Baden-Württemberg Tabakpflanzer in Deutschland: Die Letzten ihrer Art

Landwirt Jens Vogel steht neben frisch geernteten Tabakblättern
Landwirt Jens Vogel neben frisch geernteten Tabakblättern auf einem Feld im Altenburger Land
© Sebastian Willnow / DPA
Seit Jahren ist der Tabakanbau in Deutschland im Niedergang. Doch ein harter Kern hält trotz vieler Umbrüche an den Pflanzen fest – auch, wenn die Ernte ein Knochenjob ist. Fragt sich, ob das so bleibt.

Sie sind die letzten ihrer Art: Für die Tabakbauern in Baden, in der Pfalz oder im Altenburger Land geht es in diesen Wochen in die heiße Phase der Ernte. Etwa 60 Betriebe gibt es nach Branchenangaben noch, vor zehn Jahren waren es doppelt so viele. Bis in den Oktober hinein fahren die Erntehelfer durch die Felder, zupfen Blatt für Blatt von den mannshohen Pflanzen. "Das ist eine klebrige und heiße Angelegenheit. Von Karibik-Feeling keine Spur", erzählt etwa der badische Pflanzer Jochen Adam. Danach folgt die Trocknung und oft der Export in den Weltmarkt. Und das zu einem größeren Anteil als noch vor zwei Jahren. Eine Umstellung – schon wieder.

Wer an Tabakanbau denkt, denkt vielleicht an Kuba und Zigarren, oder an die globale Tabakindustrie und die Kritik an Monokulturen und Gesundheitsfolgen - aber nicht unbedingt an Menschen wie Jochen Adam oder Jens Vogel. Vogel ist der letzte Tabakbauer Thüringens und bewirtschaftet im Altenburger Land an der Grenze zu Sachsen 17 Hektar. "Es gab eine lange Durststrecke. Aber jetzt sind die Preise so, dass man ein gutes Auskommen hat", sagt er. Er schwärmt von seinen Pflanzen, nur wer die "Liebe zur Kultur" habe, könne auch erfolgreich anbauen. Wie die meisten deutschen Tabakbauern pflanzt er die Sorte Virginia an. Der Tabak geht später hauptsächlich in die Shisha.

Deutschland ist im Vergleich ein Tabak-Zwerg

Folke Rega nennt Menschen wie Vogel oder Adam den "harten Kern, der geblieben ist". Er ist der Geschäftsführer des Bundesverbands Deutscher Tabakpflanzer. Aktuell werde noch auf rund 1600 Hektar Tabak angebaut. Etwa 3700 Tonnen warf das im vergangenen Jahr ab, die Branche macht Verbandsschätzungen zufolge etwa 22 Millionen Euro Umsatz. Für 2023 gebe es noch keine Zahl, es sehe aber nach guten Erträgen aus. Damit ist Deutschland nicht nur international, sondern auch in der EU ein Tabak-Zwerg: 99 Prozent der Produktion kommt nach EU-Angaben aus acht anderen Ländern, hauptsächlich Italien.

Baden ist noch Tabak-Hochburg, der Osten war es mal

Baden ist noch eine der Tabak-Hochburgen in Deutschland. Rund 30 Erzeuger gebe es hier noch, sagt Adam, der auch den Landesverband in Baden-Württemberg führt. "Das liegt zum einen an der Tradition, aber natürlich auch am milden Klima in der Region." Zuletzt hätten ihnen Kostensteigerungen bei Löhnen oder Energie aber zu schaffen gemacht. "Da haben die letzten Zweifler gesagt, sie hören auf."

Im Osten Deutschlands hingegen ist die goldene Tabak-Ära schon länger zu Ende. Gegenwärtig gebe es noch vier Pflanzer, erzählt Vogel, der für den Tabakpflanzerverband Ost spricht. Zu DDR-Zeiten sei das anders gewesen: Wegen der Mangelwirtschaft habe es viel heimische Produktion gegeben. Dass das nach der Wende verschwunden ist, erklärt er so: "Wir haben hier gute Böden. Da kann man mit normalen Ackerbau mehr erwirtschaften. Alles, was arbeitsintensiv ist, fällt weg."

"Der Shisha-Boom war die Rettung"

Mit dem Wegfall von EU-Subventionen im Jahr 2010 gab es für die Branche einen weiteren Umbruch. Etliche Bauern gaben auf, andere wechselten auf den Virginia-Tabak. "Der Shisha-Boom war die Rettung", sagt Rega. Doch seit 2022 bringe eine Mengenbegrenzung für Wasserpfeifentabak neues Ungemach für die Branche. Das Geschäft mit legalem Shisha-Tabak brach laut Zahlen das Statistischen Bundesamtes daraufhin ein. Die Folge: Deutsche Erzeuger verkaufen vermehrt in den Weltmarkt, wie Rega erzählt. "Das hat funktioniert, weil der weltweite Konsum da ist. Aber es war ein Einschnitt." Teils könnten ausländische Abnehmer die Preise für deutschen Tabak nicht bezahlen.

Gibt es Kritik am Anbau in Deutschland?

Dazu gibt es in Deutschland natürlich eine gesamtgesellschaftliche Entwicklung, die Diskussion über die gesundheitlichen Folgen des Rauchens sowie Verbote und Vorschriften für die Branche. Bauernvertreter Rega findet, dass sich eher die Hersteller, als die wenigen deutschen Pflanzer der Diskussion stellen müssten. "Wir machen ein landwirtschaftliches Produkt und hochwertige Arbeit."

Gregor Peter Schmitz mit den Buchstaben GPS

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Die Deutsche Krebshilfe hatte zuletzt auch beklagt, der globale Tabakanbau verschwende wichtige Ackerfläche für den Anbau von Nahrungsmitteln. Für Deutschland erneuerte eine Sprecherin diese Kritik aber nicht. Das Bundeslandwirtschaftsministerium sieht hier kein Problem: "Im Vergleich zu insgesamt über 11 Millionen Hektar Ackerland in Deutschland erreicht der Tabakanbau keine Größenordnung, die in Konkurrenz zum Nahrungsmittelanbau steht."

DPA
jus