Für rote Brummer wie diesen Südfranzosen haben wir immer ein Gläschen frei, schließlich strahlt der tiefrote Verführer seine ganze Wärme aus. Der Minervois lebt! Mal erinnert er uns an Thymian, Tabak, Tinte, dann an Sauerkirschen und Wacholder. Der "Secret de Fontenille", so heißt dieser Wein, inspiriert die Nase, je länger wir ihn im Glas haben, und er fließt herrlich weich über die Zunge. In seiner Spur bleibt nichts Stumpfes oder Raues zurück. Das ist kein pelziger Gerbstoffklotz, bei dem man das Gefühl hat, die russische Armee sei einem in Strümpfen über die Zunge gelaufen.
Der Winzer Eric Mari komponiert seinen Rotwein aus den Rebsorten Grenache (40 Prozent), Syrah (20 Prozent) und Carignan (40 Prozent) - im Minervois gehört dieses Trio zum guten Ton. Grenache bringt die Frucht ins Spiel, Syrah die Kraft und Carignan die Würze. Wieder eine Cuvée also, ein Eintopf praktisch - und genau dazu trinken wir unsere Flasche aus: zu einem Cassoulet mit weißen Bohnen, Lamm, Tomaten, Thymian und scharfen Knoblauchwürstchen obendrauf. Eric Maris Fruchtbombe schmeckt bei 16 Grad Trinktemperatur am besten und macht Spaß bis 2009.
Der Geheimtipp aus dem Cahors . . .
. . . heißt Georges Vigouroux. Was er aus einem alten Weinberg im Südwesten Frankreichs herausholt, ist schlicht sensationell.
Für einen Wein wie den Minervois lohnen sich ausnahmsweise Gläser mit 10 Zentimeter Durchmesser. Wir füllen sie zu einem Drittel, dann ist genug Platz für seinen starken Duft. Ansonsten kennen wir natürlich Leute, die haben für jeden Weintyp ein anderes Glas im Schrank. Das macht zwar mächtig was her, ist aber überflüssig. Wir finden, ein Universalglas mit 18 Zentimeter Höhe und 8 Zentimeter Durchmesser reicht für den Anfang völlig aus und passt für alle Rot- und Weißweine. Die Schlieren oder Tränen am Glasrand sagen übrigens nichts über die Weinqualität, sondern sind Ergebnis einer physikalischen Reaktion von Wasser und Alkohol. Grundsätzlich gilt: Je höher der Alkoholgehalt, desto deutlicher ist dieser Effekt.
Das Minervois ist eine Insel im Rebenmeer des Languedoc-Roussillon, das sich von der Rh™nemündung bis zu den Pyrenäen an der spanischen Grenze zieht. Rund 40 Kilometer vom Mittelmeer entfernt liegen die Weinberge des Minervois vor der schroffen Kulisse der Cévennen. Das Languedoc-Roussillon war schon fast vergessen: Hier, in der größten Weinbauregion Frankreichs, wurde lange nur anonyme Massenware für die Literflasche produziert, Marke "ganz unten im Regal". Glücklicherweise mischt heute einer wie der junge Eric Mari ganz oben mit, seine Rotweine geben dem Minervois die Würde zurück: In ihnen spiegelt sich das Potenzial dieser erstaunlichen Landschaft wider. Genau wie in den Nachbargebieten Corbières, Fitou und Côtes du Roussillon - auch dort bringen neue Leute Schwung in den alten Laden. Schön blöd, wenn Etikettentrinker einen Bogen um die Gaumenschmeichler dieser Region machen, weil ihnen die Rotweine nicht teuer genug sind.