Am Ende des Jahres 1944 schrieb Dietrich Bonhoeffer ein Gedicht, das die Jahrzehnte überdauert hat. Es trägt den Titel "Von guten Mächten treu und still umgeben", der evangelische Pfarrer und Widerstandskämpfer schickte es aus dem Gestapo-Gefängnis in Berlin an seine Verlobte Maria von Wedemeyer. Es drückt Sorge angesichts der persönlichen und politischen Situation, aber auch Hoffnung und inneren Frieden aus. Später wurde das Gedicht vertont, immer noch wird es oft in Kirchen gesungen – gerade zum Jahreswechsel. (Weitere Hintergründe zu Dietrich Bonhoeffer und der Geschichte hinter dem Lied lesen Sie hier.)
Doch das bekannte und für viele Menschen berührende Lied steht offenbar auch bei Gegnern der Corona-Maßnahmen hoch im Kurs. "Von guten Mächten" wird regelmäßig bei Querdenker-Demos und sogenannten Spaziergängen angestimmt. Der Großneffe des kurz vor Kriegsende von den Nazis hingerichteten Dietrich Bonhoeffer, Matthias Bonhoeffer, sieht die Instrumentalisierung der Zeilen seines Großonkels sehr kritisch.
Großneffe von Dietrich Bonhoeffer: "Ich kann mich nur persönlich dagegen verwahren"
Es tue ihm "körperlich weh", sagte Mathias Bonhoeffer, selbst Pfarrer in Köln: "Da kommt mir Max Liebermann in den Sinn: 'Ich kann gar nicht so viel fressen, wie ich kotzen möchte.'" Die Worte und Ansichten seines Vorfahren würden nicht zum ersten Mal instrumentalisiert, erzählte der 63-Jährige. Damit bezog er sich auch auf den Satz "Es reicht nicht, die Opfer unter dem Rad zu verbinden. Man muss dem Rad selbst in die Speichen fallen". Mit diesem Ausspruch hatte Dietrich Bonhoeffer ein Attentat auf Hitler ethisch gerechtfertigt. Rechtskonservative in den USA nutzten ihn, um den evangelischen Theologen gegen das "Establishment" in Washington in Stellung zu bringen, so Mathias Bonhoeffer.
Dagegen vorzugehen sei schwierig, da die Texte frei nutzbar seien. "Ich kann mich nur persönlich dagegen verwahren", so der Nachfahre von Dietrich Bonhoeffer, der aufgrund seines Widerstands und der Ermordung durch die Nazis als evangelischer Märtyrer gilt. Bonhoeffer engagierte sich in der Bekennenden Kirche, die sich gegen die Gleichschaltung der großen Kirchen durch die Nazis wehrte, leitete auf seinen Reisen geheime Dokumente an die Briten weiter und war Teil einer Gruppe, die Anschläge auf Hitler forcierte.
Zehn wichtige Hörbücher zum Widerstand gegen den Nazi-Terror

Stauffenberg ist die Lichtgestalt des Widerstandes, und wie das mit so überhöhten Personen der Zeitgeschichte so ist, hat ihr Bild oft nur bedingt etwas mit dem dahinter Menschen zu tun. Das ist auch bei Claus Schenk Graf von Stauffenberg so. Sophie von Bechtolsheim ist seine Enkelin und sie ist Historikern. Erstmals erzählt sie in diesem Buch, wie Stauffenberg in der Familie wahrgenommen wurde.
Komponist besitzt Rechte an der Melodie
Auch der Komponist Siegfried Fietz wehrt sich dagegen, dass Bonhoeffers Zeilen von Querdenkern vereinnahmt werden. Er vertonte das Gedicht 1970, seine Version wird auf den Demonstrationen gesungen. "Das empfinden wir moralisch, sozial und auf Basis unseres Glaubens nicht akzeptabel", teilte Fietz über seinen Musikverlag mit. "Wenn wir vorab informiert würden, würden wir diesen Einsatz immer ablehnen." Die Rechte der Melodie liegen weiterhin bei Fietz und seinem Verlag.

Videos von Querdenker-Demos auf Youtube oder Facebook, in denen das Lied gesungen wird, meldet der Verlag wegen fehlender Filmnutzungsrechte. Allerdings ist der Gegenwind aus der Szene groß. Corona-Maßnahmengegner hätten die Facebook-Seite von Fietz so oft gemeldet, dass Facebook das Profil automatisch gesperrt und auf Beschwerden noch nicht reagiert habe.