Serie "9 Milliarden. Wie werden alle satt?" Der 5-Punkte-Plan zur Ernährung der Welt

Von Jonathan Foley
Im Jahr 2050 muss die Erde zwei Milliarden Menschen mehr ernähren als heute. Wie soll das gehen, ohne den Planeten zu überforden? "National Geographic" versucht Antworten zu geben - Teil 1.

Fast eine Milliarde Menschen auf der Welt hungern, viele andere leben in verschwenderischem Überfluss. Die rasant zunehmende Weltbevölkerung macht es erforderlich, noch mehr Nahrung zu produzieren. Und schafft dadurch weitere Probleme.

Ackerbau und Viehzucht sind mit die wichtigsten Verursacher der Erderwärmung, sie sind die Quelle von mehr Treibhausgasen als alle unsere Autos, Züge und Flugzeuge zusammen. Die Landwirtschaft ist der größte Verbraucher der kostbaren Vorräte von Süßwasser und ein gewaltiger Umweltverschmutzer, da der Abfluss von Kunstdünger und Gülle Seen, Flüsse und Küstenökosysteme belastet und zerstört.

Der 5-Punkte-Plan zur Rettung der Welt

Als Direktor des Instituts für Umwelt und Professor für Fragen globaler Nachhaltigkeit an der Universität St. Paul in Minnesota leitete ich kürzlich ein Team von Wissenschaftlern, das sich mit der Frage beschäftigte: Wie kann die Welt die Nahrungsproduktion verdoppeln und zugleich den durch die Landwirtschaft verursachten Schaden mindern? Wir haben eine Unmenge von Daten analysiert und unsere Erkenntnisse in einen 5­-Punkte­-Plan gefasst, mit dem man das Ernährungsproblem der Welt lösen könnte. Diese Punkte sind:

1. Stopp des zusätzlichen Flächenverbrauchs durch die Landwirtschaft

Bisher haben wir immer, wenn wir mehr Nahrung produzieren mussten, einfach mehr Wälder und Grünflächen gerodet, um Ackerland zu gewinnen. Doch wir können es uns nicht mehr leisten, mehr Natur für den Anbau von Getreide und die Erzeugung von Fleisch zu opfern. Wo heute Wald gerodet wird, nützt dies nur sehr selten den 850 Millionen Menschen auf der Welt, die Hunger leiden. Die weitere Entwaldung zu vermeiden hat höchste Priorität.

2. Steigerung der Erträge in bestehenden Betrieben

Die erste "grüne Revolution" zu Beginn der sechziger Jahre brachte verbesserte Getreidesorten, mehr Düngemittel, moderne Bewässerungsmethoden und Maschinen. In der zweiten Phase kann sich die Welt den übrigen, wenig produktiven Ackerflächen zuwenden, besonders in Afrika, Lateinamerika und Osteuropa. Hier klaffen zwischen realen Ernten und möglichen Erträgen gewaltige Lücken. Mithilfe verbesserter Anbaupraktiken sowie Verfahren aus der ökologischen Landwirtschaft kann man in diesen Regionen die Erträge um ein Mehrfaches steigern – ohne die ökologischen Fehler der Vergangenheit zu wiederholen.

3. Effizientere und nachhaltige Nutzung von Wasser und Dünger

Die konventionelle Landwirtschaft macht heute große Fortschritte bei der Suche nach innovativen Wegen, Düngemittel und Pestizide sparsam und zielgerichtet auszubringen. Daneben wächst der ökologische Landbau. Er verbessert die Böden durch Gründüngung, das Aufbringen von Mulchmaterial und Kompost. Das spart Wasser und bewirkt eine natürliche Anreicherung mit Nährstoffen. Neue Bewässerungssysteme verschwenden zudem weniger Wasser; sie setzen auf zielgenaue Tropfbewässerung. Durch konsequente Anwendung moderner Methoden im konventionellen wie im ökologischen Landbau würden wir "mehr Ertrag pro Tropfen" aus unseren Wasser­ und Nährstoffvorräten gewinnen.

4. Umstellung der Ernährungsgewohnheiten

Die Welt kann im Jahr 2050 neun Milliarden Menschen ernähren, wenn wir nicht so viele pflanzliche Produkte an Tiere verfüttern. Nur gut die Hälfte aller weltweit produzierten pflanzlichen Kalorien essen wir direkt, mehr als ein Drittel dient als Futter für Rinder, Schweine und Hühner, knapp ein Zehntel wird zu Biokraftstoff und Industrieprodukten verarbeitet. Wenn wir weniger Fleisch essen, wird das große Mengen an Nahrung freisetzen. Wegen des Nachholbedarfs von Menschen in Entwicklungs­ und Schwellenländern ist es sinnvoll, das Essverhalten zunächst in Ländern zu korrigieren, in denen fleischreiche Kost seit langem der Standard ist – also auch bei uns.

5. Stopp der Verschwendung und Vernichtung genießbarer Lebensmittel

Etwa ein Viertel aller weltweit erzeugten Nahrungskalorien gehen verloren oder landen auf dem Müll, ehe sie konsumiert werden können. In reichen Ländern geht die Verschwendung zu großen Teilen auf das Konto von Supermärkten, Restaurants und Haushalten, in armen Ländern sind Mängel bei Lagerung und Transport vom Erzeuger zum Markt die Ursache großer Verluste. Bei uns gibt es viele Möglichkeiten, weniger zu verschwenden: kleinere Mengen auftischen, Reste nutzen, die Voraussetzungen dafür schaffen, dass Restaurants und Supermärkte nicht so viel – häufig importierte Nahrung – wegwerfen müssen. Dann wird viel mehr für andere übrig bleiben.

Mehr zum Thema...

... finden Sie in der aktuellen Mai-Ausgabe von National Geographic.

Das Ziel ist die Balance

Die Kombination der Maßnahmen könnte die Nahrung für die Welt mehr als verdoppeln und die schädlichen Auswirkungen der Landwirtschaft auf die Umwelt deutlich begrenzen. Aber diese Vorschläge erfordern, dass wir umdenken. Wir müssen uns von der historisch gewachsenen Vorstellung verabschieden, alle Probleme durch ein Immer-­Mehr lösen zu können.

Aus Verantwortung für unsere Kinder und Enkel müssen wir eine neue Balance finden zwischen der Mehrproduktion an Nahrung und der nachhaltigen Bewirtschaftung unseres Planeten. Die gute Nachricht ist: Wir wissen bereits, was wir zu tun haben. Wir müssen es nur noch umsetzen.

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