Teil 22 Besser spät als nie

Vor über 800 Jahren kam er aus Frankreich als "Pinot noir" zu uns. Deutsche Winzer nannten ihn Spätburgunder - und machten ihn noch leckerer

Ein MONSTERWEIN! So lautet das größte Kompliment, das einem Rotwein zuteil werden kann - wenn es nach Robert Parker geht, dem mächtigsten Weinkritiker der Welt. Schwarz, breit und stark muss der Rotwein sein, dann beginnt der Amerikaner zu schnurren. Unser Roter aus Baden ist alles andere als ein Monster. Er ist weder blickdicht schwarz, noch hat er ein Kreuz wie Schwarzenegger. Ein Spätburgunder vom Kaiserstuhl ist eben eine Klasse für sich. Man sieht es ihm schon an: Im Glas funkelt er mit einem transparenten Rubinrot und unterstreicht so die These, dass Farbe nicht viel über den Geschmack eines Weines sagt. Unser Exemplar mag harmlos aussehen, aber der Wein duftet verführerisch nach Johannisbeergelee, Brombeeren und Kirschen, Anis und Feigen. Und im Mund dreht er auf, packt den Gaumen und zieht seine Geschmacksspur schööön in die Länge.

Von Natur aus liefert Spätburgunder relativ helle Rotweine, weil seine dünne Beerenhaut viel weniger Farbstoffe besitzt als die Dickhäuter Cabernet Sauvignon oder Merlot. Trotzdem entwickelt er ein vielschichtiges Aromenspiel, das er einer weiteren Besonderheit verdankt: seiner sehr präsenten, delikaten Fruchtsäure. "Ohne Sauerstoff entwickelt sich nichts. Im Stahltank würde der Reifeprozess viel länger dauern", sagt Horst Konstanzer, der deshalb die Hälfte seines Spätburgunders in Holzfässern lagert, damit die Gerbstoffe per Sauerstoffzufuhr durch die Poren des Eichenholzes (Mikrooxidation) weicher werden - am Ende wird er mit der im Tank gereiften Hälfte vermischt. Auch wegen dieser Mühen wird man an unserem Konstanzer noch in vier Jahren seine helle Freude haben. Beim Essen bringen Spätburgunderweine eine feine Abwechslung ins tiefdunkle Rotwein-Einerlei. Er adelt geschmorte Lammhaxen, rosa gebratene Rehkeule mit Sauce Cumberland, ist aber auch ein charmanter Begleitservice für indisches Gemüsecurry - ein Traumtänzer, der kulinarische Horizonte öffnet

Die Heimat dieser Rebso rte ist das Burgund. Sie trat ihren eigentlichen Siegeszug mit den Zisterziensermönchen an, die im 12. Jahrhundert vom Burgund gen Osten aufgebrochen waren, ihre Brüder und Schwestern auf den Pfad des rechten Glaubens zu führen. Der Wein hat ihnen als liturgisches und spirituelles Getränk sicherlich wertvolle Dienste geleistet. Auf Französisch heißt die Rebe "Pinot noir", im Deutschen kommt zum Burgund das Präfix "Spät" - weil es noch die rote Sorte Frühburgunder gibt, die einige Wochen zeitiger erntereif ist. Bei Rotwein vom Kaiserstuhl handelt es sich allerdings fast immer um Spätburgunder. Ihre beste Sorte pflanzen die Winzer rund um den erloschenen Vulkankegel, weil der Spätburgunder höchste Ansprüche an Boden und Mikroklima stellt. So entwickelt dieser Wein seinen ganz besonderen, würzig-erdigen, fruchtigen Charakter, genau wie bei unserem Vertreter, der von den Terrassenlagen rund um Ihringen stammt. In Deutschland nimmt der Spätburgunder über elf Prozent der Rotweinanbaufläche ein, in Baden führt er sogar die Statistik an, noch vor dem weißen Volkswein Müller-Thurgau.

print
Cornelius und Fabian Lange