Jedem deutschen Autofahrer ist klar, dass mit Milchlastern auf dem Nürburgring kein Rennen zu gewinnen ist. Wenn das so leicht einzusehen ist, warum hauen wir dann so beharrlich Milchrindfleisch in die Pfanne und versuchen so, den großen Steakpreis von Deutschland zu erbraten?
Köche, das kann nicht klappen, das Zeug ist einfach nicht zum Braten da! Bitte mal herhören: Es gibt Milchrinder, und es gibt Fleischrinder. Milchrinder sind erst einmal zum Melken da, das Fleisch ist Nebensache. Der deutsche Bauer ist primär ein Milchbauer und züchtet seine Tiere zum Ziel, dass sie immer mehr Milch geben, weshalb die Kühe wie magersüchtige Silikonbusenträgerinnen aussehen. Natürlich sind es ihre Bullen, die wir verspeisen. Doch ein Genuss sind die nicht. Das bekannteste Milchrind in Deutschland ist das Holsteiner Rind, zu erkennen am schwarz-weiß gefleckten Fell.
Info Abhängen
Muss jedes Rind fleisch reifen? Reifen müssen solche Schnitte, die bei starker Hitze kurz gebraten werden, also Steakfleisch wie Entrecôte und Roastbeef. Ungereift ist kaum ein Steak zart. Ausnahme: Filet, das aber auch jedem Deppen gelingt. Und das Keulenfleisch? Das braucht nicht zu reifen, da es durch langes Schmoren im Topf (z. B. Gulasch) oder als Bratenstück im Ofen ohnehin zermürbt werden kann - mit Betonung auf kann. Bei turbogemästetem Milchbullenfleisch ist auch das nicht sicher. Man kaut und kaut und … Was geschieht beim Reifen? Natürliche Enzyme im Fleisch, Proteasen genannt, zerlegen das Eiweiß der Muskelfasern schon mal vor. Das dauert gut 14 Tage. Danach erst nehmen sich die Proteasen auch das zähere Bindegewebe vor, wozu ihnen weitere 14 Tage eingeräumt werden sollten.
Irland. Das Paradies der Fleischrinder
Ganz anders als das Milchrind kommt das Fleischrind daher - kleine Körbchen größe, aber viiiele Muckis. Die Rassen heißen Charolais, Angus, Limousin, Galloway oder Hereford. Es gibt auch in Deutschland Züchter dieser Tiere, aber www.fleischrinderzuechter.de nennt gerade mal acht Direktvermarkter für ganz Deutschland. Was sagt uns das? Dass es traurig um unser Steakfleisch steht.
Doch Hilfe naht! Aus Irland. Irland ist das Paradies der Fleischrinder. Dort hat die stern-Redaktion für ihre Leser Steakfleisch zurücklegen lassen. Abgehangen. Vakuumiert. Schockgefrostet. Zwei Steaks à 280 g kosten 27,40 Euro plus Versand. Es ist das Fleisch von Züchterinnen wie Joan Cleary. Sie zieht immer nur 40 Schlachttiere heran. Zum Glück gibt es viele kleine Züchter wie sie rings um den Ort Nenagh (sprich: Nina). Nenagh liegt im Süden Irlands, und die Bauern sind stolz auf ihre Rinder - zu recht?
Furchtbar unappetitlich
Fragen wir Schlachthofchef Connie O'Halloran. Mr O'Halloran, wie sieht ein gutes Rind aus? "Oh, das ist einfach. Sehen Sie diese Hinterbacke? Schön prall, nicht wahr? So mag ich das, so müssen Hereford-Rinder aussehen. Das Gegenteil sind deutsche Kühe, die Holsteiner. Da stehen die Knochen richtig raus, furchtbar sieht das aus, unappetitlich. Oh, you're from Germany? Please don't take it personal."
Anders als in Deutschland stehen irische Rinder nur einen kleinen Teil des Jahres im Stall. "Meine dürfen zwei Monate im Jahr rein, bis das Gras nachgewachsen ist", sagt Cleary, "dann jage ich sie wieder raus." Hereford-Rinder vertragen diese robuste Haltung. Mit ihrem gedrungenen Körper und sturen Blick erinnern sie eh an Rugby-Spieler. Sie fressen Gras, Gras, Gras. In der Stallzeit gibt's Silage, wieder aus Gras, aber diesmal fermentiert, und nur ganz selten, in härtesten Wintern, wird Weizen zugefüttert. Diese Ernährung und der Auslauf sorgen für ein Fleisch mit leichter Marmorierung - Fetteinsprengsel im Muskelgewebe garantieren einen Geschmack, bei dem das Fleisch von Holsteiner Kühen schlicht nicht mitkommt.
Einmal Abhängen, bitte!
Die Tiere werden schonend geschlachtet: Jedenfalls garantiert ein enges Netz von kleinen Schlachthöfen, dass kein Tier länger als eine Stunde transportiert wird. Die Hälften werden danach nur ganz gemächlich heruntergekühlt, sodass die Muskeln relaxen können. Das ist irischer Standard.
Kein Standard aber ist, worum der stern die Schlachter in Nenagh außerdem gebeten hat: Sie hängen ihr Fleisch wieder ab, so, wie das früher auch bei uns üblich war. Zu diesem Zweck schneiden sie die wertvollen Rückenteile aus den Rinderhälften und hängen sie bei zwei Grad plus in einen Kühlraum. Dort bleibt das Fleisch nicht nur eine lächerliche Woche, wie es bei uns leider lang schon Usus ist, sondern vier.
Verschrumpelte Delikatesse
Jeder deutsche Durchschnittsschlachter wird nun wortreich erklären, dass das nicht geht. Liebe Metzger - und es geht doch! Nur verliert ein Rückenstrang dabei etwa 20 Prozent Gewicht - und es ist genau dieser Verlust an Wasser, der euch davon abhält, das Abhängen an der Luft wieder einzuführen. Ihr habt euch daran gewöhnt, 20 Prozent mehr in der Kasse zu haben, für schlechteres Fleisch. Und ferner Strom und einen extra Reiferaum zu sparen.
Abgehangenes Fleisch sieht zwar zunächst etwas verschrumpelt aus, aber nach dem Zuschneiden liegt eine Delikatesse in der Pfanne - nämlich ein wunderbar mürbes, saftiges Steak. Und der Geschmack ist so intensiv, dass selbst Kalorieneinwerfer, die einfach nur so irgendetwas essen, verzückt lächeln werden.
Machen Sie es wie Joan Cleary: Probieren Sie. Wie war's, Frau Cleary, als Sie das erste Mal vier Wochen lang abgehangenes Steak aßen? "Also", sagt sie, "ich wusste ja, dass Herefords immer gut für ein prima Stück Fleisch sind. Aber neuerdings sehe ich meine Tiere anders an. Gieriger irgendwie."
Kontakt:
Otto-Gourmet, Industriestr. 33, 52525 Heinsberg, Tel.: 02452/97 62 60, www.otto-gourmet.eu