opa her und zog seinen Spaten hinter mir nach. Um dann gemeinsam mit dem Opa Rasen auszustechen oder Kompost zu sieben. Oder beide an der Bienenhütte zu beobachten.
Die Liebe zum Spaten konnte ich mir ins Erwachsenenleben retten. Als ich nämlich meinen ersten eigenen Garten anlegte, begann ich dieses Vorhaben mit dem Kauf eines Spatens. Und als ich in den Bungalow hier zog, boten mir die Nachbarn an, ihre Gartengeräte mitbenützen zu können. Den Spaten unter diesen machte ich mit Kennerblick sofort aus. Da war er wieder, mein treuer Begleiter. Und er ist seitdem mein Lieblingsgartengerät geworden, das ich mir immer wieder borge, um eben Kompost umzusetzen, zu graben oder Rasen abzustechen. Und wenn ich müde bin, stütze ich mich auf ihn. Dann erzählt er mir von seinen jungen Jahren, von Regenwürmern, Steinen, Bienen....
SPATEN: Gerätename aus dem Spätmittelhochdeutschen, gleichbedeutend mit dem mittelniederdeutschen Wort "spade" (englisch: "spade") für "zeigen". Der Spaten war ursprünglich ein hölzernes Arbeitsgerät, ein schaufelähnliches Werkzeug zum Graben. Die Grundbedeutung des Wortes wird mit "langes, flaches, Holzstück" im Duden Herkunftswörterbuch angegeben und leitet sich vom Wort "Span" (Span oder Schindel) ab. Der Spaten ist sprachgeschichtlich auch mit dem englischen "spoon" für "Löffel" verwandt.
Zum Foto: Ist das jetzt ein Spaten oder eine Schaufel?