Corona und die psychische Belastung "Würde mir solidarisches Miteinander wünschen" – Psychologin über Partys und den Wunsch nach Normalität

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Trotz Corona war es auf der Großen Freiheit in Hamburg am Samstag voll. Sozialpsychologin Pia Lamberty erklärt,  warum es beim Feiern oder im Urlaub schwer ist, die Pandemie-Disziplin einzuhalten.
© DPA / privat
Partys in Berlin, in Hamburg oder auf Mallorca: Immer weniger Menschen scheinen sich an die Corona-Maßnahmen zu halten. Warum das gerade im Urlaub schwerfällt und was Bund und Länder nun tun sollten, erklärt Sozialpsychologin Pia Lamberty.

Hier in Hamburg wird auf dem Kiez fast wieder normal gefeiert. Auch im Schanzenviertel musste die Polizei teilweise Abstandsregeln durchsetzen. Wie erklären Sie das Nachlassen der Disziplin?

Punktuell wirkt es immer wieder so als würde die Disziplin nachlassen. Vielfach werden die Maßnahmen aber immer noch akzeptiert. Trotzdem sollte man das im Blick behalten. Menschen müssen sich über einen langen Zeitraum einschränken, keiner weiß, wann die Pandemie zu Ende ist. Persönliche Bedürfnisse stehen hinter dem Gemeinwohl zurück. Darüber hinaus wird immer wieder gezielt Stimmung gegen die Maßnahmen gemacht.

Auch von Mallorca oder aus Bulgarien gibt es Berichte über Urlauber, die ohne Abstand feiern. Haben Sie dafür Verständnis?

Wir erleben momentan eine globale Krise. Das bedeutet für Menschen Einschränkungen und psychische sowie gesundheitliche Belastung. Im Urlaub möchte man diesen Stress einmal vergessen können. Das erhöht das Risiko einer Verbreitung. Ich würde mir insgesamt ein solidarisches Miteinander wünschen. Die Pandemie betrifft nicht alle Menschen gleich. Menschen, die in Armut leben oder Risikopatienten sind härter davon getroffen. Dementsprechend halte ich einen verantwortungsbewussten Umgang miteinander für elementar.

Die Politik muss eine Gratwanderung schaffen zwischen dem Eindämmen der Pandemie und den wirtschaftlichen und psychischen Folgen von Lockdown und Isolation. Waren Bund und Länder da bisher erfolgreich?

Deutschland ist bisher vergleichsweise gut davongekommen. Trotzdem haben sich auf gesellschaftlicher Ebene problematische Entwicklungen gezeigt. Verschwörungserzählungen haben sich radikalisiert und das kann ernsthafte Konsequenzen haben. Nicht nur für das Management der Pandemie, sondern auch für die, die von dieser Szene als Feindbild ausgemacht wurden. Mit diesem Thema muss sich stärker auseinander gesetzt werden.

Was hätten die Regierenden besser machen können, um die Bürger länger bei der Stange zu halten in Bezug auf der Corona-Maßnahmen?

Gregor Peter Schmitz mit den Buchstaben GPS

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Pia Lamberty
© privat / DPA

Pia Lamberty

ist Psychologin und forscht am Lehrstuhl Sozial- und Rechtspsychologie der Uni Mainz mit dem Schwerpunkt Verschwörungsmentalität und Verschwörungsglauben.

Ich halte eine transparente Kommunikation für wichtig. In den letzten Monaten haben sich mit zunehmendem Wissen über das Virus auch die Handlungsempfehlungen gewandelt. Dieser Prozess der wissenschaftlichen Erkenntnisgewinnung sollte transparent gemacht werden. Es wirkte auch an manchen Stellen so, als würde zu lange abgewartet, während Hetze und Hass verbreitet wurden.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hat argumentiert, man würde nun auf die Eigenverantwortung der Bürgerinnen und Bürger setzen. War das die richtige Strategie?

Wenn Maßnahmen aus eigenem Antrieb heraus durchgeführt werden, ist die Akzeptanz natürlich höher. Für uns alle ist die Pandemie neu. Auch Regierungen mussten erst einmal lernen, was funktioniert und was nicht.

Was haben die unterschiedlichen Lockerungen in den Bundesländern psychologisch bewirkt?

Mit den Lockerungen kam es zu den Protesten gegen die staatlichen Maßnahmen, die auch von Verschwörungsideologen und Rechtsextremen als Plattform genutzt wurden. Über die Projektion auf einen vermeintlichen Verschwörer konnten sich Menschen so als Widerstandskämpfer inszenieren. Insgesamt macht mir Sorge, dass auch die Impfbereitschaft niedriger ist als noch vor ein paar Monaten.

Was würden Sie Bund und Ländern im Umgang mit zurückkehrenden Urlaubern nun raten?

Auch wenn die Pandemie es oft nicht erlaubt, scheint mir eine längerfristige Planung sinnvoll, damit Menschen wissen, worauf sie sich einlassen müssen, wenn sie in den Urlaub fahren.

Sehen Sie eine Chance, die Disziplin der Bürger wegen der Corona-Maßnahmen wieder zu steigern?

Ich denke, es braucht eine transparente Kommunikation. Zu der gehört auch die Kommunikation von Fehleinschätzungen. Vertrauen aufzubauen, ist hier entscheidend. Daneben sollte es Räume geben für demokratischen Austausch. Sonst werden diese Räume von Verschwörungsideologen besetzt.

Interview: Thomas Krause

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