Auswege aufzeigen Vier Arbeitssüchtige erzählen: "Was es so zwanghaft macht, ist die Verknüpfung mit dem Selbstwert"

Thema Arbeitssucht: Eine Frau sitzt müde vor ihrem Laptop mit einer Tasse in der Hand
Manche Betroffene von Arbeitssucht halten ihr Energielevel mit Kaffee und Zucker über den Tag hinweg aufrecht 
© Getty Images
Menschen, für die der Job zur Sucht wird, arbeiten exzessiv – selbst wenn es keinen Spaß macht. Das hat schwerwiegende Folgen für Körper und Psyche. Der stern hat mit vier Betroffenen gesprochen.

Dieser Text stammt aus dem stern-Archiv und erschien zuerst am 19. April 2023. 

Wer "Workaholic" sagt, meint das oft nicht ganz ernst. Aber es gibt sie wirklich: Zehn Prozent der Erwerbstätigen neigen zu suchthafter Arbeit. Das zeigt eine Studie der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. Der stern hat mit vier Betroffenen gesprochen. Sonja (66), Julia (34), Tom (35) und Jürgen (65) heißen eigentlich anders und erzählen im Gespräch, woran sie spürten, dass sie in die Arbeitssucht geraten sind, welche gefährlichen Auswirkungen das auf ihr Leben hatte. Und wie sie wieder herausfinden – jeden Tag neu.

Wann habt ihr festgestellt, dass ihr nicht nur ein bisschen zu viel arbeitet, sondern sich eure Arbeit in Richtung einer Sucht entwickelt?

Sonja: Ich habe zu der Zeit sehr viel Kaffee getrunken. An einem Sonntag vor dreißig Jahren, als ich mit meiner Tochter und einer Freundin im Park war, habe ich dann gemerkt, ich bin total erschöpft, ich brauche einen Kaffee, aber ich habe da im Park keinen gekriegt. Ich habe mich beobachtet und gemerkt, wie viel Koffein ich eigentlich trank. So viel, dass ich dadurch konstant Energie bekam und gar nicht mehr spürte, wann ich müde war. Da habe ich gemerkt: Etwas stimmt nicht. Ich habe dann eine Woche auf Kaffee verzichtet. In dieser Zeit war ich nicht nur müde, sondern todmüde. Ich musste mir freinehmen, meine Tochter zu den Großeltern geben. Es war ein eiskalter Entzug.